Streit um Nachfolge

Tod von Höchstrichter heizt den US-Wahlkampf an

Ausland
14.02.2016 13:56

Mitten im US-Präsidentschaftswahlkampf hat der Tod des erzkonservativen Supreme-Court-Richters Antonin Scalia einen Streit um die Neubesetzung des Postens ausgelöst. Die Republikaner forderten kurz nach der Todesnachricht am Samstag, der nächste Präsident solle Scalias Nachfolge regeln. Gemäß der Verfassung steht aber dem scheidenden Amtsinhaber Barack Obama die Entscheidung zu. Sollte dieser einen Demokraten ernennen, wäre der einflussreiche Oberste Gerichtshof nicht mehr wie bisher mit fünf zu vier Stimmen konservativ dominiert.

Scalia, ein Abtreibungsgegner und Befürworter der Todesstrafe, war am Samstag in Texas gestorben. Medienberichten zufolge starb er im Schlaf während eines Jagdausfluges. Der 79-jährige gläubige Katholik, der 1986 vom damaligen Präsidenten Ronald Reagan als erster italienischstämmmiger Richter am Obersten Gericht eingesetzt worden war, hatte über Jahrzehnte die US-Rechtsauslegung geprägt.

Obama übermittelte Scalias Familie "sein aufrichtiges Beileid". Der verstorbene Richter habe "unser Rechtsverständnis tiefgreifend geprägt", sagte er. Zugleich stellte Obama klar, dass er - wie es von der Verfassung vorgesehen ist - einen Nachfolger bestimmen werde. Die auf Lebenszeit ernannten Höchstrichter müssen allerdings vom Senat bestätigt werden, und dort verfügen die Republikaner über die Mehrheit.

Republikaner setzen auf "verzögern, verzögern, verzögern"
Die sechs führenden republikanischen Präsidentschaftsbewerber sprachen sich gegen die Ernennung eines Nachfolgers von Scalia durch Obama aus. In ihrer neunten Fernsehdebatte lieferten sie sich den bisher härtesten Schlagabtausch, waren sich in dieser Frage jedoch einig. Der Senator Marco Rubio warnte, Obama versuche, "uns eine liberale Justiz einzutrichtern". Der Milliardär Donald Trump sagte, es sei die Aufgabe der Republikaner, im Senat zu "verzögern, verzögern, verzögern".

Die Meinung, dass erst der nächste Präsident einen Nachfolger Scalias auswählen solle, vertraten auch andere führende Republikaner. "Die amerikanische Bevölkerung sollte ein Mitspracherecht bei der Ernennung ihres nächsten Obersten Richters haben", sagte der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell. "Daher sollte der offene Posten nicht besetzt werden, bis wir einen neuen Präsidenten haben."

Der Republikaner Chuck Grassley, Vorsitzender des Justizausschusses im Senat, erklärte: "Seit 80 Jahren ist es gängige Praxis, während eines Präsidentschaftswahljahrs keine Nominierten für das Oberste Gericht zu bestätigen." Das neue Staatsoberhaupt wird im November gewählt und zieht im Jänner 2017 ins Weiße Haus ein.

Demokraten für sofortige Ernennung
Unterstützung erhielt Obama aus seinem demokratischen Lager. Die ehemalige Außenministerin und Präsidentschaftsbewerberin Hillary Clinton warf den Republikanern vor, mit ihren Forderungen nach einer Verschiebung der Neubesetzung ins kommende Jahr die Verfassung zu missachten. "Der Senat hat hier eine verfassungsrechtliche Pflicht, die er nicht aus parteipolitischen Gründen aufgeben kann", erklärte Clinton. Der einflussreiche demokratische Senator Harry Reid sagte, den vakanten Posten nicht zu besetzen, wäre ein "beschämender Verzicht" des Senats auf "eine seiner wesentlichsten verfassungsrechtlichen Zuständigkeiten".

Bei Nichternennung eines Nachfolgers droht dem Supreme Court ein Patt. Sollten Entscheidungen mit vier zu vier Stimmen ausfallen, hat das Urteil aus niedrigerer Instanz zunächst Bestand. Für Obamas Einwanderungsreform, die das Oberste Gericht bis zum Sommer überprüfen will, würde dies etwa bedeuten, dass weiter die Entscheidung eines Bundesberufungsgericht aus Louisiana gilt, das die Reform gestoppt hatte.

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