Experten warnen:

Gefängnisse sind möglicher Dschihadismus-Nährboden

Österreich
29.01.2015 11:05
Terroristen und Syrien-Rückkehrer sind die neue Herausforderung für den Strafvollzug. Noch ist der erste Prozess gegen einen mutmaßlichen Dschihadisten nicht abgeschlossen, doch in U-Haft befinden sich mehrere Verdächtige, rund 80 Verfahren sind anhängig. Um eine Radikalisierung in Gefängnissen zu verhindern, bedarf es für die Zukunft professioneller Konzepte, fordern Experten.

Die Zahl der Insassen, die islamistisches Gedankengut vertreten und die als Terror-Sympathisanten einzuschätzen sind, ist im Steigen begriffen, warnte der Grüne Justizsprecher Albert Steinhauser, der die Gefängnisse als Nährboden für mögliche Radikalisierung sieht. Zu viel Zeit, wenig Zukunftsperspektiven und die fehlenden Netzwerke nach außen seien oft die Gründe, dass die Religion zum letzten Halt und Sinngeber werden kann.

Getrennte Zellen für Syrien-Rückkehrer gefordert
Die Attentäter von Paris sollen im Gefängnis radikalisiert worden sein. "Es ist davon auszugehen, dass zumindest ein Teil den Kontakt zu Gleichgesinnten sucht oder aber andere Gefangene für seine Ideen gewinnen will", so Steinhauser. Deshalb seien vor allem Rückkehrer aus Syrien so unterzubringen, dass sie untereinander möglichst keinen Kontakt haben. Falls versucht werde, andere Insassen zu rekrutieren, soll eine Rotation in andere Anstalten erfolgen, ist Steinhauser überzeugt. Das könnte aufgrund der übervollen österreichischen Gefängnisse jedoch ein Problem werden.

Offener Strafvollzug könnte Radikalisierung fördern
Zudem wird in Österreich der Strafvollzug als offener Vollzug organisiert, sprich die Türen der Hafträume sind grundsätzlich tagsüber geöffnet. Für die Sozialisierung Strafgefangener ist das günstig, der ständige Kontakt mit anderen Insassen kann jedoch auch eine mögliche Radikalisierung fördern. "Wenn wir verhindern wollen, dass sich in den Gefängnissen aus den Syrien-Rückkehrern in den nächsten Jahren eine Art Al-Kaida Österreich bildet, müssen wir jetzt handeln", sagte Steinhauser.

Nach der Razzia gegen Dschihadisten im vergangenen Jahr sitzen derzeit etwa fünf Männer in U-Haft in Graz-Jakomini, wie der Leiter der Vollzugsdirektion, Peter Prechtl, sagte. Die Insassen seien demnach in Einzelzellen untergebraucht, die Kontaktmöglichkeiten mit anderen Strafgefangenen sehr eingeschränkt.

Professionelle Programme zur Deradikalisierung nötig
"Wir brauchen professionelle Programme, um die Deradikalisierung zu fördern", meinte auch der österreichische Islam-Experte Thomas Schmidinger. Wenn man sich um Radikale, die in Gefängnissen sitzen, nicht professionell kümmert, dann nutzen sie die Inhaftierung für weitere Propaganda. Syrien-Rückkehrer sollten jedoch "nicht nur weggesperrt werden", von ihnen gehe nicht immer eine Gefahr aus. "Viele von ihnen sind von den Kämpfen ernüchtert", meinte Schmidinger.

Seit zwei Jahren läuft über das Justizministerium eine Kooperation mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, bei der die Justizwachebeamten über die aktuellen Entwicklungen zum Thema Dschihadismus informiert werden. Justizsprecher Steinhauser fordert sogar eine spezielle Ausbildung und Schulung im Umgang mit Dschihadisten, die sich in Haft befinden.

Dem Justizministerium sind 69 Syrien-Rückkehrer bekannt
Dabei stellt das Sprachproblem die größte Hürde dar. Das Justizministerium will deshalb mehr Justizwachebeamte mit Migrationshintergrund in den Dienst stellen. Auch Seelsorger der islamischen Glaubensgemeinschaft sollen in den Gefängnissen den Radikalisierungstendenzen entgegentreten. Laut Steinhauser sind mittlerweile 178 Menschen von Österreich aus in den Syrien-Krieg gezogen. Von 69 Personen weiß man, dass sie wieder zurückgekehrt sind.

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