Rom in Aufruhr

Straßenschlacht nach Berlusconis Abstimmungs-Sieg

Ausland
14.12.2010 23:01
Nach dem überstandenen Misstrauensantrag gegen Silvio Berlusconi einschließlich einer hitzigen Parlamentsprügelei hat sich die gereizte Stimmung am Dienstag auf die Straßen von Italiens Städten übertragen. In Rom wurden rund 90 Personen bei gewaltsamen Studentenprotesten verletzt. Insgesamt fanden in 30 Städten Proteste gegen die Regierung und die Universitätsreform statt.

Gruppen von vermummten Anarchisten ("Black Blocks") randalierten in der Innenstadt Roms, setzten Autos in Brand und griffen Bankfilialen an. Die gewalttätigen Demonstranten bewarfen auch Polizisten mit Tränengasgranaten und Knallkörpern und gingen mit Stöcken auf sie los. CIrca zehn vermummte Jugendliche drangen auch in die Büros des Zivilschutzes ein und zerstörten Fensterscheiben.

Die Randalierer skandierten Slogans gegen die Regierung Berlusconi wie "Wenn die Regierung nicht stürzt, ist der Teufel los". Einige gewaltsame Gruppen versuchten, bis zur Abgeordnetenkammer vorzudringen, wurden jedoch von der Polizei aufgehalten. Hier hatte am frühen Nachmittag die Vertrauensabstimmung stattgefunden, die über die Zukunft der Regierung Berlusconi entschied.

In einigen Straßen lagen am Abend dichte Tränengas-Wolken, und zahlreiche Geschäftsinhaber schlossen vorzeitig ihre Geschäfte. Auf der Piazza del Popolo mussten Feuerwehrleute ausrücken, um mehrere brennende Autos zu löschen. Ein von Demonstranten attackierter Polizist griff zur Dienstwaffe, um sich zu verteidigen.

Roms Bürgermeister Gianni Alemanno verurteilte die Ausschreitungen. Die Krawalle seien von organisierten Gruppen sorgfältig geplant worden. "Seit den 70er- und 80er-Jahren hatte man in Rom keine derart gewaltsamen Proteste mehr gesehen", kommentierte Alemanno.

Proteste in 30 Städten
Insgesamt gingen die Studenten in 30 Städten auf die Straßen. In Mailand, der Heimatstadt Berlusconis, löste sich eine Gruppe aus etwa 50 Demonstranten vom Protestzug und drang in den Sitz der Mailänder Börse ein. Hier rollten die Protestierenden Spruchbänder mit Slogans gegen die Finanzwelt aus. Der Stadtverkehr kam im Mailand wegen des Protests zum Erliegen. Gruppen von Studenten, die sich in Turin an einem Protestzug gegen die Reform beteiligten, bewarfen einige Büros des Bildungsministeriums mit Eiern.

In Palermo auf Sizilien besetzten mehr als 500 Schüler und Studenten kurzzeitig die Landebahn des Flughafens. Dort entrollten sie ein Spruchband mit der Aufschrift "Wir blockieren alles, damit sie sich alle davonmachen". Nach Angaben des Flughafenbetreibers verursachte die Protestaktion keine Störung des Flugverkehrs, weil zu dieser Zeit ohnehin keine Starts oder Landungen geplant gewesen seien. Andere Demonstranten besetzten in Palermo Gleise und verursachten damit Störungen im Zugverkehr.

Weitere Demonstrationen fanden in den norditalienischen Städten Genua und Turin und im Süden des Landes in Neapel und Bari sowie in Cagliari auf Sardinien statt.

Proteste gegen die Universitätsreform
Die Universitätsreform ist vom Parlament bereits verabschiedet worden. Sie sieht vor allem beträchtliche Einsparungen im Universitätsbereich vor. Im Reformpaket heißt es, dass fünf Professoren, die pensioniert werden, jeweils nur durch eine Person ersetzt werden sollen. Damit soll die Zahl der Professoren pro Studenten reduziert werden. Die Doktoranden beklagen sich darüber, dass in den vergangenen Monaten Tausende Studienstipendien gestrichen worden seien.

Universitäten sollen künftig eigene Manager für den Finanzbereich bekommen. In der Reform ist auch das Prinzip der Autonomie der Universitäten verankert, die eine größere Verantwortung im finanziellen, wissenschaftlichen und didaktischen Bereich übernehmen sollen. Die Kosten der veralteten italienischen Universitäten seien zu hoch. Allein im kommenden Jahr will die Regierung im Universitätsbereich 700 Millionen Euro einsparen. Die Studenten warnen vor einer Privatisierung des italienischen Universitätssystems.

Prügelei bei Votum um Schicksal Berlusconis
Zuvor hatte sich bereits der "Schicksalstag" für Italiens Premierminister Silvio Berlusconi äußerst turbulent gestaltet: Bei der zweiten von zwei Misstrauensabstimmungen, denen sich seine Regierung am Dienstag in den beiden Parlamentskammern stellen musste, hatte sich eine Schlägerei zwischen Politikern der Lega Nord und Anhängern des Berlusconi-Abtrünnigen Gianfranco Fini entwickelt (siehe Infobox). Berlusconi gewann die Abstimmung in der Abgeordnetenkammer, zuvor hatte er auch in der Senatskammer das Vertrauen erhalten.

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