Opfer berichtet

Psychoterror durch Nonnen: “Ich wurde zerbrochen”

Österreich
08.05.2010 20:00
Nach 40 Jahren hat eine Innsbruckerin erstmals die Kraft gefunden, über ihre Schulzeit bei den Ursulinen und die dadurch ausgelösten persönlichen Eindrücke zu sprechen. Ihr Resümee ist niederschmetternd: "Ich wurde menschlich derart zerbrochen, dass ich auch noch zum leichten Opfer sexuellen Missbrauchs durch meinen Stiefvater wurde."

Erst die Lawine von Vorwürfen gegen kirchliche Einrichtungen hat bei der Innsbruckerin Martha Graf (Name geändert, Symbolbild) dazu geführt, dass sie über ihre Schulerlebnisse bei den Ursulinen sprechen kann. Immer wieder stockt dabei ihre Stimme und Tränen schießen in ihre Augen: "40 Jahre habe ich alles verdrängt, jetzt kann ich nicht mehr. Jetzt kommt auch bei mir alles wieder hoch. Heute ist mir klar: Ich wurde als Kind von den Nonnen menschlich fertig gemacht und zerbrochen."

Dabei stellt Martha dezidiert fest: "Sexuelle Übergriffe hat es in meinem Fall bei den Ursulinen nicht gegeben. Diese folgten nach der Schulzeit im privaten familiären Bereich. Aber dass mein Stiefvater mich ungestraft sexuell missbrauchen konnte, dafür wurde bei den Nonnen der Grundstein gelegt. Sie hatten mir jahrelang erfolgreich eingetrichtert, dass ich ein völlig wertloser Mensch sei und mir so jegliches Selbstwertgefühl genommen. Das führte so weit, dass ich mich sogar als Opfer meines Stiefvaters noch schuldig fühlte."

Physische Züchtigungen und Misshandlungen durch die Nonnen waren kein Problem: "Dass wir bei geringsten Fehlern mit den Köpfen zusammengestoßen wurden, mit gestreckten Armen knien mussten oder Ohrfeigen bekamen, war zu verkraften. Das war eine ehrliche Strafe, damit war die Sache wenigstens erledigt."

Psychoterror: "Du bist ein schlechter Mensch"
Viel schlimmer wirkten die ständigen psychischen Erniedrigungen. "Wenn ich ungeschickt war oder etwas für die Nonnen Falsches sagte, fragte oder tat, setzte der Psychoterror ein. Ständig wiederholtes 'Du bist nichts wert' und 'Du bist ein schlechter Mensch' nahmen mir jedes Selbstwertgefühl", schildert die Frau, der gerade bei diesen Passagen ihrer Erzählungen immer wieder Tränen in die Augen schießen.

Als zusätzliche Strafe wurde Martha für ihr "Versagen" die Teilnahme an Ausflügen und Sport untersagt: "'Das hast du nicht verdient' oder 'Du bist nicht würdig' lautete die vernichtende Begründung. So wird man systematisch ausgegrenzt und zum Außenseiter. Eine Spätfolge: Jede Beziehungsfähigkeit ging verloren."

Mit welch brutalen und unmenschlichen Methoden vorgegangen wurde, zeigt auch die Schilderung Marthas über Vorfälle beim Essen: "Ich aß eigentlich alles, nur keinen Fisch. Dennoch bekam ich jedes Mal, wenn Fisch auf der Karte war, eine doppelt so große Portion. Weil ich nichts davon essen konnte, musste ich stundenlang vor dem vollen Teller sitzen bleiben, während Mitschülerinnen Sport betreiben oder lernen konnten."

Selbst Gang zur Toilette wurde glatt verweigert
Selbst ein Gang zur Toilette wurde verweigert. "Als ich einmal deshalb in die Hose machte, wurde ich beschimpft: 'Verschwinde sofort hinaus, Du stinkst ja erbärmlich', war die Reaktion der Erzieherin".

Martha stellt aber auch fest, dass sich nicht alle Nonnen am Psychoterror beteiligten: "Es war nur eine Minderheit, die uns gequält hat. Aber die anderen haben zugesehen und nichts unternommen." Alles sei umso schlimmer, weil Eltern ja nicht wenig Schulgeld bezahlten und ihre Kinder in "bester Obhut" wähnten.

von Werner Kriess, Tiroler Krone

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