Südkoreas Schettino?

“Sewol”-Kapitän ging als einer der Ersten von Bord

Ausland
17.04.2014 13:45
Einen Tag nach der Schiffskatastrophe vor Südkorea läuft die Suche nach den rund 300 Vermissten weiter auf Hochtouren. Unterdessen kommen immer mehr Details des Unglücks ans Tageslicht und bringen den Kapitän der Fähre, Lee Joon Seok, in schwere Bedrängnis. Laut südkoreanischen Medien ging er gemeinsam mit sechs anderen Crew-Mitgliedern als einer der Ersten von Bord - die Passagiere, darunter mehr als 300 Schüler, habe er einfach ihrem Schicksal überlassen.

Die jüngsten Erkenntnisse lassen Erinnerungen an den Kapitän der "Costa Concordia", Francesco Schettino, wach werden. "Kapitän Feigling" hatte sein Schiff damals als einer der Ersten verlassen. Der 69-jährige Kapitän der südkoreanischen Fähre "Sewol", der eigenen Angaben zufolge 30 Jahre Erfahrung vorweisen kann, scheint seinem italienischen Kollegen um nichts nachzustehen. Auch ihm werden im Umgang mit der Katastrophe an Bord seiner Fähre bereits schwere Fehler vorgeworfen, die zahlreichen Menschen das Leben gekostet haben dürften.

Kapitän im TV-Interview: "Ich schäme mich"
"Ich schäme mich. Es tut mir für die Familien der Passagiere so leid", sagte Lee Joon Seok im Interview mit der Zeitung "Dong A Ilbo". Sein Gesicht versteckte der Kapitän dabei unter einer grauen Kapuze. Er erklärte, die Fähre sei "plötzlich gesunken" und er wisse nicht, weshalb. Er habe keinen Felsen gerammt, betonte der 69-Jährige. Ermittler schlossen ein abruptes Wendemanöver als Unglücksursache allerdings nicht aus.

Mittlerweile gibt es aber noch viel schlimmere Vorwürfe gegen den 69-Jährigen: Der Kapitän sei bereits im ersten Stadium der Rettungseinsätze geflüchtet, berichteten südkoreanische Quellen. Im Kurznachrichtendienst Twitter und auch über internationale Fotoagenturen kursieren Aufnahmen, die seine Flucht vom sinkenden Schiff zeigen sollen. Weder die Küstenwache noch der Betreiber der "Sewol" nahmen zu den Berichten Stellung.

Evakuierung viel zu spät angeordnet
Überlebende berichteten gegenüber südkoreanischen Medien, dass Lee den Passagieren mitgeteilt habe, zu bleiben, wo sie sind. Dies habe wiederum ihre Überlebenschance gemindert, so der Vorwurf. Passagiere, die sich auf der linken Seite der Fähre befanden und den Anweisungen des Kapitäns gefolgt waren, seien daraufhin an Bord des Schiffs gefangen gewesen. Passagiere auf der rechten Seite hatten sich hingegen durch Fenster ins kalte Wasser retten können.

Es habe keine sofortigen Evakuierungsmaßnahmen gegeben, als die Fähre zu sinken begann, erhob auch Oh Yong Seok, ein Besatzungsmitglied, gegenüber der Nachrichtenagentur AP schwere Vorwürfe gegen den Kapitän. Die Offiziere auf der Brücke hätten noch versucht, das Schiff zu stabilisieren, nachdem es langsam Schlagseite bekommen habe - erst eine halbe Stunde später sei dann der Befehl zur Evakuierung erfolgt, so Oh.

Kapitän soll nach Rettung sein Geld getrocknet haben
Auch den Notruf habe der Kapitän zu spät abgesetzt. Südkoreanischen Medien zufolge riefen zuerst Passagiere mit ihren Handys um Hilfe. Der Kapitän funkte demnach erst sechs Minuten später SOS. Doch damit nicht genug, habe Lees größte Sorge nach seiner Rettung seinem Geld gegolten. Südkoreanische Medien berichten, dass er es umgehend trocknete. Gegen den 69-Jährigen seien Ermittlungen aufgenommen worden, hieß es unter Berufung auf Quellen bei der südkoreanischen Küstenwache. Lee könnte unter anderem wegen fahrlässiger Tötung angeklagt werden.

Die Küstenwache befragte unterdessen auch Besatzungsmitglieder, berichtete der Rundfunksender KBS. Deren Aussagen ließen vermuten, dass ein ruckartiges Drehen des Schiffes bei einer nötigen Kursänderung vor der Insel Chindo zu der Katastrophe geführt haben könnte. Möglich ist auch, dass die Auto- und Personenfähre auf einen Felsen aufgelaufen sein könnte. Überlebende hatten von einem lauten Knall vor dem Sinken des Schiffes gesprochen.

Kaum noch Hoffnung auf Überlebende
Die Zahl der Toten stieg mittlerweile nach Angaben des Krisenstabs der Regierung auf neun. 287 Menschen gelten derzeit noch als vermisst. Mehr als 500 Taucher stehen zum Einsatz bereit, fast 180 Menschen seien gerettet worden. Doch die Chancen schwinden: Bei einer Wassertemperatur von zwölf Grad könnten Menschen im Wasser höchsten zwei bis drei Stunden aushalten, bevor die Unterkühlung einsetze, sagte ein Experte dem staatlichen Sender Arirang. Und um in dem Wrack überleben zu können, müsse man eine Luftblase finden, allerdings sinke der Sauerstoffgehalt.

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