Keine Rede in Wien

“Totengedenken”: Strache sagt im letzten Moment ab

Österreich
08.05.2011 19:29
Das alljährliche "Totengedenken" der Burschenschafter am Jahrestag der Kapitulation des Nazi-Regimes hat am Sonntag im Vorfeld für mehr Aufregung als ohnehin schon üblich gesorgt. Vor allem die geplante Rede von FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache am Sonntagabend bei der Krypta am Heldenplatz wurde heftig kritisiert, mehrere Großdemonstrationen waren angekündigt. Buchstäblich in letzter Minute sagte Strache seinen Auftritt dann aber ab.

Veranstalter des jährlich für Unmut sorgenden "Totengedenkens" ist der Wiener Korporations-Ring, dessen Vorsitz diesmal die - vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands als rechtsextrem eingestufte - Wiener akademische Burschenschaft Olympia innehat. Verwunderlich war daher nicht, dass neben Strache auch der Dritte Nationalratspräsident Martin Graf, der Mitglied der Verbindung ist, sein Kommen angekündigt hatte.

Buchstäblich im letzten Moment sagte Strache seinen Auftritt dann aber ab. Er sei kurzfristig zu einem Auslandstermin gereist, informierte ein Sprecher des FPÖ-Chefs am Sonntagabend, wenige Stunden bevor der Burschenschafter-Zug losziehen sollte.

Die Dimension des "Totengedenkens" ist in diesem Jahr übrigens eine andere als in den vergangenen: Der Zug sollte (ab 21 Uhr) erstmals seit Langem nicht zur Mölker Bastei auf dem Deutschmeisterplatz, sondern auf den Heldenplatz gehen. In den Jahren zuvor hatte die Kranzniederlegung bei der Krypta am Vormittag im kleinen Rahmen und ohne großes Aufsehen stattgefunden. Ob es diesmal Fotos geben wird, war noch unklar. In den vergangenen Jahren wollten die Burschenschafter keine Reporter bei ihrem "Totengedenken" sehen.

Auch berüchtigte Neonazi-Site warb für das Gedenken
Aufregung im Vorfeld hatte es nicht nur wegen der Rede Straches gegeben. Auch die berüchtigte Neonazi-Website "alpen-donau.net", früher: "alpen-donau.info", hatte für die Veranstaltung geworben. Was vor allem für Missfallen beim Grünen Abgeordneten Karl Öllinger sorgte, Kritik übten auch SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas und die Israelitische Kultusgemeinde. Grundtenor: Während andere am 8. Mai die Befreiung vom Nazi-Regime feiern, trauen die Burschenschafter - und mit ihnen die FPÖ-Riege.

Strache betonte seinerseits, dass beim "Totengedenken" aller militärischen und zivilen Opfer des Zweiten Weltkriegs gedacht werde. Die Teilnehmer seien "allesamt honorige Persönlichkeiten", die mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Verfassung stünden. Und weiter: "Krieg ist etwas Entsetzliches, und die Verbrechen der Nationalsozialisten sind unbestritten." Hier könne es "keine Relativierung, keine Verharmlosung und keine Rechtfertigung" geben, was beim "Totengedenken" aber auch nicht stattfinde.

Breites Bündnis rief zu Protesten auf
Während in den vergangenen Jahren eher kleinere Gruppen gegen den Aufmarsch demonstriert hatten, hatte diesmal im Vorfeld eine größere Allianz zum Protest aufgerufen: Ein Bündnis aus Kultusgemeinde, den Wiener Grünen und der Sozialistischen Jugend Wien hat eine Gegenkundgebung organisiert. Schon im Vorfeld sollte zudem eine Demo der ÖH bei der Universität Wien starten, die zum Heldenplatz führt. Dort sollte an der Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus ein Kranz niedergelegt werden.

Die Wiener Polizei kündigte in Folge der Kundgebungen ab ca. 16 Uhr vorübergehende Sperren der Ringstraße zwischen Schottengasse und Babenbergerstraße an. Gleichzeitig wurde Toleranz auf beiden Seiten erbeten: "Alle Kundgebungsteilnehmer - gleich welcher weltanschaulichen Überzeugung -, die einander das Recht auf friedliches Versammeln zugestehen, haben es daher in der Hand, durch ihre rechtsstaatliche Reife und ihren Verzicht auf Gewalt dazu beizutragen, dass die Polizei diese Aufgabe ohne Anordnung von Zwangsmaßnahmen erfüllen kann. Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ist ein kostbares Gut einer freien Gesellschaft."

"Politisches und menschliches Armutszeugnis"
Auch die ÖVP hatte am Sonntagvormittag die da noch geplant gewesene Teilnahme Straches am Totengedenken kritisiert. Generalsekretär Hannes Rauch sprach von einem "politischen und menschlichen Armutszeugnis". "Angesichts völliger inhaltlicher Leere beschränkt sich die FPÖ auf das verzweifelte Fischen am rechten Rand", meinte Rauch. Strache und der FPÖ scheine immer mehr die Luft auszugehen. "Sonst wäre es wohl kaum nötig, jene um sich zu scharen, die sich den Realitäten der Geschichte verweigern und auf der Stelle treten - eben genau wie die FPÖ selbst."

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