Koloniales Erbe

Von “Lawrence of Arabia” bis zum IS-Terrorkalifen

Ausland
28.05.2016 08:58

Vor 100 Jahren, im Mai 1916, begann mit britischer Hilfe ("Lawrence of Arabia") die Arabische Revolte gegen das türkische Reich. Dann folgte der große Verrat: Die Kolonialmächte Großbritannien und Frankreich teilten Arabien rücksichtslos unter sich auf - und schufen Wurzeln unter anderem für die heutigen Kriege in Syrien und im Irak. Sie legten damit Zeitbomben, deren letzte der IS-Terrorkalif im Nahen Osten gezündet hat.

Vor Weihnachten im Jahr 1915 eilte der junge Abgeordnete Mark Sykes in die Downing Street 10 in London. Vor dem Kabinett Seiner Majestät sollte der 36-Jährige Ideen über die Zukunft des Nahen Osten darlegen, wo gerade das Osmanische Reich um sein Überleben kämpfte.

Sykes hatte sich dank mehrerer Bücher über seine Reisen in die arabische Welt den Ruf als Kenner der Region erworben - jetzt beeindruckte er auch das Kabinett so sehr, dass sein Auftritt weitreichende Folgen hatte: Sykes sollte maßgeblich den modernen Nahen Osten formen.

Kurz darauf nämlich verhandelte er im Auftrag der britischen Regierung mit dem französischen Diplomaten François Georges-Picot darüber, wie die europäischen Großmächte nach der Niederlage des Osmanischen Reiches die arabische Welt unter sich aufteilen wollten. Am Ende einigten sich im Mai 1916 London und Paris auf das berühmt-berüchtigte Sykes-Picot-Abkommen. Nicht nur für viele Araber gilt es bis heute als ein Beispiel rücksichtsloser europäischer Kolonialpolitik.

Mit mehreren Federstrichen schufen sie willkürlich künstliche Staatsgebilde und - vor den Arabern verheimlicht - eine "Heimstatt" für die Juden. Aus dem französischen Gebiet gingen später der Libanon und Syrien hervor, aus dem britischen Israel, Jordanien und der Irak.

Der IS-Kalif will Arabiens Kolonialerbe abschütteln
Noch immer leiden diese Staaten unter der Art und Weise, wie sie entstanden sind. Bis heute ringen sie um eine nationale Identität, wobei Syrien und dem Irak sogar der Zerfall droht. Und auch in beiden Ländern streben etwa die damals nicht berücksichtigten Kurden wenn nicht nach Unabhängigkeit, so zumindest nach mehr Autonomie.

Die Wurzeln der heutigen Konflikte in Syrien und im Irak gehen bis zum Sykes-Picot-Abkommen zurück. Die Terrormiliz Islamischer Staat hat ausdrücklich den vom Westen geschaffenen Grenzen den Krieg erklärt und als den ersten Schritt die Grenzeinrichtungen zwischen Syrien und dem Irak niedergewalzt.

Sie finden mit dieser Propaganda auch deswegen Gehör, weil das Sykes-Picot-Abkommen bis heute als Verrat Großbritanniens an den Arabern im Streben nach Unabhängigkeit gilt. Die Übereinkunft stand nämlich im Widerspruch zu Zusagen, die London dem Scherifen Hussein, Herrscher in Mekka, gegeben hatte.

Heute "letzte Schlachten des Ersten Weltkriegs"?
Um ihn zum Aufstand gegen die Osmanen zu bewegen, versprach ihm der britische Hochkommissar in Ägypten, Henry McMahon, in einem Briefwechsel einen unabhängigen arabischen Staat. Das unabhängige arabische Großreich sollte aber nie Wirklichkeit werden.

Husseins Sohn Faisal reiste zwar nach dem Ersten Weltkrieg zur Pariser Friedenskonferenz, begleitet von dem britischen Abenteurer T.E. Lawrence, auch bekannt als "Lawrence von Arabien", der den Arabern bei dem Aufstand half. Faisal aber fand dort kein Gehör. Die Briten waren jetzt in einer so starken Position, dass sie die Ansprüche des Scherifen ignorieren konnten.

Zum Trost erhielt Faisal den Thron des neu geschaffenen Irak aus den osmanischen Provinzen Mossul (Kurden), Bagdad (Sunniten), Basra (Schiiten), sein Bruder Abdullah bekam das neu geschaffene Jordanien nach seiner Vertreibung aus Mekka durch die Saudis. Kommentatoren sehen in den heutigen Kriegen in Syrien und im Irak das Finale des Ersten Weltkriegs.

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