Gesundheitsrisiko?

EU: Streit um Glühbirnen-Verbot neu entbrannt

Ausland
22.12.2010 17:55
Nach Warnungen des deutschen Umweltbundesamtes vor quecksilberhaltigen Energiesparlampen ist die Debatte über das Verbot herkömmlicher Glühbirnen in der EU neu entbrannt. Im Europaparlament forderten vor allem einflussreiche deutsche Abgeordnete eine Aufhebung des Verbots, das die EU-Kommission Mitte März 2009 verordnet hat. Verfechter der Energiesparlampen wiesen die neuen Vorwürfe vehement zurück, auch die Kommission zeigte sich von der Diskussion unbeeindruckt.

"Ich werde alles tun, um das Glühbirnenverbot in der EU doch noch zu kippen", sagte der Vorsitzende des Industrie-Ausschusses, der deutsche CDU-Politiker Herbert Reul, am Mittwoch der Zeitung "Die Welt". Das Verbot müsse "unverzüglich" außer Kraft gesetzt werden. Brüssel müsse überprüfen, ob die als Alternative zur Glühbirne vorgesehene Energiesparlampe aufgrund der nachgewiesenen Gesundheitsgefahren überhaupt noch vertrieben werden dürfe. Das deutsche Umweltbundesamt hatte Anfang Dezember vor Gefahren durch das in Energiesparlampen verwendete Quecksilber gewarnt.

Die Produktsicherheit und die Gesundheit der Konsumenten müssten oberste Priorität haben, forderte Reul. Der Ausschussvorsitzende warf der Brüsseler Gesetzesbehörde vor, dass sie mit dem Glühbirnenverbot "getrieben vom Klimaschutzwahn Symbolpolitik betrieben hat, die weder dem Klimaschutz noch der Gesundheit der Menschen dient".

"Sondermüll als Lichtquelle"
Auch die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Silvana Koch-Mehrin (FDP), forderte eine Aussetzung des Glühbirnenverbots. Solange nach wissenschaftlichen Erkenntnissen davon auszugehen sei, dass Energiesparlampen zu erheblichen Gesundheitsschäden führen könnten, müsse die EU das Glühbirnenverbot zumindest für Privathaushalte aussetzen, sagte sie der "Welt". "Es kann doch nicht sein, dass unter dem Deckmantel des Umweltschutzes die beim Verbraucher beliebten und bewährten Glühbirnen vom Markt genommen und durch gesundheitsgefährdende Produkte ersetzt werden", sagte sie dem Blatt. Durch das "unsinnige Glühbirnenverbot" werde "Sondermüll als Lichtquelle" vorgeschrieben.

Die Initiative von Reul und Koch-Mehrin sei zu begrüßen und werde sicher breite Unterstützung unter den Europaparlamentariern erhalten, erklärte der Delegationsleiter der SPÖ-EU-Abgeordneten, Jörg Leichtfried, am Mittwoch. Den Vorschlag ohne weitere Prüfung sofort zurückzuweisen, zeuge von Ignoranz der Kommission. "Mit dem Glühbirnen-Verbot sind die Kommission und die Vertreter der Mitgliedstaaten über das Ziel hinausgeschossen. Leider hatten wir EU-Parlamentarier keine Möglichkeit, dieses Verbot zu kippen", betonte Leichtfried.

Gesundheitsrisiko oder nicht?
Hintergrund der Kritik sind die Untersuchungsergebnisse des deutschen Umweltbundesamtes (UBA). Demnach können Energiesparlampen ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko darstellen. Geht eine Energiesparlampe zu Bruch, so kann laut Erkenntnissen der Experten eine Quecksilberkonzentration im Raum freigesetzt werden, die den Richtwert von 0,35 Mikrogramm pro Kubikmeter um das Zwanzigfache überschreitet. Darum sollten sich insbesondere Kinder und Schwangere von Energiesparlampen fernhalten, empfiehlt die Bundesbehörde.

Die Studie beruht allerdings nur auf Stichproben mit zwei zerbrochenen Birnen. Diese wurden überdies mehrere Stunden lang in einem geschlossenen Raum belassen. Das UBA riet Konsumenten zu Energiesparlampen, die etwa durch eine Kunststoffummantelung vor dem Zerbrechen gesichert sind. Ein Sprecher des deutschen Umweltministeriums relativierte die Ergebnisse der Studie. "Es ist nicht so, dass sich das Umweltbundesamt gegen diese Lampen ausgesprochen hat", betonte er. Aus Sicht seines Ministeriums seien Energiesparlampen "kein großes Problem".

Der CDU-Umweltexperte im Europaparlament, Peter Liese, verteidigte den Einsatz energiesparender Lampen, räumte aber Probleme bei der Entsorgung ein. Diese müsse "bürgerfreundlicher" gestaltet werden. Der Umweltausschuss prüfe derzeit entsprechende Vorschläge. Sein Fraktionskollege Karl-Heinz Florenz warf der Industrie Versäumnisse vor. Vor allem die großen Hersteller Osram und Philips hätten sich jahrelang gegen das Verbot gestellt, anstatt rechtzeitig attraktive Alternativen zu entwickeln. Solange eine herkömmliche Glühbirne nur fünf Prozent der Energie in Licht umwandle und den Rest als Wärme verpuffen lasse, gebe es keine Alternative zu dem Verbot.

Brüssel hält an Verbot fest
Ungeachtet dieser Warnung und der Kritik von den EU-Parlamentariern hält die EU-Kommission an dem Verbot für klassische Glühbirnen fest. "Es gibt kein Vorhaben der Kommission, die Gesetzgebung zu ändern", sagte die Sprecherin von EU-Energiekommissar Günther Oettinger am Mittwoch in Brüssel. "Unsere Wissenschaftler sagen, es gibt kein Risiko."

Herkömmliche Glühbirnen mit 100 und 75 Watt dürfen in der EU nicht mehr verkauft werden, da sie als Energiefresser gelten. Ab September kommenden Jahres dürfen auch die am meisten verbreiteten 60-Watt-Birnen nicht mehr neu in Verkehr gebracht werden.

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.

Kostenlose Spiele