Kritik an Budget

“Familien sind die Verlierer” – Jugend demonstriert

Österreich
25.10.2010 07:32
Das Spar- und Steuerpaket der Regierung hat am Wochenende viel Kritik ausgelöst. Für großen Ärger sorgt die Erhöhung der Mineralölsteuer. Sowohl die Autofahrer-Clubs als auch rote Bundesländervertreter und die Arbeiterkammer deponierten ihren Unmut. Kritisiert wurden auch die Kürzungen im Sozialbereich. "Familien, Pflegegeldbezieher und Jugendliche sind die Verlierer der Budgetkonsolidierung", ärgern sich Jugend- und Studentenverbände, die am Sonntag am Wiener Stephansplatz eine Protestkundgebung abhielten (Bild).

Nachdem Demonstranten schon bei der Budget-Klausur in Loipersdorf für Störgeräusche gesorgt hatten, machten am Sonntagabend laut Polizei etwa 1.000 Menschen auf dem Wiener Stephansplatz während der Live-Übertragung der ORF-Sendung "Im Zentrum" lautstark ihrem Unmut Luft. Im Laufe der Sendung hatte der ORF offensichtlich mit einem Sabotageakt zu kämpfen. Protestierende dürften den Stecker zum Übertragungswagen neben dem Haas-Haus gezogen haben, wie der ORF bestätigte.

Die ÖH sprach von 5.000 Teilnehmern an der Demo. Hunderte Studenten, die Hochschülerschaft und Anhänger linker Jugendorganisationen zogen anschließend zum Finanzministerium weiter, um lautstark ihren Unmut über die geplanten Kürzungen bei der Familienbeihilfe und das Budget im Allgemeinen zu äußern. Zwischenfälle gab es keine.

"Hey, ho, Pepi Pröll has got to go"
Auf dem Weg skandierten die Protestierer etwa "Hey, ho, Pepi Pröll has got to go" (Hey, ho, Pepi Pröll muss gehen) oder "Wer hat uns verraten - Sozialdemokraten. Wer war mit dabei - Volkspartei". Die ÖH hat unterdessen schon zur nächsten Protestkundgebung aufgerufen. Am Donnerstag (28. Oktober) startet um 16 Uhr ein Demonstrationszug vor der Universität Wien, der zum Wirtschaftsministerium führen soll. "Der Kampf gegen den Budgetplan hat erst begonnen", hieß es in einer ÖH-Aussendung.

Die Vorsitzenden der Sozialistischen Jugend und der Aktion kritischer SchülerInnen zeigten sich zuvor tief enttäuscht von den Ergebnissen der Budgetverhandlungen. "Die SPÖ hat sich wieder einmal über den Tisch ziehen lassen und bewiesen, dass ihre 'Zeit für Gerechtigkeit'-Kampagne in erster Linie eine Beruhigungspille für die rebellierende Parteibasis im Vorfeld des letzten Parteitags war", schrieb Wolfgang Moitzi (SJ) in einer Aussendung. Die Regierung müsse endlich erkennen, dass die Jugendlichen die Zukunft Österreichs darstellen.

"Menschen mit Hausverstand erkennen für gewöhnlich, dass es gerade jetzt sinnvoll ist, in den Bildungsbereich zu investieren", ist AKS-Bundesvorsitzende Iris Schwarzenbacher empört über die Resultate der Regierungsklausur. "Die Mehrinvestitionen in den Ausbau der Ganztagsschulen wirken neben der Kürzung der Familienbeihilfe und den anderen Sparmaßnahmen wie ein lächerlicher Trostpreis", so Schwarzenbacher weiter. Die 80 Millionen Euro im Uni- und Schulbereich sind für Moitzi und Schwarzenbacher "nicht einmal klitzekleine Pflästerchen auf den großen Wunden des Bildungssystems".

Unikonferenz-Chef "vorsichtig optimistisch"
"Vorsichtiger Optimismus" ist hingegen für den Präsidenten der Universitätenkonferenz, Hans Sünkel, angesichts der beschlossenen Maßnahmen im Uni-Bereich angesagt. Es sei "erfreulich, dass endlich die Situation erkannt wurde, dass es im Bezug auf Unis sehr viel mehr Unterstützung, insbesondere finanzieller Art, geben muss", so Sünkel.

"Einverstanden" ist Sünkel mit den geplanten Zugangsregelungen in den Massenfächern. Dass die geplante Eingangsphase auch in den Sommer vorgezogen werden kann, hat für ihn aber auch einen "negativen Beigeschmack". Denn in diesen Monaten würden die Wissenschaftler vor allem Forschung betreiben. Wenn also im Sommer eine Eingangsphase stattfinde, "bleibt die Forschung auf der Strecke", so Sünkel, der allerdings meint, dass "man das möglicherweise kompensieren kann". In Summe findet er diese Eingangsphase als "sehr gut und dringend notwendig".

Kritisch sieht er allerdings die geplante Reduktion der Bezugsdauer der Familienbeihilfe auf 24 statt bisher 26 Jahre. Das sei ein Thema, das Studierende ganz massiv betreffe, denn sie könnten überwiegend nicht mit 24 Jahren ihr Studium beenden, wenn sie Bachelor- und Masterprogramme absolvieren. Das bedeute einen Verlust von jährlich 2.000 Euro in den letzten beiden Jahren. "Das ist doppelt so viel wie ursprünglich als Studiengebühren angedacht war", so Sünkel.

Caritas-Chef warnt vor "unsozialer Treffsicherheit"
Auf Ablehnung stoßen die Sparmaßnahmen im Bereich Soziales bei der Caritas. "Die Regierung muss aufpassen, dass aus sozialer Treffsicherheit nicht unsoziale Treffsicherheit wird", warnt Präsident Franz Küberl. Er kritisiert unter anderem die verschärften Zugangsbedingungen zum Pflegegeld, die vor allem Mindestpensionisten treffen würden. Die Kürzungen bei der Entwicklungshilfe sollten zudem durch eine Zweckwidmung der Flugticket-Abgaben ausgeglichen werden, die Einsparungen beim Zivildienst seien "ein Tritt ins Schienbein der sozial engagierten jungen Leute", so Küberl.

AK: "MöSt schwarzer Fleck auf Regierungseinigung"
Was die Erhöhung der Mineralölsteuer betrifft, spricht der Präsident der Arbeiterkammer, Herbert Tumpel, von einem "schwarzen Fleck auf der Regierungseinigung". Auch Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (SPÖ) tat ihre Bedenken gegenüber der "undifferenzierten Massensteuer" kund. Kritik kam naturgemäß von den Autofahrerclubs ARBÖ und ÖAMTC. Dass die Pendlerpauschale um fünf Prozent erhöht wird, konnte die Gemüter nicht besänftigen.

Experten raten zu Strukturreform
Die Wirtschaftsforscher mahnen die Regierung indes, Strukturreformen vorzunehmen und die Staatsschulden nicht aus den Augen zu lassen. So sieht IHS-Chef Bernhard Felderer im skizzierten Pfad bis 2014 noch keine nachhaltige Konsolidierung der Schulden. Das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) legt der Regierung nahe, bei den Staatsschulden die ausgelagerten Schulden von Bundesbahn und Autobahnfinanzierungsgesellschaft Asfinag nicht außen vor zu lassen. Wifo-Budgetexpertin Margit Schratzenstaller rät zudem zu einer Steuerreform, die den Faktor Arbeit entlastet und Lenkungseffekte im Umweltbereich bringt.

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