Wochen vergeudet

USA und BP ignorieren Ölpest-Hilfsangebote

Ausland
03.07.2010 13:50
Sieben Wochen, vom 30. April bis Ende Juni, hat die US-Regierung gebraucht, um ein Hilfsangebot der Niederlande in Sachen Ölpest im Golf von Mexiko anzunehmen. Rund eine Milliarde Liter des auf der Wasseroberfläche treibenden Öl-Wasser-Gemisches hätten vier Schiffe aus dem Land der Meeresspezialisten in dieser Zeit aufsaugen können. Ausländische wie US-amerikanische Helfer fühlen sich auch vom Ölkonzern BP zunehmend brüskiert. 20.000 Personen haben sich registrieren lassen, nur ein Sechstel darf sich tatsächlich an den Arbeiten beteiligen.

Mit einer Schaufel und einem Plastiksack bewaffnet nach Louisiana fahren und dort an den verseuchten Stränden Ölklumpen einsammeln - so einfach ist das nicht. BP-Angestellte, die Küstenwache und lokale Polizeibehörden kontrollieren die Strandabschnitte und weisen "Unbefugte" ab. Das gilt auch für Journalisten, Blogger und TV-Reporter, die seit Beginn der Ölpest immer wieder von Zutrittsverweigerung und "Zensur" berichten.

Seit Wochen wird "geprüft"
Nachdem die Hektik und Aufregung über die größte Umweltkatastrophe, die es im Golf von Mexiko je gegeben hat, in den letzten Tagen spürbar gewichen ist, haben sich nicht nur ignorierte Helfer, sondern auch Staaten aus Europa und dem Rest der Welt mit Beschwerden gemeldet, die USA und BP würden ihre Angebote ignorieren. Die US-Küstenwache widersprach und erklärte, bisher seien 107 Hilfsangebote aus 44 Ländern eingegangen. Sie reichten von technischer Beratung bis hin zu Spezialbooten und Schwimmbarrieren, wie sie etwa Kanada und viele EU-Staaten anboten. Die Mehrheit der Offerts ist allerdings schon mehrere Wochen alt und nur wenige wurden angenommen, wie aus Unterlagen des US-Außenministeriums hervorgeht. "Das Angebot wird noch geprüft", heißt es meistens.

530 Millionen Liter Rohöl sind seit Anfang April in den Golf von Mexiko geflossen und bedecken mittlerweile auf einer Fläche von Hunderten Quadratkilometern Meer und Küste. Allein die niederländischen Schiffe hätten mehr als 22 Millionen Liter Wasser-Öl-Gemisch pro Tag verarbeiten können. Ähnliche Kritik gibt es auch beim taiwanesischen Schiff "Der Wal", dem größten Frachtschiff der Welt, das dieser Tage im Golf von Mexiko einlaufen wird und dort pro Tag 80 Millionen Liter Öl-Wasser-Gemisch aufsaugen soll. Das Angebot des Schiffbesitzers, der das 335 Meter lange Ungetüm in den letzten Wochen eigens umbaute, wurde ebenfalls lange Zeit ignoriert.

Der Sprecher des Weißen Hauses, Robert Gibbs, erklärte am Freitag, die Regierung verzögere die Arbeiten nicht. Es seien bereits 24 ausländische Boote im Katastrophengebiet im Einsatz. Zu dem niederländischen Hilfsangebot äußerte er sich nicht.

Fischer klagt an: "Eigentlich tun sie nichts"
Auch BP steht in der Kritik, die angebotene Hilfe nicht zu nützen. Für die Säuberungsaktion haben sich mehr als 2.000 Boote bei BP registrieren lassen. Der Konzern bot den Kapitänen und der Besatzung eine Pauschale an, die je nach Größe des Schiffs von 1.200 bis 3.000 Dollar pro Tag reicht. Hinzu kommen 200 Dollar für jedes Besatzungsmitglied, das acht Stunden arbeitet.

Der Fischer Rocky Ditcharo aus Buras in Louisiana sagte kürzlich der Nachrichtenagentur AP, viele von BP angeheuerte Kapitäne hätten ihm erzählt, sie ankerten häufig vor der Küste, um auf Anweisungen zu warten. "Sie warten einfach, weil es keine Anweisungen gibt", sagte Ditcharo. Offenbar habe BP viele Kapitäne nur angeheuert, um auf eine möglichst große Zahl von Helfern verweisen zu können. "Aber eigentlich tun sie nichts." Der Fischer Chris Mehlig erklärte, er arbeite derzeit etwa acht Tage pro Monat für BP. Er legt Schwimmbarrieren aus und bringt Ausrüstung zu anderen Booten. "Ich wünschte, ich hätte mehr Tage, aber so ist es nun einmal."

Schlechte Erfahrungen machte Billy Nungesser von der Gemeinde Plaquemines Parish. Ihm legten BP und Küstenwache eine Karte vor, auf denen die genauen Einsatzorte von 140 Ölaufsaugern verzeichnet sein sollten. Als Nungesser aber darauf drang, selbst über das Gebiet geflogen zu werden, um die Arbeiten in Augenschein zu nehmen, räumte BP ein, dass nur 31 Anlagen in Betrieb seien.

"Es kann nicht überall Schiffe geben"
Der für den Aufräumeinsatz verantwortliche Küstenwache-Admiral Thad Allen erklärte am Freitag, die Arbeiten würden transparent vollzogen. Er wies Vorwürfe zurück, es seien nicht genug Spezialschiffe im Einsatz. Das verschmutzte Gebiet sei einfach so groß, dass es natürlich auch Gebiete ohne Schiffe geben könne. Nach Angaben der Küstenwache arbeiten 550 Spezialschiffe im Golf, die meisten davon vor der Küste von Louisiana.

In Florida, Alabama und Mississippi haben sich mehr als 20.000 Freiwillige registrieren lassen. Nach Angaben von BP hat jedoch weniger als ein Sechstel eine Aufgabe übertragen bekommen oder eine Einführung erhalten, um an den Arbeiten teilzunehmen. Die Direktorin der Alabama Coastal Foundation, Bethany Kraft, erklärte, viele der Freiwilligen seien frustriert. "Man sieht es mit eigenen Augen und hat das Gefühl, dass man nichts tun kann", sagte sie. "Das zu sehen und nicht helfen zu können ist hart."

Natur behindert die Arbeit auf hoher See
Doch selbst wenn US-Regierung, Küstenwache und BP die Hilfsangebote schneller prüfen würden - derzeit macht die Natur den Arbeiten auf hoher See einen Strich durch die Rechnungen: Wegen rauer See und starker Winde können kleinere Schiffe, die das Öl auf der Meeresoberfläche abfackeln, derzeit nicht auslaufen. Auch das gigantische Tankerschiff "Helix Producer" kann erst kommende Woche eingesetzt werden. Mit dem Schiff, das am Absaugtrichter über der lecken Bohrleitung im Golf von Mexiko eingesetzt werden soll, könnte doppelt so viel Öl aufgefangen werden als bisher.

Aus dem Bohrloch der untergegangenen Ölplattform Deepwater Horizon strömen täglich zwischen 35.000 und 60.000 Barrel Öl in den Golf von Mexiko. Die beiden bisher eingesetzten Containerschiffe saugen pro Tag bis zu 25.000 Barrel Öl ab; mit dem dritten Schiff könnten es bis zu 53.000 Barrel Öl sein. Der gigantische Tanker hätte seine Arbeit eigentlich schon vor einigen Tagen aufnehmen sollen. Nun kann "Helix Producer" erst voraussichtlich Mitte nächster Woche den Weg in den Golf von Mexiko antreten.

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