Gesetzesänderung

Behinderte Kinder sind nicht länger ein “Schaden”

Österreich
16.12.2010 15:20
Die Regelung, dass die Geburt eines behinderten Kindes Schadenersatzansprüche auslösen kann, auch wenn das Verhalten des behandelnden Arztes am Herbeiführen der Beeinträchtigung nicht schuld war, wird geändert. Ab 1. Juni 2011 tritt ein neues Gesetz in Kraft, das klarstellen soll, dass die Geburt und Existenz eines Kindes mit Behinderung "keinen Schaden darstellt", sagte Justizministerin Claudia Bandion-Ortner Donnerstagmittag.

Mit dem neuen Gesetz wollte man nicht nur die Würde behinderter Menschen wahren, sondern auch den hohen Druck, der auf den Ärzten lastete, nehmen, sagte ÖVP-Behindertensprecher Franz-Joseph Huainigg. "OGH-Urteile gestanden Eltern behinderter Kinder immer wieder hohe Schadenersatzsummen zu. Die Eltern argumentierten, sie hätten das Kind abgetrieben, wenn sie von dieser Diagnose vor der Geburt Kenntnis erlangt hätten", sagte Huainigg.

Bei der medizinischen Betreuung von schwangeren Frauen hätten Ärzte auch deswegen dazu gedrängt, die ganze Palette an vorgeburtlichen Untersuchungen durchzuführen - "auch ohne Anlass und mit zusätzlichen Risiken für das werdende Kind", sagte der ÖVP-Behindertensprecher. "Sie rieten oft bei geringstem Verdacht auf eine Behinderung zu einer Abtreibung."

Kein Schadenersatz mehr bei Fehldiagnose
Bald schon können Mediziner nur noch für Kunstfehler während der Schwangerschaft und bei der Geburt verantwortlich gemacht werden, sagte Georg Kathrein, Sektionschef im Justizministerium. Bei einer möglichen Fehldiagnose könne der Schadenersatzanspruch nicht mehr geltend gemacht werden. Der Aufklärungsverpflichtung über eine mögliche Behinderung des ungeborenen Kindes müssen Ärzte weiterhin nachkommen, erklärte Kathrein. "Das ist weiter Kardinalspflicht."

Geändert wird das Schadenersatzrecht als Teil des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (Paragraf 1293 ABGB). Die Bestimmung wird dann angewendet, wenn das Kind nach dem 31. Mai 2011 geboren wird, so die Justizministerin.

Die besonderen Bedürfnisse von Kindern, die mit einer körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung auf die Welt kommen, sollen in weiterer Folge durch besondere Leistungen außerhalb des Schadenersatzrechtes gedeckt werden. Huainigg forderte bei der Pressekonferenz weitere sozialrechtliche Schritte: "Wir müssen Familien mit behinderten Kindern besser unterstützen und den behinderungsbedingten Mehraufwand besser absichern", meinte der ÖVP-Behindertensprecher.

Kardinal Schönborn: "Positiver Schritt"
Kardinal Christoph Schönborn begrüßte die Änderung als "positiven Schritt". Er sei Justizministerin Claudia Bandion-Ortner für den Entwurf des Schadenersatzrechts-Änderungsgesetzes "sehr dankbar", sagte der Kardinal im Gespräch mit dem "Pressedienst der Erzdiözese Wien".

"Es geht hier nicht um eine konfessionelle Frage, sondern um eine Frage der Menschenrechte und der Vernunft", sagte der Wiener Erzbischof. Ein Kind - auch ein behindertes Kind - könne nicht zum "Schadensfall" werden. Zugleich werde mit der neuen Gesetzesinitiative eine latente Diskriminierung behinderter Menschen beseitigt.

Auch "aktion leben" begrüßt Gesetzesänderung
Auf das neue Gesetz reagierte auch Gertraude Steindl, Präsidentin der "aktion leben österreich", positiv. "Nun müssen weitere Schritte im Sozialrecht erfolgen, damit Kinder mit Behinderungen und ihre Eltern ein selbstbestimmtes und finanziell gesichertes Leben führen können", appellierte Steindl.

"Jetzt wird endlich klargestellt, dass ein Kind kein Schaden sein kann. Das ist ein großer Fortschritt im Bereich des Zivilrechts", sagte auch ÖVP-Justizsprecher Heribert Donnerbauer. Im Bereich des Sozialrechtes seien allerdings Begleitmaßnahmen außerhalb des Schadenersatzrechtes erforderlich, um Mehraufwendungen aufgrund eines Kindes mit Behinderungen abzusichern.

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