Paris-Gastkommentar

Landau: Was uns jetzt allen heilig sein sollte

Österreich
11.01.2015 12:02
Die Bilder aus Paris machen fassungslos. Unsere Trauer gilt den Toten, unser Mitgefühl den Angehörigen. Die Brutalität, mit der der Terror in der französischen Hauptstadt und damit auch mitten unter uns zuschlägt, macht sprachlos - auch mich. Doch genau diesen Gefallen dürfen wir den Attentätern nicht machen. Fürchten wir uns nicht! Bleiben wir nicht sprachlos! - Ein Gastkommentar von Caritas-Präsident Michael Landau.

Nicht nur in Frankreich, in ganz Europa und weiten Teilen der Welt - so auch am Sonntag um 16 Uhr auf dem Wiener Ballhausplatz - bekennen in diesen dunklen Stunden Millionen Menschen: "Wir sind Charlie".

Dieser Anschlag mag vordergründig einem Satire-Magazin in der Pariser Rue Nicolas Apert gegolten haben, doch die Schüsse trafen gleichzeitig mitten in unser aller Herz. Getroffen sind Werte, auf die wir uns zu Recht berufen - Mitmenschlichkeit, Toleranz und Nächstenliebe.

Es wird lange dauern, ehe diese Wunden heilen.

Frankreich, das ist die Wiege der Aufklärung - von Freiheit, Gleichheit und Geschwisterlichkeit. Ich bin überzeugt: Diese Werte werden am besten dadurch verteidigt, wenn wir sie weiterhin leben. Wenn wir weiter frei und ohne Angst handeln, denken, leben und lieben. Tag für Tag aufs Neue.

Werte, die uns wichtig sind, können von einzelnen zwar verraten, aber nur von allen gemeinsam bewahrt werden. Wir dürfen uns durch Hass nicht spalten lassen.

Dieses Attentat richtete sich nicht nur gegen "den Westen", gegen "Ungläubige" und die Demokratie. Es richtet sich auch gegen die überwiegende Mehrheit unserer muslimischen Nachbarn, die friedlich in Frankreich, in Deutschland oder in Österreich leben.

Wenn wir sagen "Wir sind Charlie", dann sagen wir, Einheit und Zusammenhalt sind stärker als Terror und Barbarei. Wir halten den Attentätern entgegen: Eine Kalaschnikow ist keine Religionsgemeinschaft. Bibel, Thora und Koran sind Bücher der Liebe, nicht des Hasses.

Es steht zu befürchten, dass nun auch in Österreich Menschen auf die Straße gehen, um gegen eine vermeintliche Islamisierung des Westens zu demonstrieren. Ihnen sei gesagt: Wer unser Land liebt, spaltet es nicht! Wenn wir in Folge des syrischen Bürgerkriegs Flüchtlinge bei uns aufnehmen, die Schutz vor Krieg, vor Verfolgung und vor Terror wie jenem in Paris suchen, steht das christliche Abendland nicht auf dem Spiel. Im Gegenteil: Würden wir diesen Menschen keinen Schutz mehr gewähren, dann wäre das christliche Abendland verloren. Dann wären die Attentäter von Paris erfolgreich gewesen.

Klar ist: Terror ist niemals gerecht. Nicht damals, als die RAF unzählige Attentate verübte oder als Anders Breivik 77 Menschen auf der Insel Utoya tötete. Und dieser Terror ist auch heute nicht gerecht, wenn unschuldige Menschen in Paris unter Missbrauch des Gottesnamens hingerichtet werden.

Der Glaube an das Gemeinsame und die Überzeugung, dass dieses Gemeinsame stärker als das Trennende ist, sollte uns allen gerade in diesen Stunden heilig sein. Die Würde des Menschen ist unteilbar. Es gibt nur ein Maß: die Maßeinheit Mensch. Wir alle sind Charlie.

Kommentar von Claus Pándi: Der Wahrheit ins Gesicht schauen
Diese dramatischen Tage wären eine große Chance für die Rückkehr der Politik. Die momentane Einigkeit des Westens könnte genützt werden, um die Gesellschaft aktiv zu gestalten und ihr eine Perspektive zu geben.

Europas Regierungen müssen dazu jetzt sofort einen echten Nachdenkprozess beginnen, statt durch läppische Nebenfronten zu stolpern. Die kommenden Tage und Wochen werden entscheiden, ob der Terror ein vorübergehender Spuk ist oder zum jahrelangen Schrecken wird.

Mit hohlen "Sicher durch die Krise"-Phrasen sind die Menschen nicht mehr einzulullen. Im siebten Jahr nach dem internationalen Finanzcrash reagieren immer breitere Bevölkerungsschichten zunehmend verstört. Da trifft eine einheimische Jugend mit unsicherer Zukunft auf eine zugewanderte "No Future"-Generation. Dazu ratlose Eltern, die ihren Kindern nicht mehr sagen können, dass sie es einmal besser haben werden.

Das ergibt eine explosive Mischung gegenseitiger Aufschaukelung, eine Radikalisierung auf beiden Seiten.

Ein salbungsvolles Beschönigen der besorgniserregenden Lage wäre dabei ebenso falsch wie hysterische Heuchelei. Die Amerikaner haben dafür den treffenden Ausspruch "Let's face it" - zu übersetzen etwa mit "Schauen wir der Wahrheit ins Gesicht" oder "Machen wir uns doch nichts vor".

Diese Ehrlichkeit wäre ein erster Schritt. Danach hätte die Politik unsere Gesellschaft so zu gestalten, dass wir gerne und sicher in ihrer Mitte leben können.

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