Foltermord-Prozess

Philipp K.: “Freund Olli ist der wahre Mörder”

Wien
03.05.2011 18:10
Mit einer unerwarteten Wendung und vielen Ungereimtheiten ist am Dienstag der erste Prozesstag um den Mord an der Studentin Stefanie P. am Wiener Straflandesgericht zu Ende gegangen. Die 21-Jährige soll in der Nacht auf den 2. Juli 2010 in der Wohnung ihres Ex-Freundes Philipp K. von ihm mit Klebebändern gefesselt und mit rund 200 Messerstichen getötet worden sein. Der 23-Jährige bekannte sich "nicht schuldig" und verdächtigte dann überraschenderweise seinen Freund Oliver D. als den wahren Mörder.

"Es muss jemand anderer gewesen sein", hatte sich Philipp K. vor Richterin Sonja Weis zu Prozessbeginn gerechtfertigt. Sprach der 23-Jährige zunächst von einem Bekannten des Opfers Stefanie P., dem diese vor ihrer Ermordung beim Bierholen in einem nahe gelegenen Lokal begegnet sein soll, erhob K. dann am Nachmittag plötzlich schwere Anschuldigungen gegen seinen Freund Oliver D.

"Dagesessen, als ob nichts wäre"
Als er neben der toten Steffi aufgewacht sei, habe er "Olli" zu sich geholt, um zu klären, was am Vortag passiert sei. Er glaube, dass D. bei ihm in der Wohnung gewesen sei, als Stefanie zu Tode kam. "Aber er ist einfach dagesessen, als ob nichts wäre", so Philipp K. Er sei völlig kalt gewesen. "Da war mir klar, dass da ein Mörder vor mir sitzt." Bevor die Polizei kam, habe D. ihm gedroht. "Er meinte, sei froh, dass das nicht deiner Mutter passiert ist", so K. Er habe die Schuld auf sich genommen, um seine Familie zu schützen. "Wer so etwas tut, ist gefährlich", sagte der 23-Jährige.

Ganz anders stellte D., der eigentlich nur als Zeuge geladen war, die Geschichte dar: "Der hat eine gute Fantasie, der gute Mann." Am Tag vor dem Mord sei er von K. eingeladen worden. "Er meinte, er habe Damenbesuch, da hab ich es mir schon denken können", so D. vor Gericht. Diese "Einladung zur Gruppensexparty" schlug er jedoch aus. Er sei von einem Geschäftstermin müde und schlecht gelaunt gewesen.

Als er am nächsten Tag einen Anruf des 23-Jährigen bekam, er solle kommen, es sei etwas Schlimmes passiert, ging Oliver D. zunächst einmal duschen und etwas essen, ehe er sich zur Wohnung von Philipp K. begab, wie er sagte. Dort habe er gleich beim Eingang die blutdurchtränkte Matratze entdeckt. "Altes Haus, was hast du angerichtet?", habe er zu dem Studenten gesagt. Philipp habe ihm erzählt, dass er mit dem Mädchen Sex hatte und dass unter Alkoholeinfluss etwas "dumm gelaufen" sei.

Philipp K. habe D. gegenüber behauptet, dass Stefanie bei Sexspielen geschlagen werden wollte. Und nachdem er sie nicht zufriedenstellen konnte, sei er "ausgeflippt". Da habe er zum Messer gegriffen. Die Leiche habe er entsorgt, denn ohne Leiche gebe es keinen Mord, so D. vor Gericht.

Mit "Steffis Kopf" im Plastiksack unterwegs
Im Gegensatz dazu die Version des Angeklagten zu Beginn vor Gericht: Er sei auf der Couch liegend aufgewacht, Stefanies Leiche sei zerstückelt nahe der Küchenzeile gelegen. "Das Erste, was ich gesehen habe, war, dass die ganze Wohnung voller Blut war. Ich bin dann auf und hab' mich umgesehen. Und da lag die Steffi da. Und sie war tot. Ich werde diesen Anblick nie vergessen. Sie ist irrsinnig entstellt gewesen."

Zunächst sei er aus der Wohnung gestürmt, wollte zur Polizei. Da man ihm nicht glauben würde, sei er zurückgekehrt und habe wie "ein Roboter" die Wohnung zusammengeräumt. Mit einem Plastiksack in der Hand sei er noch von einem Freund vor dem Billa gesehen worden. "Er gab an, dass er Sie mit einem ungewöhnlich aussehenden Müllsack gesehen hat. Was war denn da drinnen?", fragte die Richterin. "Steffis Kopf", antwortete K.

Zweifel an der Aussage von Oliver D. äußerte auch eine Puls-4-Redakteurin, die ebenfalls als Zeugin einvernommen wurde. Sie übergab dem Gericht Bänder mit einem eineinhalbstündigen Interview mit Oliver D., auf denen sie "mehrfache Ungereimtheiten" erkennen würde.

