Gespräche im ORF

Filzmaier-Analyse: Der innenpolitische Sommer

Österreich
24.07.2016 08:07

Am Montag beginnen die Sommergespräche des ORF. Seit 1981 ist das Tradition und ein Publikumshit. Heuer interviewt Susanne Schnabl, sonst Top-Moderatorin des Magazins "Report", die Parteichefs. Doch wollen die Gäste ihr auch wirklich etwas sagen? Oder tun sie doch nur bloß so, als würden sie den Fragen zuhören? Erfahren wir irgendetwas Neues?

1. Den Anfang macht Frank Stronach. Die nach ursprünglich elf Mandaten verbliebenen sechs Abgeordneten werden mit Magenkrämpfen seinen Auftritt anschauen. Mit der aus Überläufern und Glücksrittern bestehenden Truppe ist kein Mitleid angebracht. Im Vorjahr verkündete ihr Ex-Guru, dass Frauen auch Menschen wie wir sind.

Davor wusste Stronach nicht, warum es den Nationalfeiertag gibt. Die Neutralität bräuchten wir, falls die Chinesen einmarschieren. Die Zukunft EU-ropas sei positiv, wenn Hauptschuldirektoren sich alle Lehrer aussuchen. Der ORF müsste im Studio drei Täfelchen haben: Dass Stronach bitte beim Thema bleibt. Dass er niemanden beleidigen soll. Und dass er die Fragestellerin ausreden lässt. Das sind Dinge, welche Frank nicht gerne tut.

2. Matthias Strolz von den NEOS hat es ohne Milliarden geschafft, eine neue Partei mittelfristig zu etablieren. Paradoxerweise wird nun eine Stärke zur Schwäche: Die NEOS haben von Bildung bis Wirtschaft Konzepte entworfen. Für deren Umsetzung nötige Regierungssitze sind nicht in Sicht. Weder im Bund noch in den Ländern.

Stilistisch führt das zu einer Gratwanderung. Einerseits muss Strolz als dritter Oppositioneller hinter FPÖ und Grünen um jeden Preis auffallen. Andererseits wird der Mythos des Neuen schnell von Abnützungseffekten abgelöst. Weil er ständig mit zu Flügeln ausgebreiteten Armen wiederholt, was wäre wenn jemand mit den NEOS koaliert.

3. Eva Glawischnig steht Jahr für Jahr vor demselben Problem: Ihr Einsatz für Sozialpolitik ist groß. Im Fernsehen hört sich das nach dem Buhlen um Solidaritätsstimmen jener an, denen es finanziell gut geht. Kann eine Grüne überzeugen, dass sie Schlechtverdienern im Alltag hilft? Glauben sozial Benachteiligte, dass von ihr mehr Arbeitsplätze geschaffen werden? Oder halten sie Öko-Jobs für theoretisches Gerede?

Gleiches gilt für Zuwanderung und Integration. Glawischnig muss Bertolt Brechts "Erst das Fressen, dann die Moral!" beachten und darf nicht zu sehr auf der gesellschaftspolitischen Metaebene argumentieren.

4. Heinz-Christian Strache behauptete 2005 bei Armin Wolf, eine Buchbeschreibung verfasst zu haben. Schreiben sei sein Hobby. In Wahrheit war der Text aus dem Internet kopiert. Von einer rechtsextremen "Heimseite". Strache und Anhänger der FPÖ verstehen seitdem Interviews mit ORF-Journalisten als Duell. Der Fragesteller punktet, wenn der Befragte überrascht wird und statt altbekannter Stehsätze neue Einblicke in sein Denken gewährt. Verlassen umgekehrt Politiker zufrieden die Sendung, hat man sie nicht aus der Reserve gelockt. Sie konnten ihre Sprüche wunschgemäß aufsagen.

Im Fall Strache gibt es freilich vorgefasste Meinungen, dass blaue Recken Frau Schnabl sowieso für eine intrigante Fallenstellerin halten. Umgekehrt verstehen Kritiker Herrn Straches Aussagen immer als rechts von der Demokratiegrenze. Das wird so sein, auch wenn Schnabl und Strache einander anschweigen würden.

5. Reinhold Mitterlehner kam vor zwei Jahren als "Django". Dem frischen Chef der Schwarzen wurde zugetraut, die ÖVP aus dem Tief zu schießen. Nun hat er Ladehemmung. Seine Partei blamiert sich in Umfragen unter 20 Prozent. Persönlich liegt er im Vertrauensindex meilenweit hinter Sebastian Kurz. Warum glaubt Mitterlehner, dass er in einer Wahl der bessere Spitzenkandidat ist? Ganz ohne Ironie: Die Antwort darauf und deren Glaubwürdigkeit wären spannend.

Hinzu kommt ein unlösbares Dilemma. Als 2014 "Wutoma" Frieda Nagl gegen hohe Steuern wetterte, ging die Wortmeldung einer jüngeren, bürgerlichen und konservativen Frau unter: Sie warf dem Vizekanzler vor, warum die Bundesregierung keine Sorge dafür trägt, dass sich für jeden ein Einfamilienhaus ausgeht. Länder- und Teilorganisationen der ÖVP haben ähnliche Erwartungshaltungen. Mitterlehner müsste dem Mittelstand unseriöse Versprechungen machen. Oder er ist Neinsager.

6. Christian Kern ist seit Kurzem im Amt und profitiert vom "Nicht Faymann!"-Effekt. Ob er sprachlich gewandter ist? Womöglich fallen einstweilen nur seine Worthülsen weniger auf. Zum Beispiel hinkt der angekündigte "New Deal" als Vergleich gewaltig.

Das machte Franklin D. Roosevelt in den USA nach 1933 mit absoluter Mehrheit. Die SPÖ und Kern sind unter 25 Prozent. Zugleich handelte der US-Präsident in einer tiefen Depression. Sieht Kern uns in so schlechter Lage? Will er wie Roosevelt zentralistisch mehr Macht für sich auf Kosten von Ländern und Gemeinden? Meint er gar, dass wie in den dreißiger Jahren auch nach Terror und Flüchtlingskrise ein Krieg droht? Wir dürfen gespannt sein.

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