"Krone" fragte nach

ESM – Feuerwehr oder doch ein Teufelswerk?

Österreich
05.07.2012 17:11
Am Mittwoch beschloss der Nationalrat den Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM. Aber Widerstand und Bedenken bleiben. Die "Krone" fragte Politiker und Unternehmer.

Von "Angstmacherei" sprechen die einen, von "kaltem Putsch" die anderen: ESM und Fiskalpakt polarisieren weiter. Tenor unserer Leser: Sie fühlen sich über den ESM viel zu wenig informiert.

Frank Stronach, der im Herbst eine neue Partei gründen will, ist der Frontmann gegen den ESM: "Die Politiker verkaufen unser Land. Das österreichische Volk wird ihnen das nie verzeihen." Hier einige weitere Pro- und Kontra-Stimmen zur Schuldenhaftung im vereinten Europa:

"Crash muss kommen"
"Der ESM ist nötig, um einen Zusammenbruch in bestimmten Ländern zu verhindern. Dabei wäre auch schon allein eine Ankündigung der EZB, die 'Kleinen' nie fallen zu lassen, überaus hilfreich. Der Fiskalpakt ist auf alle Fälle nicht die richtige Antwort auf die Krise. Hier hätte früher angesetzt werden müssen: In einer Währungsunion, in der einzelne Länder nicht abwerten dürfen, muss es ja irgendwann zu einem Crash kommen. Die Nationen hätten sich an die vorgegebene Inflationsrate halten müssen - aber Deutschland lag immer darunter und hatte viele Vorteile. Nun müssten in Ländern wie Deutschland die Löhne steigen, während sie etwa in Griechenland wesentlich langsamer erhöht werden." Die SPÖ-Abgeordnete Sonja Ablinger stimmte für den ESM, aber gegen den Fiskalpakt.

"Schuldenunion führt in die Inflation"
"Geht die Politik in Europa den Weg weiter, den sie jetzt eingeschlagen hat - nämlich den Weg der Banken- und Schuldenunion -, werden sie Länder wie Deutschland und Österreich schwer schädigen. Dann sehe ich eine lange Phase von zumindest steigender Inflation und einer entsprechenden Entwertung unserer Geldvermögen voraus. Oder die Politiker kratzen jetzt die Kurve und sagen: Kehren wir zurück zu den richtigen Prinzipien von Maastricht. Dann wird ein Teil der Euro-Länder - Griechenland auf jeden Fall, für andere Länder will ich keine Prognosen machen - aus der gemeinsamen Währung ausscheiden, weil diese Länder dazu nicht stark genug sind. Denn bislang haben weder Italien noch Spanien - Portugal ist ein bedauernswerter Sonderfall - auch nicht Frankreich die politische Kraft gefunden, die notwendigen Reformen durchzuführen, die man braucht, um in einer Währungsunion gemeinsam mit den starken Nordstaaten zu bestehen." Buchautor Thilo Sarrazin (rechts im Bild) war am Mittwoch im Parlament.

"Das ist übereilt"
"Das ist doch wirklich übereilt, der bestehende Rettungsschirm, also die EFSF (Anm.: Europäische Finanzstabilisierungsfazilität), wäre natürlich ausreichend, um die aktuellen Probleme zu bewältigen. Jetzt ist wirklich kein zusätzliches Finanzierungsinstrument nötig. Die mögliche Alternative zum ESM ist eine Intensivierung der Wirtschaftsimpulse für die Krisenländer bei gleichzeitiger Kontrolle der Einhaltung der Sparauflagen. Die Griechen müssen wieder Vertrauen in ihr Land gewinnen. Und andererseits darf es doch nicht so sein, dass es keinen Anreiz mehr gibt, die Schulden zurückzuzahlen." Barbara Kappel, Wirtschaftssprecherin der FPÖ, ist gegen den ESM.

"Ich finde das absolut verantwortungslos"
"ESM und Fiskalpakt sind durch, aber das Grundproblem bleibt: Es fehlt eine europäische Wirtschaftsregierung, der auch externe Berater, Banker und Ökonomen angehören, mit einem handlungsfähigen Finanzminister, der sich den europäischen Bürgern verantwortlich fühlt. Wie sonst sollen 27 Staaten - arme, reiche, Bankrotteure - mit unterschiedlichsten Interessen gemeinsam diese größte Krise seit Existenz der EU meistern? Mit dem Feuerwehrprinzip der letzten Jahre wird's nicht funktionieren. Die Löschversuche haben absolut nichts gebracht, außer dass wir unsern Kindern und den nachkommenden Generationen ein Riesenschuldenpaket hinterlassen. Ich finde das absolut verantwortungslos." Unternehmer Niki Lauda (Bildmitte) plädiert für eine europäische Wirtschaftsregierung.

"Richtig und positiv"
"Für mich ist die Entscheidung für den ESM in der jetzigen Situation die einzig mögliche Form. Deshalb war es richtig und positiv, dass SPÖ und ÖVP gemeinsam mit den Grünen dafür gestimmt haben. Ein Plan B ist mir jedenfalls nicht bekannt." Martina Dobringer, Aufsichtsrätin der Vienna Insurance Group.

"Nutznießer sollen Schaden tragen"
"Schauen wir uns einmal die Zahlen an. Wenn der Fiskalpakt eingehalten wird, müssen die europäischen Staaten in den nächsten Jahren über 2.000 Milliarden Euro aus ihren Haushalten heraushacken: bei Gesundheit, bei Sozialem, bei Bildung und bei Renten. Was soll dann denn noch von Europa übrig sein? Wer den Steuerzahler solchen Risiken aussetzt - wir reden hier über zwei gigantische Rettungsschirme mit einem Haftungsvolumen allein für Deutschland von 300 Milliarden, eventuell von 400 Milliarden Euro - wer solche Risiken provoziert, sollte rot anlaufen, wenn er von Haushaltskonsolidierung redet. Nehmen Sie das doch von Ihnen selber beschworene Prinzip der Haftung nur einmal ernst: Wer den Nutzen hatte, soll auch den Schaden tragen. Wer hatte den Nutzen? Es ist doch kein Zufall, dass parallel zu den Staatsschulden auch die privaten Vermögen der oberen Zehntausend in Europa immer neue Rekorde erreichen. Holen Sie sich das Geld doch dort zurück! Denn da liegen die Milliarden, die uns fehlen." Sahra Wagenknecht (links im Bild), deutsche Politikerin ("Die Linke").

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