Im Visier des IS

Jesiden: Im Leid vergessen von der Welt

Ausland
30.10.2014 16:45
Das Leid der Jesiden hat ein paar Wochen lang die Welt bewegt, als Abertausende im Sindschar-Gebirge festsaßen, zu verdursten und zu verhungern drohten. Auf der Flucht vor den IS-Dschihadisten, die Tausende Angehörige dieser religiösen Minderheit im nördlichen Irak massakriert, ihre Frauen und Töchter vergewaltigt und versklavt hatten. Dann sind die Jesiden wieder aus den Schlagzeilen verschwunden. Die "Krone" hat sie jetzt besucht – in einem Flüchtlingslager im kurdischen Ostanatolien.

Die Zustände sind erbärmlich. Es gibt zu wenig zu essen, zu wenig Kleidung, zu wenige Medikamente, es mangelt an allem. Oft teilen sich bis zu zehn Menschen ein Zelt. Menschen, die alle schwerst traumatisiert sind. Die mitansehen mussten, wie ihre kleinen Kinder verdurstet sind auf der Flucht vor den Dschihadisten. Die mitansehen mussten, wie ihre Kinder, ihre Eltern ermordet wurden. Die wissen, dass sie nie wieder in ihre Heimat zurück können, weil sie für die extremistischen Muslime "Teufelsanbeter" sind, die nichts verdient haben als den Tod.

Als die "Krone" mit einer österreichischen Parlamentarier-Delegation das Lager betritt, entsteht sofort ein Aufruhr. Jeder will mit uns sprechen, jeder will seine Geschichte erzählen, damit wir sie hinaustragen in die Welt. Die Jesiden spüren, dass sie wieder vergessen worden sind. Dabei sitzen allein 60.000 von ihnen in den östlichen Kurdengebieten der Türkei, weitere 200.000 im kurdischen Nordirak fest.

Spontan malen und schreiben die Menschen ihre Botschaften für die Fotografen auf Leintücher und auf Papier - in holprigem Englisch. Kleine Kinder sitzen auf dem Boden und halten Zettel hoch, auf denen Dinge zu lesen sind wie: "Bitte bring mich nicht um!" "Bitte vergewaltige mich nicht!" "Wo ist meine Mutter?" "Wo ist mein Bruder?"

"Wir können Muslimen nicht mehr trauen"
Ein junger Mann trägt ein weißes T-Shirt mit einer Kohlezeichnung darauf, die von dem Grauen erzählt, das er erleben musste: Eine Frau ist zu sehen, sie liegt auf dem Boden – mit durchschnittener Kehle. Darüber steht geschrieben: "Meine Mutter".

Das Problem mit den Jesiden ist, dass sie keinem Muslim mehr über den Weg trauen, nicht einmal den Kurden, mit denen sie eine gemeinsame Sprache teilen und die jetzt versuchen, sich so gut es eben geht um sie zu kümmern. Die Flüchtlinge sind angewiesen auf private Spenden, denn weder die UNO noch sonst eine internationale Organisation hat sich bisher in den Jesidenlagern blicken lassen.

"Wir wollen zu den Christen nach Europa"
Ständig hören wir: "Wir wollen nach Europa. Dorthin, wo Christen leben. Es gibt keinen anderen Ort mehr auf der Welt, wo wir uns sicher fühlen." Aber so einfach ist das bekanntlich nicht. Und es wäre zweifellos besser, die Probleme mithilfe internationaler Organisationen vor Ort zu lösen.

Zum Abschied kann SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder nur sagen: "Wir haben eure Geschichten gehört und wir werden sie weitertragen zu den europäischen und den internationalen Organisationen. Und ich hoffe, dass sich etwas verbessern wird. Leider können wir nicht mehr sagen. Aber das sagen wir aus vollem Herzen."

Dann steigen wir wieder in unseren Bus und fahren hinaus in die Nacht. So mancher von uns freut sich wohl, bald wieder nach Hause fliegen zu dürfen. Ein Gedanke, von dem die Jesiden nicht einmal mehr träumen.

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