Doppelte Schlappe

Erst Häftling, dann Prozess gegen Ehefrau verloren

Österreich
19.07.2011 12:32
Vor Kurzem hat es noch ganz schlecht ausgesehen für den 31-jährigen Nikola B. und seine Ehefrau. Beide warteten im Gefängnis auf ihren Prozess. Es ging um zahlreiche Einbrüche und Verdacht auf Hehlerei, die Komplizen hatten schon Teilgeständnisse abgelegt. Nun ist das Ehepaar wieder auf freiem Fuß: Nikola B., weil er sich Ende Juni mithilfe der Papiere seines Zellengenossen und einer offenbar unachtsamen Justizwache auf freien Fuß setzen ließ; seine Frau wurde am Dienstag freigesprochen, weil die Staatsanwaltschaft bei der Anklage gepatzt haben dürfte.

Es sind keine guten Tage für Justizwachebeamte und Staatsanwälte, um mit Dritten über ihren Beruf zu sprechen. Erst lassen die Kollegen in der Justizanstalt Wien-Josefstadt drei Wochen vor dessen Prozess einen U-Häftling frei, dann zerbröseln den Wiener Staatsanwälten Teile der Anklage in einem scheinbar wasserdichten Fall.

Nikola B. ist wohl über alle Berge
Wie von der "Krone" berichtet, entkam der 31-jährige gebürtige Serbe Nikola B. bereits Ende Juni, indem er sich gegenüber den Beamten als sein freizulassender Zellengenosse ausgab. Der Schwindel mit dem Ausweis fiel nicht auf, obwohl der Kompagnon ganze zwölf Jahre älter ist, wie am Dienstag bekannt wurde. Freilich dürfte sich B. mit seinem Zellen-Kollegen abgesprochen haben, um sich die Papiere zu "borgen" - was für diesen jedoch keine Konsequenzen hatte. Er musste ebenfalls freigelassen werden.

Seither gibt es lange Gesichter in der Gefängnisdirektion. Auch B.s Anwalt Philipp Winkler hat keine Ahnung, wo sich der Mann derzeit befindet. "Ich habe von seiner Mutter von der Flucht erfahren. Sie hat mir vor drei Wochen gesagt, dass er freigekommen ist", erklärte Winkler am Dienstag. Dass es sich dabei um keine rechtmäßige Enthaftung gehandelt hatte, habe sich erst im Verlauf des Gesprächs herausgestellt. "Ich habe dann über die Mutter versucht, Kontakt aufzunehmen. Ich habe darauf hingewiesen, dass er sich freiwillig stellen soll, weil er ansonsten viel mehr Strafe bekommt, wenn er erwischt wird", schilderte der Anwalt. Die Polizei geht davon aus, dass sich der 31-Jährige nach Serbien abgesetzt hat.

Bei 32 Einbrüchen fast 100.000 Euro Beute gemacht
Der Einbrecher hätte sich am Dienstag gemeinsam mit seiner Ehefrau und zwei mutmaßlichen Komplizen wegen Bildung einer kriminellen Organisation vor Gericht zu verantworten gehabt. Nikola B. soll mit zwei Mittätern zwischen Dezember 2010 und Februar 2011 im Raum Wien sowie im Raum Innsbruck 32 Wohnungseinbrüche verübt haben, wobei sich die Bande auf Einfamilien- und Reihenhäuser konzentriert hatte. Laut Staatsanwaltschaft Wien verschafften sich die Eindringlinge über Balkone und aufgehebelte Tür- bzw. Fensterrahmen Zutritt in die Objekte, wo sie Schmuck, Bargeld und Wertgegenstände zusammenrafften und das Weite suchten. Die Beute soll insgesamt 97.000 Euro ausgemacht haben.

Die Ehefrau des 31-Jährigen soll bei den Coups Aufpasser- und Chauffeurdienste geleistet haben. Außerdem wurde der selbstständigen Unternehmerin angekreidet, in ihrem Nagelstudio einige Beutestücke verkauft zu haben.

Richter zerlegt Anklage: "Es fehlt jede Konkretisierung"
Vor Gericht erlebte die Staatsanwaltschaft am Dienstag aber ein blaues Wunder: Die Frau, die sich wie Nikola B. seit Februar 2011 in Untersuchungshaft befand, wurde freigesprochen. In der Begründung gibt es heftige Kritik an der Anklagebehörde: Diese habe in ihrer Anklage der Frau zwar Aufpasser- und Chauffeurdienste angekreidet, "aber es gibt im ganzen Akt keine Konkretisierung, welche Taten sie unterstützt haben soll: Es fehlt jede Konkretisierung des angeblichen Tatbeitrags, weshalb man diesen Punkt nur ganz klar freisprechen kann", begründete Richter Karlheinz Seewald das Urteil.

Was den Verkauf von Beutestücken in ihrem Nagelstudio betrifft, könne man die 34-Jährige überhaupt nicht belangen, "weil die Staatsanwaltschaft den Anklagepunkt der Hehlerei eingestellt hat", wie der Richter konstatierte. Und für das Ganze muss jetzt unter Umständen auch noch der Steuerzahler blechen: Strafverteidiger Werner Tomanek, der die Frau anwaltlich vertritt, erwägt, für seine Mandantin Haftentschädigung geltend zu machen.

Teilgeständige Komplizen zu Haftstrafen verurteilt
Der Staatsanwaltschaft bleibt nur ein kleines Trostpflaster: Die teilgeständigen Komplizen wurden am Dienstag vom Schöffensenat schuldig gesprochen. Ein 39-jähriger mehrfach vorbestrafter Serbe erhielt viereinhalb Jahre, ein bisher nicht einschlägig vorbelasteter 35 Jahre alter serbischer Staatsbürger drei Jahre unbedingt. Die Urteile sind allerdings noch nicht rechtskräftig.

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