Brief an Obama

US-Millionäre: “Mr President, bitte besteuern Sie uns!”

Ausland
20.11.2010 16:16
Mit einer höchst ungewöhnlichen Forderung sieht sich US-Präsident Barack Obama konfrontiert. 47 US-Millionäre haben gemeinsam einen Offenen Brief an den Präsidenten geschrieben und fordern ihn darin auf: "Besteuern Sie uns!" Hintergrund der Initiative ist eine bis heuer befristete Steuerreform aus der Bush-Ära, mit der Obamas Vorgänger den Superreichen Milliarden erspart hat. Seit Monaten debattiert die US-Politik, ob das Gesetz verlängert wird.

Die Republikaner wollen die umstrittenen "Bush tax cuts" verlängern bzw. dauerhaft Gesetz werden lassen, Obamas Demokraten stellten sich bisher dagegen, schoben die Entscheidung über eine Verlängerung aber hinaus. Nach den verlorenen Kongresswahlen Anfang November musste der Präsident nun Kompromissbereitschaft ankündigen und den Republikanern zumindest eine teilweise Verlängerung in Aussicht stellen. Die massiv von konservativen Superreichen gesponserte "Tea Party" beharrt indes aus dem Prinzip minimaler Staatseinmischung auf die Verlängerung der Steuerreform.

Eine 700-Milliarden-Dollar-Entscheidung
Die 2001 und 2003 beschlossenen Bush-Gesetze haben die Einkommenssteuersätze schrittweise für alle Schichten um insgesamt drei Prozentpunkte verringert, bei den Einkommen über 300.000 Dollar wurden hingegen fast fünf Prozentpunkte (von 39,7 auf 35 Prozent) zurückgenommen. Dazu gab es ähnlich gestaltete Reduzierungen bei der Grundsteuer ("Property Tax"), Erbschaftssteuer und den Abgaben auf Kapitalgewinne. Die Kosten für die befristete Konjunktur-Maßnahme wurden von der Bush-Regierung damals mit 380 Milliarden Dollar beziffert.

US-Budget-Experten prognostizieren jetzt bei einer vollständigen Implementierung der "Bush Tax cuts" eine Erhöhung des US-Defizits um rund 700 Milliarden Dollar in den nächsten zehn Jahren - das entspricht in etwa dem Volumen des Konjunkturpakets Obamas, für das der Präsident von den Republikanern massiv kritisiert wurde.

"Mr President, besteuern Sie uns!"
Die 47 Millionäre, unter ihnen der legendäre Eiscreme-Doyen Ben Cohen ("Ben & Jerrys", im Bild rechts), der New Yorker Musiker Moby, Filmproduzent und Drehbuchautor Paul Haggis sowie der bekannte Hedgefonds-Manager Michael Steinhardt, schlagen in ihrem Offenen Brief nun vor, Jahreseinkommen von einer Million Dollar als magische Grenze zu nehmen: "Sehr geehrter Herr Präsident, für gesunde Staatsfinanzen und das Wohl unserer Mitbürger bitten wir Sie, die Steuerreduzierungen für Einkommen über 1.000.000 Dollar am Ende des heurigen Jahres wie vorgesehen auslaufen zu lassen."

"Uns ist es in den letzten Jahren mehr als gut gegangen. Jetzt ist für uns die Zeit gekommen, selbst einen Beitrag zu leisten, da unser Land uns braucht", schreiben die Millionäre weiter. Auf ihrer Website (siehe Infobox) informiert die Gruppe, die sich "Patriotic Millionaires For Fiscal Strength" nennt, mit Statistiken über die Vermögens-Verteilung in den USA. 375.000 verdienen demnach mehr als eine Million Dollar im Jahr. 1976 habe die Höchststeuergrenze für Millionäre noch bei 70 Prozent gelegen. Und süffisant merken sie am Ende der Auflistung an: "44 Prozent der Kongressmitglieder sind Millionäre."

Obama sah Grenze bei 250.000 Dollar Jahreseinkommen
Dass der Wunsch der Millionäre in Erfüllung geht, wäre durchaus möglich. Denn sie setzen weitaus tiefer an als der US-Präsident. Obama hatte bisher immer darauf bestanden, dass die Kürzungen schon ab Jahreseinkommen von mehr als 250.000 Dollar (umgerechnet rund 183.000 Euro) angesichts der hohen Staatsverschuldung nicht tragbar seien. Bei der Kongresswahl Anfang November übernahmen die Republikaner jedoch die Macht im Repräsentantenhaus und können damit Gesetze blockieren - genauso wie Obama, der jederzeit ein Veto gegen Gesetzesbeschlüsse einlegen kann. Die Republikaner argumentieren, dass höhere Steuern für Reiche der Wirtschaft schaden und Arbeitsplätze kosten würden.

Sollte keine Einigung erzielt werden, werden die Steuern jedenfalls für alle Bürger am 1. Jänner 2011 wieder höher – auch für die durch die Krise besonders gebeutelte Mittelschicht. Gerade diesen Teil der Wählerschaft wollen beide Parteien nicht verärgern. Auch Obama erklärte: "Niemand von uns will am 1. Jänner mit einer höheren Steuerlast aufwachen." Eine permanente Steuersenkung "für Millionäre und Milliardäre" dürfe es aber trotzdem nicht geben.

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