"Krone"-Interview

Möchten Sie unsterblich sein, Frau Hörbiger?

Adabei
31.10.2014 16:24
Leben und Tod – nie sind sie einander näher als zu Allerheiligen. Mit Conny Bischofberger spricht Schauspielerin Christiane Hörbiger (76) über Gräberkult, Himmelsphantasien und Hilferufe ins Jenseits.

Sie sitze mit ihren beiden Möpsen in ihrer Wohnung in Wien herinnen, erzählt sie. "Links neben mir der schöne Loriot und rechts ein Neuzuwachs, ein sogenannter Not-Mops aus einem ungarischen Tierheim. Etwas so Zauberhaftes, dass ich den ganzen Tag lächeln muss." Sie habe ihn auf den Namen Vicco von Bülow getauft. Er sei natürlich ein bisschen eifersüchtig auf Loriot. "Und nachdem ich selbst in meinem Leben an Eifersucht gelitten habe, - das ist etwas ganz Schreckliches! - versuche ich, möglichst beiden gerecht zu werden." Christiane Hörbiger lacht, immer wieder auch während unseres ernsten Gesprächs. Vielleicht ist es Galgenhumor?

Im "Krone"-Interview spannt sie einen Bogen vom Tod ihrer Eltern bis hin zu ihrem eigenen Sterben – und dem, was von ihr als Künstlerin einmal überleben wird.

"Krone": Frau Hörbiger, sind Sie jemand, der gerne auf Gräber geht?
Christiane Hörbiger: Nicht sehr oft, aber zu Allerheiligen natürlich schon. Da gehe ich mit dem Tötschinger (Anm.: ihr Lebensgefährte) zu meinen Eltern und zu meinem verstorbenen Mann auf den Grinzinger Friedhof. Der eine hält die Hunde und der andere geht beten. Penibel bin ich, was die Grabpflege betrifft. Die Lichtlein und die Kränze habe ich schon lange vorher besorgt.

"Krone": Werden Sie auch einmal dort liegen?
Hörbiger: Für meinen Sohn wäre das natürlich praktisch, da hätte er seinen Vater und mich in einem. Aber ich glaube, ich werde mich eher zu den Kollegen am Zentralfriedhof legen lassen – vorausgesetzt, ich bekomme ein Ehrengrab.

"Krone": Wie ist der Gedanke an den Tod?
Hörbiger: Ich habe mich mittlerweile an ihn gewöhnt. Er rückt ja immer näher. Ich war sowohl bei meiner Mutter als auch bei meinem Vater beim letzten Atemzug dabei. Wenn Sie Sterbende beobachten, dann stellen Sie fest, dass sie niemals weinen… Auch sehr alte Menschen weinen nicht mehr. Das ist doch sehr tröstlich.

"Krone": Erinnern Sie sich an die Gesichtszüge Ihrer Eltern in der Stunde des Todes?
Hörbiger: Sehr genau. Mein Vater, der wahrlich kein sündenfreies Leben geführt hat, ist mit einem heiteren, gelösten Gesicht entschlafen und hat so hinaufgemurmelt, ich vermute, er hat mit seiner Mutter gesprochen. Meine Mutter hingegen, die immer viel braver war, hatte eine eigentümliche Härte im Gesicht.

"Krone": Wie soll das bei Ihnen einmal sein?
Hörbiger: Ich möchte keinen verkniffenen Ausdruck haben, ich hoffe, dass auf meinem Gesicht ein Lächeln sein wird, wenn ich gehe…

"Krone": Von Max Frisch stammt die Frage: Möchten Sie lieber mit Bewusstsein sterben, oder lieber überrascht werden von einem fallenden Ziegelstein, von einem Herzschlag, von einer Explosion usw.?
Hörbiger: Ich möchte am liebsten im Schlaf sterben. Ich glaube, das ist die größte Gnade, die der liebe Gott einem geben kann.

"Krone": Glauben Sie daran, ihm nach dem Tod gegenüberzutreten?
Hörbiger: Vielleicht nicht sofort. Vorher muss ich noch ein paar Sünden abbüßen. – Lacht. – Aber nicht, wie die Katholische Kirche sich das vorstellt im Fegefeuer. Wenn man das ganze Leben schon gebüßt hat, womöglich durch Krankheit oder durch Schmerzen oder durch menschliches Leid, dann soll man sich auch noch fürchten vor dem Jüngsten Gericht? Das will ich mir nicht vorstellen, dass ich am Totenbett auch noch bestraft werde.

