"Business Insider":

“Deutschland größte Bedrohung für EU-Wirtschaft”

Ausland
29.03.2015 19:00
Deutschland ist inmitten der anhaltenden Schuldenkrise die wirtschaftlich stärkste Macht Europas. Doch während die Wirtschaftsentwicklung bei den Deutschen für gute Laune sorgt, lässt sie anderswo Befürchtungen wachsen. So hat jetzt der britische "Business Insider" mit einer bedrohlichen Schlussfolgerung aufhorchen lassen: Weil es Deutschland so gut gehe, sei es eine Bedrohung für den Rest Europas. "Das größte Risiko für die wirtschaftliche Erholung Europas ist die Regierung Angela Merkels", so das Magazin.

Während Europas Wirtschaft mit den Krisen in Griechenland und der Ukraine zu kämpfen hat, entwickelt sich die Wirtschaft Deutschlands hervorragend. Bei den deutschen Verbrauchern sitzt das Geld angesichts niedriger Inflation und spürbarer Lohnerhöhungen derzeit jedenfalls locker. Das Marktforschungsinstitut GfK berichtete zuletzt, die Verbraucherstimmung in Deutschland sei so gut wie seit 2001 nicht mehr.

Der "Business Insider" zieht daraus allerdings die brisante Schlussfolgerung, dass Deutschland unter der Regierung von Bundeskanzlerin Angela Merkel zu einer Bedrohung für den Aufschwung Europas geworden ist. Als Begründung führt das Magazin an, dass sich die Volkswirtschaften Europas stark auseinanderentwickelten.

Staatsanleihen kein Indikator für Wirtschaftsleistung mehr
Die unterschiedliche Wirtschaftsleistung der EU-Länder habe man demnach bislang am ehesten aus den Zinsen für Staatsanleihen ablesen können. Das jüngst verkündete Anleihen-Kaufprogramm der Europäischen Zentralbank - sie will zusammen mit den nationalen Notenbanken bis voraussichtlich September 2016 Wertpapiere von rund 60 Milliarden Euro pro Monat kaufen - drückt die Anleihe-Renditen allerdings europaweit erheblich nach unten, weshalb dieser Indikator laut dem Bericht nun nicht mehr aussagekräftig sei.

Die Unterschiede bei der Wirtschaftsleistung der EU-Länder könnten deshalb heute eher an den Arbeitslosenraten als an den Zinsen für Staatsanleihen festgemacht werden, so der "Business Insider". Hohe Arbeitslosigkeit bedeute demnach, dass eine Volkswirtschaft die Möglichkeit hat, schnell zu wachsen, "ohne dass die Inflation ein beunruhigendes Niveau erreicht". Während dies etwa auf Spanien oder Griechenland zutreffe, gelte für Deutschland - und auch Österreich - hingegen: Niedrige Arbeitslosigkeit deutet darauf hin, dass eine Volkswirtschaft ihr Potential bald ausgeschöpft hat und ein höheres Wachstum die Preise wohl nach oben treiben würde. Dies sei ein Problem für Europa, so das Magazin.

In Deutschland und Österreich bewege sich die Arbeitslosigkeit auf einem Niveau (von den Ökonomen gerne als "natürliche Quote" bezeichnet), bei dem ein weiteres Sinken der Arbeitslosenrate höchstwahrscheinlich auf ein höheres Lohnwachstum und steigende Preise hinauslaufen würde. Im Gegensatz dazu liege die Arbeitslosenrate in Spanien und Griechenland bei über 20 Prozent - ein außergewöhnlich hohes Niveau. Eine Steigerung des Wachstums würde unter diesen Vorzeichen sehr wenig Einfluss auf die Durchschnittslöhne haben, schreibt das Magazin.

Deutschland müsste Inflation zulassen
Das Problem, so die weitere Schlussfolgerung, sei die Zinspolitik der EZB. Eigentlich müssten Länder mit derart unterschiedlichen Wirtschaftsleistungen komplett unterschiedliche Zinssätze festlegen. Stattdessen gibt die EZB einen Einheitszins vor. Die Folge: "Die Zinspolitik ist zu eng für die schwachen und zu locker für die starken Volkswirtschaften." Der "Business Insider" sieht deshalb die Wirtschaftsmacht Deutschland am Zug, die Inflation zulassen müsste, um das europaweite Ungleichgewicht aufzubrechen.

Allerdings sei dies angesichts der "historischen Angst der Deutschen vor der Inflation" ein "extrem unwahrscheinliches" Szenario, heißt es in dem Bericht weiter. Unwahrscheinlich auch deshalb, weil der deutsche Staat 2014 das dritte Jahr in Folge schwarze Zahlen schreiben konnte und die dafür verantwortliche konservative Politik auch weiter fortsetzen dürfte, berichtet der "Business Insider". Zudem verzeichnete Deutschland 2014 auch einen Exportüberschuss in Rekordhöhe von 216,9 Milliarden Euro.

Deutsche Überschüsse gefährden weltweite Finanzstabilität
Dieser Überschuss entspricht etwa 7,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Die EU-Kommission stuft Werte von dauerhaft mehr als sechs Prozent als stabilitätsgefährdend ein. Da Deutschland seit Jahren über dieser Grenze liegt und dies nach Prognose großer Forschungsinstitute auch in den kommenden Jahren so bleiben dürfte, wurde die deutsche Regierung bereits von Brüssel gerügt. Auch das US-Finanzministerium prangerte die Überschüsse wiederholt als Risiko für die weltweite Finanzstabilität an, da Länder mit hohen Überschüssen solchen gegenüberstehen, die ihre Importe über Schulden finanzieren müssen.

Neue Immobilienblase droht
Da sich mit Staatsanleihen derzeit aufgrund dieser Überschuss-Politik der deutschen Regierung und der Niedrigzinspolitik der EZB kaum noch Geld mehr verdienen lasse, würden die Anleger in Europa nun nach anderen Investments suchen, etwa Immobilien, warnt der "Business Insider". Ähnliches sei Ende der 1990er-Jahre in den USA unter Präsident Bill Clinton geschehen - mit den bekannten desaströsen Folgen in Form der Immobilienblase, die in einer weltweiten Finanzkrise mündete.

Dem Magazin zufolge sei es zwar unwahrscheinlich, "dass wir in Europa genau dasselbe Szenario sehen werden", es deute jedoch einiges darauf hin, dass sich in Deutschland eine Immobilienblase entwickle. Und je mehr Geld die EZB in Staatsanleihen pumpe, desto größer werde diese Gefahr. Fazit des Magazins: Ohne einer konkreten Strategie, dieser Entwicklung entgegenzuwirken, bleibe die Merkel-Regierung in Deutschland die größte Bedrohung für die Erholung der europäischen Wirtschaft.

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