"Haben uns Hals über Kopf ineinander verliebt"
Bereits zu Beginn seiner Aussage trat Philipp K. mit ausgesuchter Höflichkeit auf und versuchte, die Geschworenen von seiner großen Liebe zu Stefanie P. zu überzeugen: "Wir haben uns Hals über Kopf ineinander verliebt gehabt. Ich war überglücklich, dass sich da eine Beziehung entwickelt hat." Doch die erste Verliebtheit begann zu verglühen. "Irgendwann erkennt man die kleinen Makel, wenn man nicht mehr alles durch die rosarote Brille sieht", erläuterte der Angeklagte. Steffi habe "unnötig viel Geld ausgegeben", sei allein fortgegangen und habe Borderline-Symptome an den Tag gelegt.

Trotz der Beziehung des Studenten zu einer anderen Frau, die schließlich endete, hätten die beiden nicht voneinander lassen können. "Um den Geschlechtsverkehr ist es nicht gegangen. Wir sind beide nicht voneinander losgekommen. Die Liebe war einfach extrem stark. Ich weiß, dass es falsch war." Philipp K. versicherte, all seine Ex-Freundinnen niemals geschlagen zu haben und beim Sex nie aggressiv gewesen zu sein, zumal ihn während seiner Zeit beim Bundesheer einer oder mehrere Männer vergewaltigt hätten: "Ich würde sagen, dass ich zärtlich und liebevoll war."

"Wenn sie nicht gewollt hätte, hätten wir es nicht gemacht"
Zu einem von Staatsanwalt Hannes Wandl zuvor angekündigten Sex-Video sagte der 23-Jährige, er habe mit Stefanie und seinem Nachbarn in dessen Wohnung auch eine Nacht zu dritt verbracht, wobei die Szenen gefilmt wurden: "Ich habe das nicht gewusst. Ich wäre damit nie einverstanden gewesen. Wir haben die Steffi nicht eingeladen, damit wir mit ihr schlafen. Die Situation hat sich im betrunkenen Zustand so entwickelt, so paradox das klingt." Es könne "schon sein, dass ich sie animiert habe. Aber wenn sie es nicht gewollt hätte, hätten wir es nicht gemacht". Laut Staatsanwalt sei auf dem Video zu sehen, dass die Frau damit nicht bzw. nur bedingt einverstanden war. Das Video soll im Verlauf des Prozesses gezeigt werden.

Philipp K. räumte ein, zuletzt ein "gewisses Alkoholproblem" gehabt zu haben: "Mir ist das manchmal passiert, dass ich dann wegkippe und ein paar Stunden weg bin." Dass das auch in der Mordnacht so gewesen sei und er deshalb von der Bluttat nichts mitbekommen habe - auf diese Verteidungsstrategie war zuvor K.s Anwalt Ernst Schillhammer eingegangen. Sein Mandant habe seine Ex-Freundin tot neben sich vorgefunden, nachdem er nach der durchzechten Nacht aufgewacht sei. Die Leiche sei schrecklich zugerichtet gewesen. "Das hätte Philipp Steffi nie angetan", so Schillhammer. "Der Philipp hat Steffi geliebt, auf seine Weise", so Schillhammer in seinem Eingangsplädoyer.

"Egoistische, sexbesessene, aggressive Seite"
Ganz anders sieht das Staatsanwalt Hannes Wandl. Er hatte in seinem Eröffnungsplädoyer die Geschworenen gebeten, sich vom Äußeren des Angeklagten, der optisch an einen Mustergymnasiasten vor der ersten Tanzstunde erinnerte, nicht täuschen zu lassen: "Er hat eine hochgradig auffallende Persönlichkeitsstörung. Er ist nicht in der Lage, sich in die Gesellschaft einzuordnen. Er ist selbstverliebt und hat einen Zug zu gewalttätigem Auftreten. Er hat eine egoistische, sexbesessene, aggressive Seite, die Sie hier nicht zu sehen bekommen werden. Stefanie P. hat sie zu spüren bekommen."

Der Anklage zufolge dürfte Philipp K. der Gefesselten vor den tödlichen Stichen mit einem Küchenmesser oberflächliche Schnittwunden im Gesicht und an der Brust zugefügt haben, ehe er ihr tödliche Stichverletzungen im Hals-, Brust- und Bauchbereich beibrachte. Der Leichnam wurde mit rund 200 weiteren Wunden verunstaltet, weshalb neben Mord auch Störung der Totenruhe angeklagt ist. Unter anderem wurde eine Tätowierung am Unterbauch - ein Herz mit dem Schriftzug "Philipp" - herausgeschnitten. Die sterblichen Überreste soll Philipp K. in zwei Müllsäcke gestopft und am nächsten Morgen in einem Müllcontainer in seiner Wohnhausanlage deponiert haben.

Einweisung in Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher droht
Der Prozess ist auf vier Tage anberaumt, das Urteil gegen den 23-Jährigen soll am 9. Mai fallen. Dem Angeklagten droht lebenslange Haft und zudem die Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher, da der psychiatrische Sachverständige Karl Dantendorfer ihm in einem Gutachten eine seelische oder geistige Abartigkeit höheren Grades bescheinigt und "von einer ungünstigen Gefährlichkeitsprognose für den Beschuldigten auszugehen ist", wie in der Expertise nachzulesen ist.

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