"Krone": Wie stellen Sie sich Gott vor?
Hörbiger: Mein Gott ist gütig…

"Krone": Sie glauben also an ein Leben nach dem Tod?
Hörbiger: Unbedingt! Ich glaube auch daran, dass es einen Himmel gibt. Ich glaube ganz fest, dass es nicht zu Ende ist, wenn wir in der Urne oder im Sarg landen. Unsere Seele wird auf jeden Fall weiter bestehen. Wo ich mir nicht sicher bin: Ob ich meine Lieben da oben wiedersehen werde. Aber ich bitte sie manchmal um Hilfe. Meine Mutter, meinen Vater, meinen Mann. Meine Mutter am öftesten, obwohl ich eigentlich ein Vaterkind war.

"Krone": Warum?
Hörbiger: Weil sie das Verlässlichste in meinem Leben war. Nicht immer angenehm, aber wenn sie "Ja" gesagt hat, dann war es hundertprozentig "Ja", sie war nicht so wienerisch-wankelmütig.

"Krone": Möchten Sie als Schauspielerin eigentlich unsterblich sein?
Hörbiger: Wenn es noch ein paar verblasste Filme gibt, die manchmal gezeigt werden, wäre ich ganz froh. Schriftsteller leben eher weiter in den Büchern, in den Gedanken, die sie in ihre Werke hineingelegt haben. Ich lese gerade wieder Hilde Spiels "Gedankensplitter". Aber Schauspieler… Da bleiben vielleicht Stimmungen, Gesichtsausdrücke. An die Unsterblichkeit habe ich noch nicht so sehr gedacht.

"Krone": Sie haben einmal gesagt: Eine alte Frau bin ich mit 85. Gilt das noch?
Hörbiger: Ja, das gilt noch. Aber wenn Sie mich mit 85 fragen, dann kann ich es vielleicht noch um 5, 10 Jahre hinausschieben. Meine Eltern sind ja beide an den Rand des Hundertsten gekommen, also hab ich gute Aussichten.

"Krone": Wird man mit zunehmendem Alter versöhnlicher mit seinen Eltern?
Hörbiger: Ja, das wird man… Ich kann ihre unglaubliche Leistung erst allmählich begreifen… Wenn ich mir Dokumentationen von Hugo Portisch anschaue zum Beispiel: Wie die beiden aus Tirol zurückgekommen sind ins zerbombte Wien, mit drei kleinen Kindern. Keine Heimat mehr zu haben, nicht zu wissen, wo man Wasser und Essen herbekommt. Den Wiederaufbau geschafft zu haben, dann die ganze Nazischeiße. Und dabei sind sie noch auf der Bühne des Burgtheaters gestanden, mit diesem Anspruch an sich, dass sie immer Spitze sein mussten! Sie haben uns ernährt. Nicht mit dem Tralala des heutigen Fernsehens, wo die jungen Leute 2.000 Euro pro Drehtag verdienen, sondern mit hart, hart verdienten Theatergagen! Da verzeiht man viel, was in der Erziehung vielleicht nicht so glücklich gelaufen ist.

"Krone": Wird der Moment kommen, wo Sie Ihren Eltern alles verziehen haben?
Hörbiger: Ich glaube, das wird am Totenbett sein… Ja, dieser Moment wird kommen.

"Krone": Was sollen Ihre letzten Worte sein?
Hörbiger: Ich hab euch lieb. Sollte ich das Glück haben, dass mein Sohn und der Tötschinger bei mir am Totenbett sitzen, dann wären das meine letzten Worte.

"Krone": Wünscht man sich aus Liebe zum Partner nicht, der Überlebende zu sein?
Hörbiger: Da fallen mir zwei Dinge dazu ein. Die Chinesen sagen: Wen Gott liebt, den holt er vor dem Geliebten zu sich. Und dann gibt es zwischen mir und dem Tötschinger eine Art Abkommen: Wenn dir was zustoßen sollte, dann ziehe ich nach Baden! Das wird der liebe Gott entscheiden.

Ihre Karriere
Geboren am 13. Oktober 1938 als Tochter der Schauspieler-Legenden Paula Wessely und Attila Hörbiger in Wien. "Nannerl" sollte Zuckerbäckerin werden, aber sie landet beim Film. Studium am Max-Reinhardt-Seminar, noch vor Abschluss Engagement am Burgtheater. In den Achziger Jahren Durchbruch im Fernsehen. Internationale Auszeichnungen. Am 17. 11. ist sie auf ARD im Film "Bis ans Ende der Welt" zu sehen, Ende November ist sie gemeinsam mit Gerhard Tötschinger bei Florian Silbereisen ("Adventfest der tausend Lichter") zu Gast. Christiane Hörbiger hat einen Sohn (Sascha, 36) und ist Großmutter. Seit 1984 lebt sie mit Gerhard Tötschinger in Wien, Baden und Zürich.

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(Bild: kmm)



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