Euro-Notfallplan

Analysten: “Von der Währungs- zur Haftungsunion”

Ausland
10.05.2010 12:22
Der "Rettungsschirm" für den Euro und ins Straucheln geratene Euro-Länder hat am Montag umgehend für Erleichterung auf den Märkten gesorgt. Der Euro stieg auf 1,29 Dollar, an den Börsen griffen Investoren beherzt zu, teilweise gab es Rekord-Kursgewinne. Im Gegenzug gingen die Risikoaufschläge für Anleihen hoch verschuldeter Staaten zurück. Die Analysten loben den Notfallplan fast durch die Bank, sind aber in Bezug auf nachhaltige Entwicklungen eher skeptisch. Der Grundtenor: Die Euro-Staaten und die EZB verlassen ihre Prinzipien, die Währungsunion verwandle sich in eine "Haftungsunion".

Zu Handelsbeginn am Montag in Tokio stieg der Euro-Kurs über die Marke von 1,29 Dollar und stabilisierte sich im Laufe des Vormittages auf diesem Wert. Am Freitag war er beim Börsenschluss in New York noch bei 1,2755 Dollar gelegen. Um 10.40 Uhr notierte der DAX in Frankfurt mit plus 3,81 Prozent, der ATX in Wien verzeichnete einen Kurssprung um 5,48 Prozent. In London stieg der FT-SE-100 um 4,05 Prozent, der die 50 führenden Unternehmen der Eurozone umfassende Euro-Stoxx-50 gewann 7,41 Prozent. Größter Gewinner waren dort Banken, deren Papiere bei den Spitzenwerten um bis zu 20 Prozent zulegten.

Kritiker sehen "Transferunion" und Inflationsgefahr
Der Nothilfeplan stellt aber für viele Beobachter langfristig einen massiven Umwurf einstiger Grundprinzipien dar. Eines dieser Prinzipien der Euro-Gruppe war bisher, dass ein Euro-Land nicht für die Schulden und Verpflichtungen eines anderen einsteht. Das war praktisch das Gegenstück dazu, dass die Mitgliedsländer bei aller Abstimmung untereinander Budgethoheit genießen. Diese Balance gilt nicht mehr, fürchten Kritiker nach den Brüsseler Beschlüssen in der Nacht zum Montag. Das Gespenst von der "Transferunion in Europa" geht bei vielen um. Länder mit einer relativ soliden Budgetpolitik und noch exzellenter Bonität müssten nun für die Undisziplinierten zahlen.

Auch würde die ohnehin bestehenden Inflationsgefahren als Folge der Finanzkrise im Euro-Raum durch den Plan erhöht. Inflation würde die einzelnen Euro-Partnerländer unterschiedlich treffen: Sie schmälert generell die Kaufkraft, das Geldvermögen derer, die etwas haben, und sie entwertet die Schuldenlast derer, die davon hohe Berge angehäuft haben, macht es ihnen also leichter.

"Beginn einer Umverteilung-von-Einkommen-Gesellschaft"
Am deutlichsten formulierte die Bedenken der deutsche Analyst Heino Ruland: "Dies ist der Beginn einer Umverteilung-von-Einkommen-Gesellschaft, welche erfolgreiche Volkswirtschaften der Region schwächt und die Volkswirtschaften stützt, die nicht in einer Position sind, die Konsequenzen aus dem Beitritt zur Europäischen Währungsunion zu tragen. Das wird das Wachstum in der gesamten Region auf längere Sicht schwächen, insbesondere weil die Interessen von nüchtern handelnden Wirtschaften wie Österreich, Belgien, Finnland, den Niederlanden, Luxemburg und Deutschland bei der Auflegung des EU-Hilfspaketes ignoriert wurden. Auf sehr kurze Sicht wird es aber helfen, die Risikoaufschläge gegenüber Bundesanleihen zu senken bei den Volkswirtschaften, die in den vergangenen Wochen und Monaten schlimm gelitten hatten."

Masafumi Yamamoto, Devisenstratege der britischen Großbank Barclays meint: "Das sieht nach Notlösungen aus zur Behandlung von Symptomen. Das ist nicht die Art von Maßnahmen, mit denen die Probleme an der Wurzel gepackt werden." Die Royal Bank of Scotland meinte hingegen: "Durch die Eingriffe der EZB werden sicher das Mandat und die Unabhängigkeit der Notenbank infrage gestellt. Wir sind aber davon überzeugt, dass die Maßnahmen notwendig sind, um den Teufelskreis, der die Weltwirtschaft bedroht, zu durchbrechen."

"Aus ordnungspolitischer Sicht vertretbar"
"Diese Maßnahmen verändern kurz- und mittelfristig die Spielregeln", betonte Dariusz Kowalczyk, Chef-Investmentstratege beim Vermögensberater SJS Markets. Mit rund 750 Milliarden Euro sei das Volumen des Rettungspaktes groß genug, um kurzfristig die Spekulationen auf eine Pleite Griechenlands zu beenden.

Michael Heise von der Allianz sagte: "Aus ordnungspolitischer Sicht sind mit dem Maßnahmenpaket eine Vielzahl von Risiken verbunden, angesichts der potenziellen Folgen eines Nichthandelns ist die Entscheidung unter dem Aspekt der Güterabwägung aber vertretbar. [...] Ist der Wille zu finanzpolitischer Disziplin in der EU klarer als bisher ersichtlich, wird auch in den Märkten das Vertrauen in den Euro dauerhaft wiederkehren."

Österreichische Analysten zufrieden, aber auch skeptisch
Von den Analysten der Raiffeisen Zentralbank hieß es am Montag: "Das vorliegende Maßnahmen-Paket ist unserer Meinung nach weit mehr, als man in so kurzer Zeit erwarten konnte, und sollte ausreichen, um die Ansteckung innerhalb der Eurozone zu stoppen und die Refinanzierung der Staaten sicherzustellen." Der Druck auf Staatsanleihen sollte damit rapide nachlassen und deren Kurse sich erholen - "im Idealfall sogar ohne dass überhaupt Geld aus dem neuen Stabilisierungsmechanismus fließen muss".

Mit dem Paket hätten sich die Staaten aber nur "Zeit für eine geordnete Budgetkonsolidierung erkauft", so die RZB-Experten. Sparpakete müssten jetzt unbedingt folgen. Mit den Maßnahmen der EZB - die Zentralbank hat erklärt, sie werde Staatsanleihen von Griechenland, Portugal und Co. kaufen - sind die Analsysten weniger glücklich. Es drohe das Szenario einer Inflation, dass die RZB allerdings "für die nächste zeit" als "nicht bedrohlich" ansieht.

Auch für den Erste Group-Chefanalysten Friedrich Mostböck sollte der "Rettungsschirm" von EU und IWF vorerst reichen um die Märkte in ihren Sorgen um die Eurozone zu beruhigen, weltweit bleibe die Situation angesichts der starken Verschuldung vieler Länder und Regionen aber "fragil". "Es wurde deutlich zu verstehen gegeben, dass sämtliche Attacken gegen den Euro ernsthaft bekämpft werden", sagt Mostböck zum Euro-Notfallplan. Nun müsste man aber den Staaten Gelegenheit geben, sich umzuorientieren und diese müssten das auch tun. "Das Verschuldungsproblem wird uns aber noch länger begleiten - zwei bis drei, vielleicht sogar fünf Jahre."

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.

Kostenlose Spiele