"Er war es"

Prozess gegen Boston-Attentäter Tsarnaev eröffnet

Ausland
04.03.2015 22:47
Vor einem US-Bundesgericht hat am Mittwoch die Hauptverhandlung gegen den überlebenden Attentäter vom Bostoner Marathonlauf begonnen. Die Staatsanwaltschaft warf Dzhokhar Tsarnaev in ihrem Eröffnungsplädoyer vor, den Anschlag am 15. April 2013 gemeinsam mit seinem Bruder Tamerlan geplant zu haben. "Das Ziel war, so viele Menschen wie möglich zu töten", sagte Staatsanwalt William Weinreb. Tsarnaevs Anwältin räumte die Verantwortung ihres Mandanten ein: "Er war es."

Bei dem Bombenanschlag auf den Boston-Marathon waren drei Menschen getötet und 264 weitere verletzt worden. Dzhokhar und Tamerlan Tsarnaev sollen auf ihrer Flucht zudem einen Polizisten erschossen haben. Der damals 19-jährige Dzhokhar wurde vier Tage nach dem Anschlag schwer verletzt festgenommen, der sieben Jahre ältere Tamerlan kam bei einer Verfolgungsjagd mit der Polizei ums Leben. Die Brüder stammen aus einer tschetschenischen Familie und waren als Kinder in die USA eingewandert. Die US-Behörden stufen die Tat als islamistischen Terrorakt ein.

"Als ob überhaupt nichts passiert wäre"
Dzhokhar Tsarnaev erschien am Mittwoch in Sakko und offenem Hemd zu der Verhandlung, auch zahlreiche Opfer und Angehörige saßen in dem brechend vollen Gerichtssaal. Weitgehend regungslos folgte der Angeklagte den Ausführungen von Staatsanwalt Weinreb, der den Prozessteilnehmern die Ereignisse vom 15. April 2013 ins Gedächtnis rief. Einige Opfer, darunter ein achtjähriger Bub, seien auf dem Gehsteig verblutet, sagte er. Nur 20 Minuten nach der Tat habe Tsarnaev in einem Supermarkt Milch gekauft, "als ob überhaupt nichts passiert wäre".

Weinreb beschrieb, wie sich der mittlerweile 21-Jährige von 2011 an zunehmend radikalisiert habe. Tsarnaev habe im Internet "terroristische Propaganda" gelesen. Ermittler hätten auf seinem Computer Ausgaben des englischsprachigen Onlinemagazins "Inspire" des Terrornetzwerks Al-Kaida gefunden. Laut Anklageschrift sollen die Brüder auch die Anleitung zum Bau von Bomben in Schnellkochtöpfen den Internetseiten von Al-Kaida entnommen haben. Wenige Wochen vor dem Anschlag habe Dzhokhar Tsarnaev mit seinem Bruder eine Pistole gekauft und das Schießen geübt, sagte Weinreb weiter.

Verteidigung zeichnet Bild eines verunsicherten Teenagers
Tsarnaev werden 30 Anklagepunkte vorgeworfen, darunter der Gebrauch einer "Massenvernichtungswaffe". Der junge Mann plädierte auf nicht schuldig. Die Verteidigung zeichnete in ihrem Eröffnungsplädoyer das Bild eines unsicheren Teenagers, der unter dem Einfluss seines älteren Bruders gestanden sei. Eine Beteiligung ihres Mandanten an dem Attentat stritt die Verteidigung nicht ab, er sei dabei aber stark unter Druck seines Bruders gestanden: "Es war Tamerlan Tsarnaev, der sich radikalisiert hat. Es war Dzhokhar, der ihm folgte", sagte Strafverteidigerin Judy Clarke.

Der Prozess hatte Anfang Jänner mit der Auswahl der Geschworenen begonnen. Der Verhandlungsbeginn verzögerte sich wegen des langwierigen Auswahlverfahrens und mehrerer Schneestürme. Tsarnaevs Anwälte hatten außerdem erfolglos versucht, den Prozess an einen anderen Ort zu verlegen. Sie bezweifelten, in Boston eine unvoreingenommene Jury zu finden. Bei einem Schuldspruch droht Tsarnaev die Todesstrafe. Mit einem Urteil wird im Juni gerechnet.

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