Absage an Sparpläne

Triumph für Tsipras: Griechen sagen klar Nein

Ausland
06.07.2015 06:29
Die Griechen brechen mit dem Reformkurs ihrer Geldgeber: Beim Referendum über die Forderungen der internationalen Gläubiger am Sonntag haben laut offiziellem Endergebnis 61,3 Prozent der Griechen mit Nein gestimmt. Damit hat sich eine klare Mehrheit gegen die Sparforderungen der Eurozone und des IWF ausgesprochen. Für die Linksregierung von Premier Alexis Tsipras bedeutet das Votum einen Sieg. Am Montag finden in Europa zahlreiche Krisentreffen statt, für Dienstag wurde ein Sondergipfel der 19 Euro-Länder einberufen.

Die griechischen Bürger unterstützten mit dem Nein klar das Vorgehen von Tsipras im Schuldenstreit mit der EU und dem Internationalen Währungsfonds. Die Regierung in Athen hatte für ein Nein geworben und argumentiert, damit würde sie gestärkt in neue Verhandlungen mit den Geldgebern gehen.

62,5 Prozent Wahlbeteiligung
Die Wahlbeteiligung lag den offiziellen Ergebnissen zufolge bei 62,5 Prozent. Bei Volksabstimmungen muss in Griechenland die Wahlbeteiligung bei mindestens 40 Prozent liegen, anderenfalls hat das Ergebnis keine Wirkung.

Das Ergebnis des Referendums ist ein Schlag für eine Reihe von EU-Spitzenpolitikern, die bis zuletzt für eine Annahme der Gläubigervorschläge geworben und das Referendum zu einer Abstimmung über einen Verbleib Griechenlands in der Eurozone erklärt hatten. Nach dem Referendum wurde für Dienstag ein Sondergipfel der Staats-und Regierungschefs der Euro-Staaten einberufen. Es gehe darum, welchen Kurs die Euro-Partner nach dem Nein der Griechen einschlagen sollen., hieß es

Freudenkundgebungen in Athen
Tausende Menschen gingen am Sonntagabend aus Freude über das Ergebnis auf die Straße. In Athen schwenkten zahlreiche Bürger griechische Fahnen und hielten Schilder mit dem Wort "Oxi", also Nein, in die Höhe. Einzelne Feuerwerke erhellten den Nachthimmel der griechischen Hauptstadt, wo sich die Menge auf dem Syntagma-Platz beim Parlament versammelte. Dort hatte es schon im Vorfeld der Abstimmung Kundgebungen des Nein-Lagers gegeben. Trotz des drohenden Wirtschaftskollapses sei das Votum die richtige Entscheidung gewesen, so das Fazit vieler Wähler.

Formell hat das Referendum keine Bedeutung, weil die Bürger über ein Kompromissangebot der Gläubiger abgestimmt haben, das seit dem Auslaufen des zweiten Hilfsprogramms Ende Juni gar nicht mehr auf dem Tisch liegt. Jedoch war die politische Bedeutung enorm in dem Land, wo mittlerweile jeder Vierte ohne Arbeit ist. Das Ergebnis des Referendums setzt ein wichtiges Signal für die künftige Kooperation Athens mit den internationalen Geldgebern.

Tsipras will neue Verhandlungen
Tsipras will nach der Absage seines Volkes an die Sparvorgaben jedenfalls neue Verhandlungen. Erste Priorität habe nun die Öffnung der Banken, erklärte er am Sonntagabend in einer Fernsehansprache. Athen sei zu Reformen bereit. Dringend notwendig seien Investitionen sowie die Umstrukturierung der Schulden. Der Regierungschef will am Montag die Chefs aller Parteien seines Landes informieren.

Er sagte, das Referendum habe keine Sieger und Verlierer. Das griechische Volk habe unter schwierigsten Bedingungen bewiesen, dass sich die Demokratie nicht erpressen lasse. "Die nationale Einheit muss bewahrt werden", so Tsipras. Er sei sich dessen bewusst, dass das Ergebnis der Abstimmung kein "Bruchmandat" mit den Gläubigern sondern ein Mandat für eine Einigung mit sozialer Gerechtigkeit sei.

Tsipras hatte bis zuletzt für ein Nein bei dem Votum geworben. Von einem solchen Ergebnis werde die Botschaft ausgehen, dass die Griechen nicht nur in Europa bleiben, sondern in Würde dort leben wollten. "Man kann den Willen einer Regierung ignorieren, aber nicht den Willen eines Volkes. Ich bin sicher, dass wir einen neuen Weg öffnen werden für alle Völker Europas", so der Premier.

Zahlreiche Krisentreffen einberufen
Die deutsche Bundesregierung teilte noch am Sonntagabend mit, dass Kanzlerin Angela Merkel bereits am Montag nach Paris reisen werde, um mit Präsident Francois Hollande über den Ausgang der Volksabstimmung zu beraten. Auch die Europäische Zentralbank berät, am Montag soll es eine Telefonkonferenz der EZB-Räte geben. Zu einer weiteren Krisensitzung wollen auch die Finanzstaatssekretäre der Euroländer in Brüssel zusammenkommen, hieß es am Sonntagabend. Die europäischen Gläubiger hatten gewarnt, ein Nein werde alles noch schwieriger machen und könne ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro und sogar aus der EU nach sich ziehen.

Faymann sieht griechische Regierung gefordert
Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann sieht nun die Regierung von Premier Tsipras am Zug. "Jetzt ist die griechische Regierung gefordert, Vorschläge zu machen, wie es weitergehen soll", erklärte er am Sonntagabend. Es gelte die Referendums-Entscheidung der Griechen zu respektieren. Finanzminister Hans-Jörg Schelling zeigte sich enttäuscht. Das Wahlergebnis sei zwar zu akzeptieren. Aber "aus der Sicht des gemeinsamen europäischen Projekts ist dieses Votum ein enttäuschendes Ergebnis. Die Lage Griechenlands hat sich mit dem Referendum nicht verändert. Nach wie vor braucht Griechenland Hilfe."

Oppositionschef Samaras erklärte Rücktritt
Indes trat der Chef der oppositionellen konservativen Partei Nea Dimokratia, Antonis Samaras, noch am Sonntagabend zurück. Er zog damit die Konsequenz aus der schweren Niederlage des Ja-Lagers in der Volksabstimmung. Samaras forderte die Partner in der EU auf, der Regierung unter Tsipras zu helfen, "eine tragfähige Lösung" für den griechischen Schuldenberg zu finden. Samaras hatte das Land von Juni 2012 bis Jänner 2015 geführt. Vorläufiger neuer Parteichef werde der frühere Parlamentspräsident Evangelos Meimarakis, sagte Samaras im Fernsehen.

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