Antrag abgelehnt

Keine Fußfessel: Helmut Elsner muss in U-Haft bleiben

Österreich
21.09.2010 14:11
Ex-BAWAG-Direktor Helmut Elsner ist am Dienstag mit seinem Antrag auf elektronisch überwachten Hausarrest - vulgo Fußfessel - gescheitert. Bei der Haftverhandlung am Vormittag im Landesgerichtlichen Gefangenenhaus in Wien wies Richter Christian Böhm den Antrag Elsners überraschend zurück. Die Begründung für die gnadenlose Abfuhr: Fluchtgefahr. Als problematisch erachtete das Gericht u.a., dass Elsner ständig Arzttermine wahrnehmen muss - und dass der Fußfessel-Funk das Bügelzimmer seiner 278-Quadratmeter-Wohnung nicht abgedeckt hätte.

Elsner dunstet seit Februar 2007 in U-Haft, die Justiz hat erst vor drei Wochen seine vollständige Enthaftung aus gesundheitlichen Gründen - der mittlerweile 75-Jährige ist herzkrank - einmal mehr mit dem Hinweis auf die "erhöhte Fluchtgefahr" abgelehnt.

Die Staatsanwaltschaft Wien hatte Elsners Antrag auf einen Fußfessel-Hausarrest Anfang September prinzipiell zugestimmt ("Elsner erfüllt alle gesetzlichen Anforderungen"), weswegen am Dienstag eigentlich mit der Fußfessel-Freilassung Elsners gerechnet worden war - obwohl sich am Vortag mit Wolfgang Auer-Welsbach ein weiterer Promi-U-Häftling eine Abfuhr geholt hatte. Auch hieß es, Elsners Fußfessel läge schon im Gefangenenhaus bereit.

"Keine Anhaltung durch Fußfessel"
Doch am Dienstag wurde Elsner erneut die "nach wie vor aufrechte Fluchtgefahr" zum Stolperstein: "Der Zweck der Anhaltung kann durch eine Fußfessel nicht gewährleistet sein", meinte Gerichtssprecherin Christina Salzborn nach der Haftverhandlung.

Auch der Vorschlag der Anwälte Elsners, der U-Häftling könnte zusätzlich zur Fußfessel, die ihn nur innerhalb einer Wohnung überwacht, einen GPS-Peilsender zur permanenten Lokalisierung tragen, überzeugte Richter Böhm - wie schon zuvor das Oberlandsgericht beim Enthaftungsantrag - nicht. Elsners Anwälte wollen gegen die Entscheidung Beschwerde einlegen. Mit dieser muss sich dann das Wiener Oberlandesgericht befassen.

Anwalt: Elsner war "von Haus aus skeptisch"
Elsner war persönlich zur Haftverhandlung erschienen, obwohl ihm der ärztliche Leiter der Justizanstalt Wien-Josefstadt, Klaus Kaiser-Mühlecker, davon aus gesundheitlichen Gründen abgeraten hatte. Laut seinem Anwalt Karl Bernhauser war der Ex-BAWAG-Chef weniger zuversichtlich als seine Ehefrau, die während der laufenden Haftverhandlung Optimismus versprüht und erklärt hatte, die eheliche Wohnung wäre "funktechnisch in Ordnung" und damit für den elektronisch überwachten Hausarrest bestens geeignet.

"Was die Fußfessel betrifft, war Herr Elsner von Haus aus skeptisch, weil er negative Erfahrungen mit diesem Richter und dem Oberlandesgericht gemacht hat", gaben Bernhauser und Elsners zweiter Rechtsbeistand Jürgen Stephan Mertens bekannt. Für Bernhauser war der abgelehnte Hausarrest dessen ungeachtet "völlig unverständlich. Alle, sogar die Staatsanwaltschaft, waren dafür. Der Richter hat von seinem Spielraum einmal mehr zuungunsten von Elsner Gebrauch gemacht. Das ist eine bemerkenswerte Ungleichbehandlung gegenüber anderen Verfahrensbeteiligten".

Elsner hätte Wohnung nicht einmal für Arzt verlassen müssen
Primär Elsners angeschlagener Gesundheitszustand dürfte dem Richter Kopfzerbrechen bereitet und ihn letztlich dazu bewogen haben, den 75-Jährigen weiter in Haft zu behalten. Der herzkranke Ex-Banker braucht ärztliche Betreuung, "und er (der Richter, Anm.) hat Elsner erklärt, dass er ihm formal keine Weisung erteilen kann, einen Arzt zu besuchen", verriet Bernhauser.

Der Haftrichter befürchtete offenbar, Elsner könne eine derartige Weisung zur Flucht nützen. "Dabei haben wir angeboten, dass die ärztliche Betreuung auch in der Wohnung stattfinden kann. Elsner ist krankenversichert, eine Ärztin befindet sich im Haus. Und außerdem hat er gar kein Interesse zu flüchten, sondern will den Verbleib der BAWAG-Gelder aufklären", sagte der Elsner-Anwalt. Der Richter sei darauf nicht eingegangen: "Er hat alle Aspekte, die für Herrn Elsner gesprochen haben, ignoriert."

