Autoritäres Regime

Dutzende Tote bei Aufruhr in Tunesien – Kritik an Präsident

Ausland
11.01.2011 16:46
Die schweren sozialen Unruhen in Tunesien haben offenbar deutlich mehr Todesopfer gefordert, als von dem autoritären Regime von Staatschef Zine el Abidine Ben Ali zugegeben. Beobachter gehen mittlerweile von bis zu 70 Toten aus. Als Ursache der schlimmsten Aufstände seit Mitte der 80er-Jahre gelten die hohe Arbeitslosigkeit und ein Gefühl der Perspektivlosigkeit in weiten Teilen der Bevölkerung, die Ben Ali die Schuld dafür geben. Der seit bereits 23 Jahren mit harter Hand regierende Präsident wird schon lange mit schweren Vorwürfen konfrontiert.

Das tunesische Regime hatte am Wochenende zunächst von 14 Toten gesprochen. Allein in der Stadt Kasserine im Mittelwesten des Landes seien aber seither mehr als 50 Menschen getötet worden, sagte der Gewerkschafter Sadok Mahmoudi unter Berufung auf Krankenhausmitarbeiter. "In Kasserine herrscht Chaos." Demnach würden Häuser und Geschäfte geplündert, die Polizei habe sich zurückgezogen, auf den Dächern lauerten Heckenschützen. Eine andere Quelle sprach unter Berufung auf einen Arzt und drei Krankenschwestern des Krankenhauses von Kasserine von 68 Toten. Die Opfer sollen von Heckenschützen und Sicherheitskräften erschossen worden sein.

Die Proteste gegen die hohe Arbeitslosigkeit in dem nordafrikanischen Land hatten begonnen, nachdem sich ein junger arbeitsloser Akademiker vor Weihnachten selbst angezündet hatte. Am Montag tötete sich dann ein weiterer arbeitsloser Universitätsabsolvent in einem Dorf in der Region Sidi Bouzid, wie Augenzeugen mitteilten. Der 23-Jährige sei auf einen Strommast geklettert und habe seinem Leben mit Stromschlägen ein Ende gesetzt. Schulen und Universitäten wurden daraufhin aus Sicherheitsgründen geschlossen.

Scharfe Kritik von Menschenrechtlern an Ben Ali
Der seit fast einem Vierteljahrhundert herrschende Staatschef Ben Ali stellte am Montagabend 300.000 neue Jobs in Aussicht. Die Opposition wirft der Regierung vor, die Armee gegen Demonstranten einzusetzen und dadurch zur Eskalation beizutragen. Ahmed Nejib Chebbi von der oppositionellen Demokratischen Fortschrittspartei (PDP) rief Präsident Ben Ali auf, umgehend den Einsatz von Waffengewalt zu beenden und das Demonstrationsrecht der Bürger zu respektieren. Auch die regimetreue Demokratische Union warf den Sicherheitskräften Übergriffe vor.

Menschenrechtsorganisationen bemängeln seit Jahren Einschnitte bei Presse- und Meinungsfreiheit sowie Repressalien gegen Oppositionelle und starke staatliche Überwachung. Die Rede ist von Folter politischer Gefangener und fortgesetzter Isolationshaft. Unter dem Vorwand des Anti-Terror-Kampfs gegen islamistische Gruppen habe die Repression zum Teil sogar noch zugenommen, auch wenn Ben Ali von der Notwendigkeit spreche, "den demokratischen Prozess auszubauen".

Präsident genießt Bonus bei westlichen Demokratien
Tunesiens starker Mann bestreitet die Vorwürfe und erklärt, in Sachen Demokratisierung folge Tunesien seinem "eigenen Rhythmus" und habe "von niemandem eine Lektion erteilt zu bekommen". Als "Wall gegen den Islamismus" genießt die Ben-Ali-Regierung einen gewissen Bonus bei westlichen Demokratien - auch wegen wirtschaftlicher Erfolge und wegen der Millionen Touristen, die das Land jedes Jahr aufsuchen. Nun werden international Forderungen an Ben Ali lauter, endlich mehr für Demokratie und Menschenrechte zu tun.

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