Für Vortrag in Wien

Berlusconi-Gegner über die Mafia als globales Problem

Wien
10.06.2011 16:22
Er kämpfte gegen die Roten Brigaden, in Palermo gegen die Mafia. Heute ist der 72-Jährige Giancarlo Caselli (Bild links) einer der profiliertesten Gegner von Ministerpräsident Silvio Berlusconi. Der derzeitige Oberstaatsanwalt von Turin kam zu einer Diskussionsveranstaltung über Korruption nach Wien. Dabei warnte Caselli davor, dass die Mafia nicht nur ein italienisches, sondern ein europäisches und globales Problem sei. "Es liegt in der DNA der Mafia, dass sie sich ausbreitet."

Es liege in der Natur der Mafia, dass sie sich von ihren traditionellen Gebieten Süditaliens ausbreiten müsse, so der Staatsanwalt. Seine Warnung kam nur wenige Tage nach der Großrazzia gegen den Mafia-Arm 'Ndrangheta in Norditalien (siehe Infobox). "Die 'Ndrangheta, welche momentan die gefährlichste Mafia-Arganisation Italiens ist, wird 'flüssige Mafia' genannt, weil sie wie Wasser überall einsickert", erklärte Caselli.

Globalisierung erleichtet Wege der Mafia
Experten gingen davon aus, dass die 'Ndrangheta Teile der Welt förmlich kolonialisiere, erklärte der 72-Jährige. Dass die kalabrische Mafia-Organisation 'Ndrangheta auch den Norden Italiens erreicht habe, sei zwar nicht neu, so Caselli, in den vergangenen Jahrzehnten habe sich jedoch durch die Globalisierung und EU-Integration viel geändert und die Wege für die Bewegung von Geldern, Gütern und Personen auch für die Mafia extrem erleichtert.

Das schmutzige Geld, das die Mafia bei ihren Geschäften wie etwa Erpressung, Betrug und Handel mit Waffen, Drogen und Giftmüll anhäufe, könne nämlich erst verwendet werden, nachdem es gewaschen wurde, erklärte Caselli: "Geldwäsche funktioniert am besten dort, wo viel Geld im Umlauf ist und es daher am wenigsten auffällt. Daher passiert die Geldwäsche natürlich gerade in Krisenzeiten im Norden Italiens, in Europa und im Rest der Welt."

Kein Erfolg ohne internationale Koordinierung
Während es im Bereich der militärischen Mafia-Bekämpfung in den vergangenen Jahren große Erfolge gegeben habe, wachse die Geldwäsche in ganz Italien und auch außerhalb, bedauerte Caselli. In diesem Bereich werde die Mafia leider oft übersehen und unterschätzt, meinte der Jurist und forderte: "Solange es keine internationale Koordinierung gibt, zum Beispiel bei einer Bremse und Eliminierung der Steuerparadiese, dann gibt es keinen Grund, über Erfolge gegen die Mafia optimistisch zu sein."

Italien habe zwar noch immer Probleme mit der Mafia, sei aber auch das Land der Anti-Mafia, betonte Caselli. "Das können und müssen die Italiener auch mit Stolz für sich beanspruchen", erklärte er. Denn neben den zahlreichen Menschen, die sich für den Kampf gegen die Mafia geopfert hätten, könne Italien auf die Gesetzgebung und die Organisation für die Mafia-Bekämpfung stolz sein, so Caselli.

Auch soziale Mafia-Bekämpfung in Italien
Zudem habe Italien mittlerweile Antworten auf die Mafia gefunden, die nicht nur die Zurückdrängung und die Aufgaben der Sicherheitskräfte und Gerichte betreffen, sondern auch eine soziale Mafia-Bekämpfung, erklärte er weiter. So würden zum Beispiel Gelder und Güter, die von Mafiosi konfisziert wurden, an die Gesellschaft zurückgegeben, indem in ehemaligen Mafiosi-Villen soziale Einrichtungen oder Polizeikasernen entstünden, so Caselli.

Österreich streut Caselli bei seinem Besuch Rosen: "Die zentralisierte Korruptionsbekämpfung in Gestalt einer Behörde ist fortschrittlicher als in Italien." Im Gegensatz dazu sind italienische Staatsanwälte aber weisungsfrei – das Justizministerium regelt nur die Organisation. Wie viel Personal eingesetzt, wie Fälle erledigt werden, ob Anklage erhoben wird oder nicht, das entscheidet der jeweilige Staatsanwalt selbständig.

Vom Mafia-Jäger zum Berlusconi-Gegner
In den 1970er-Jahren kämpfte Giancarlo Caselli noch in Turin gegen die Terrororganisation "Rote Brigaden". Später wurde er als Mafia-Jäger nach Palermo versetzt. Und übernahm den Posten von Giovanni Falcone, der 1992 einem Sprengstoff-Attentat zum Opfer fiel. In seiner sechsjährigen Amtszeit setzte Caselli fast 300 Verurteilungen lebenslanger Haft gegen führende Mafiosi durch. Er vertrat auch die Anklage im Prozess gegen Ministerpräsident Andreotti. Heute gilt Caselli als profiliertester Gegner von Ministerpräsident Berlusconi und dessen Versuchen, durch Gesetzesänderung der Strafverfolgung zu entgehen.

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