Fußfessel-Funk reichte nicht bis ins Bügelzimmer
Eine Rolle könnten allerdings auch geringfügige technische Probleme gespielt haben: Die Basisstation, mit der überwacht worden wäre, ob Helmut Elsner den Hausarrest in seinem City-Penthouse und das auf ihn abgestimmte Aufsichtsprofil auch einhält, soll das Bügelzimmer nicht abgedeckt haben. Elsner gelobte zwar, er werde dieses Zimmer in der 278 Quadratmeter großen Wohnung nicht betreten, doch womöglich war dem Richter diese Unwägbarkeit einfach zu riskant.

Ruth Elsner ortet "Psychokrieg"
Gemäß §173 a Strafprozessordnung kommt eine Fußfessel für U-Häftlinge dann infrage, wenn der "Zweck der Anhaltung (...) auch durch diese Art des Vollzugs der Untersuchungshaft erreicht werden kann", wie es im Gesetz wörtlich heißt. Dass dies bei ihrem Ehemann nicht angenommen wurde, empört Elsners Ehefrau Ruth, die vor dem Grauen Haus den Ausgang der Haftverhandlung abgewartet hatte. "Natürlich eine Enttäuschung, gewaltig", kommentierte sie den Weiterverbleib ihres Mannes im Gefängnis.

Sie ortete "ein absurdes Theater" und einen "Psychokrieg". Dass ihr Mann nicht in den Hausarrest wechseln darf, sei "für einen normalsterblichen Mitteleuropäer ja nicht nachvollziehbar". "Ich mache mir Sorgen um meinem Mann. Für den muss das eine gewaltige Niederlage sein. Auch psychisch. Das ist ein gewaltiger Stress, auch mental und körperlich", sagte Ruth Elsner.

Elsner wartet noch immer auf Berufungsverfahren
Der Ex-BAWAG-Chef ist im Juli 2008 im sogenannten BAWAG-Prozess wegen Untreue, schweren Betrugs und Bilanzfälschung zu neuneinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Dieses Urteil ist nach wie vor nicht rechtskräftig, ein Termin für das Rechtsmittelverfahren nicht in Sicht. Die in der U-Haft verbrachte Zeit wird Elsner zur Gänze auf das endgültige Strafausmaß angerechnet.

Elsner selbst sieht sich als Polit-Opfer. Auch die Fußfessel-Abfuhr führt er auf Justizministerin Claudia Bandion-Ortner und ihren Kabinettchef Georg Krakow zurück, teilte sein Anwalt Karl Bernhauser nach der Haftverhandlung am Dienstag mit. Bandion-Ortner hatte den BAWAG-Prozess geleitet, Krakow hatte in diesem Verfahren als Vertreter der Anklagebehörde fungiert. "Beide hatten kein Interesse daran, die Frage zu klären, wo das von Wolfgang Flöttl angeblich verspekulierte Geld hingekommen ist. Es gab bei Flöttl keine Kontoöffnungsanträge, im Unterschied zu Elsner wurde auch nicht auf sein Privatvermögen zugegriffen", sagten Bernhauser und Elsners zweiter Rechtsbeistand Jürgen Stephan Mertens.

Die beiden Anwälte gaben in diesem Zusammenhang am Dienstag bekannt, dass Elsner in den Vereinigten Staaten Flöttl wegen Steuerhinterziehung und Geldwäsche angezeigt hat. Anhand eines Privatgutachtens sei "nachweisbar, dass sich Flöttl das verschwundene Geld zugeeignet hat", wie Bernhauser feststellte.

Kritik an Regierung von Grünen und BZÖ
Dass Elsner bis auf Weiteres im Gefängnis bleiben muss, hat am Dienstag auch politische Reaktionen ausgelöst. Die Grünen und das BZÖ kritisierten die Entscheidung. "Wenn selbst dem kranken Elsner der elektronische Hausarrest wegen Fluchtgefahr verweigert wird, sind kaum Anwendungsfälle für Untersuchungshäftlinge denkbar. Das Projekt elektronische Fußfessel wird von der Justiz nicht angenommen, das zeigt die negative Entscheidung um Elsner", gab der grüne Justizsprecher Albert Steinhauser zu bedenken.

Steinhauser sieht dringenden Handlungsbedarf: "Wir müssen jetzt schnell prüfen, warum es kaum zur Anwendung des elektronischen Hausarrests kommt (von den ersten 100 Anträgen wurden erst zwei bewilligt, Anm.). Entweder passen die gesetzlichen Rahmenbedingungen oder die gewählten technischen Lösungen nicht." Er kündigte an, Druck auf Bandion-Ortner machen zu wollen, "damit das eingesetzte Steuergeld beim Hausarrest auch die vom Gesetzgeber gewünschten Ergebnisse bringt".

"Wofür hat die Justizministerin die Möglichkeit der Fußfessel eingeführt, wenn diese jetzt im bestmöglichen Fall nicht genützt wird?", fragte sich BZÖ-Justizsprecher Ewald Stadler. Zuerst habe die Regierung "die höchst vernünftige Fußfessel-Regelung beschlossen", dann sei "hinterfragenswerterweise das absolut teuerste System" angeschafft worden, "um die Fußfessel jetzt nicht anzuwenden. Das ist Justizpolitik Marke Schilda", so Stadler.

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