Hassreden etc.

Seselj bringt Serbiens Regierung ins Schwitzen

Ausland
27.11.2014 14:49
Serbiens Behörden stehen seit Tagen unbeholfen vor dem Problem, wie sie mit dem vorläufig freigelassenen Ultranationalisten Vojislav Seselj und dessen umstrittenen Auftritten und Hassreden umgehen sollen. Der wegen Kriegsverbrechen angeklagte Seselj sorgt seit seiner Entlassung aus dem Gefängnis des UNO-Kriegsverbrechertribunals aufgrund seiner Krebserkrankung am 6. November für Aufregung in Serbien und der ganzen Region.

Seselj war vom UNO-Tribunal wegen Kriegsverbrechen in Kroatien, Bosnien-Herzegowina und der nordserbischen Provinz Vojvodina angeklagt worden. Er hatte sich im Februar 2003 dem Gericht gestellt. Das Urteil dürfte nach jüngsten Ankündigungen im Sommer 2015 erfolgen. Das Haager Gericht hatte die vorläufige Freilassung des im Westbalkan wie Zündstoff wirkenden Ultranationalisten nach elf Jahren Haft mit humanitären Gründen erläutert: Nach einer Darmkrebs-Operation im Dezember wurden bei Seselj auch zwei Metastasen an der Leber entdeckt.

Träume von einem Großserbien
Bisher hat Serbien offiziell weder politisch noch juristisch auf die umstrittenen Auftritte des Nationalistenführers und Chefs der Serbischen Radikalen Partei (SRS) reagiert, der sich dabei stets für ein Großserbien einsetzt, dessen Grenzen weit im Westen Kroatiens liegen und natürlich auch Bosnien erfassen sollen. Bei seiner Rückkehr Mitte November hatte Seselj vor Tausenden jubelnden Nationalisten verkündet, er wolle rasch Neuwahlen und an die Macht zurückkehren.

Die umstrittenen Auftritte Seseljs haben zunehmend auch internationale Auswirkungen: Das kroatische Parlament verurteilte am Mittwoch mit einer Resolution das Verhalten des Ultranationalisten. Das Europaparlament kritisierte am Donnerstag ebenfalls mit einer Resolution die Freilassung Seseljs – zudem wurde das EU-Kandidatenland Serbien ermahnt, dessen Hassreden und Kriegsrhetorik zu unterbinden. Alle Seiten fordern eine Reaktion der Regierungsspitze in Belgrad.

Premier und Präsident überfordert
Doch gerade Serbiens Premier Aleksandar Vucic und Präsident Tomislav Nikolic scheinen wegen ihrer eigenen historischen Verbindungen zu Seselj am meisten überfordert von der aktuellen Situation. Beide waren einst enge Mitarbeiter Seseljs und trennten sich erst im Herbst 2008 von ihm. Vucic versuchte sich ungeschickt vom Problem zu distanzieren. Das UNO-Tribunal habe den Beschluss über die Freilassung Seseljs gefasst, "wir wurden nicht gefragt", so Vucic. Und jetzt werde Belgrad wegen der Gerichtsentscheidung kritisiert, klagte er. Präsident Nikolic, den Seselj seit der Rückkehr nach Belgrad besonders heftig angreift, enthielt sich bisher überhaupt jeden Kommentars. Nikolic war in den 1990er-Jahren die rechte Hand und auch ein enger Familienfreund des Ultranationalisten gewesen.

Zoran Babic, der Fraktionsvorsitzende der regierenden Serbischen Fortschrittspartei, der etliche einstige Ultranationalisten angehören, betonte: "Die serbische Regierung führt eine Reformpolitik, kein Seselj wird uns daran hindern." Auch Außenminister Ivica Dacic, dessen Sozialisten 1998 bis 2000 in einer Regierungskoalition mit Seselj waren, versuchte die Rolle Seseljs zu bagatellisieren - dieser sei demnach kein wichtiger politischer Faktor in Serbien.

Experten bezweifeln Erfolg der Nationalisten
Und tatsächlich weist eine am Donnerstag veröffentlichte Umfrage daraufhin, dass die Popularität der SRS nach einem raschen Anstieg kurz nach der Rückkehr Seseljs erneut gesunken ist. Die Partei werde nur schwierig weiter wachsen, Seselj habe nichts Neues im Vergleich zu den 1990er-Jahren gesagt, meinte Vladimir Pejic, Leiter der Meinungsforschungsagentur Faktor plus. Ende November liegt die Popularität des Ultranationalisten nach einem vorübergehenden Sprung auf acht Prozent erneut bei drei Prozent, berichtete die Tageszeitung "Blic" unter Berufung auf eine andere Meinungsumfrage.

Freiwillige Rückkehr nach Den Haag ausgeschlossen
Bei einer Pressekonferenz in Belgrad am Donnerstag schloss Seselj übrigens erneut aus, freiwillig in das Haager Gericht zurückzukehren. Dies war eine der Verpflichtungen, die ihm bei der vorläufigen Freilassung auferlegt wurden. Nikolic und Vucic würden ihn festnehmen müssen, erklärte Seselj. Er "freue" sich darauf, von seinen "einstigen Hauptkomplizen in allen eventuellen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit festgenommen und an das Tribunal ausgeliefert" zu werden, höhnte der Ultranationalist.

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