Nächster Rücktritt

Abhör-Causa im ORF: PR-Chef Strobl nimmt den Hut

Österreich
19.11.2010 12:26
Die Abgangswelle im ORF geht weiter: Nach dem Rauswurf von ORF-Info-Chef Elmar Oberhauser und dem Austritt der kompletten "Universum"-Redaktion des Staatsfunks hat jetzt auch Kommunikationschef Pius Strobl den Hut genommen. Hintergrund des Rücktritts ist die Abhör-Causa bei der Stiftungsratssitzung zur Oberhauser-Abwahl. Bei einer Pressekonferenz am Küniglberg meinte Strobl am Freitag, er scheide "mit sofortiger Wirkung" aus dem ORF aus.

Wenige Tage nach der Stiftungsratssitzung gingen diese Woche die Wogen hoch, als bekannt wurde, dass Strobls Mitarbeiter die informellen Gespräche von ORF-Führungsmitgliedern mit den versammelten Medienjournalisten mitgeschnitten hatten - laut Angaben des PR-Chefs, um "O-Töne der Direktoren" zu sammeln.

Beschwichtigungen und Entschuldigung
Zunächst sah es nicht so aus, als hätte die Aktion berufliche Konsequenzen für Strobl. Am Donnerstag hatte nämlich ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz noch betont, dass die versteckte Aufnahme von Journalisten- und Direktorengesprächen am Rande der Sitzung des obersten ORF-Gremiums zwar ein Fehler gewesen sei, es aber "definitiv keine Abhöraktion" gegeben habe.

Strobl selbst hatte sich für die Aktion auch vor mehreren Tagen entschuldigt. "Ich habe einen Fehler gemacht. In der Fülle der Entscheidungen kann das passieren", sagte Strobl. Diesen habe er "sofort korrigiert". Kurze Zeit später erstattete aber FPÖ-Stiftungsrat Norbert Steger Anzeige gegen Strobl und stellte den Verdacht in den Raum, dieser habe auch den Stiftungsratssaal abhören lassen. Heftige Kritik gab es von ORF- und Medienjournalisten, Vizekanzler Pröll sprach von einem "Führungsvakuum der Sonderklasse".

Strobl: "Ich habe einen Elfmeter aufgelegt"
Strobl äußerte sich am Freitag bei der Pressekonferenz durchaus kritisch und ortet eine "gut orchestrierte Kampagne" gegen ihn: Die Mitschnitt-Causa sei "für manche eine gute Gelegenheit" zur Abrechnung mit ihm gewesen. "Ich habe leider für die, die unbedingt abdrücken wollten, einen Elfmeter aufgelegt." Gleichzeitig stellte Strobl klar, er trete nicht wegen der Abhör-Causa zurück, für die habe er sich nämlich bereits entschuldigt.

Geärgert hat Strobl indes, dass seit dem Vorfall am 11. November, kein Direktor mit ihm geredet oder sich direkt bei ihm beschwert habe, ebenso kein Landesdirektor, kein Betriebsrat, keine Redakteurssprecher, keine Redakteure, von denen allen zuletzt Kritik an seiner Person kam. "Niemand hat mich gefragt, wie war das eigentlich, was sagst du dazu. Das ist für mich eine stillose und menschenverachtende Vorgangsweise, so dass es mir nicht mehr möglich wäre, mit manchen der Beteiligten vorurteilslos zusammenzuarbeiten."

Strobl erklärte, dass er inzwischen auch zwei Job-Angebote habe, es müsse sich also niemand Sorgen um seine Existenz machen. Er werde nun ein paar Tage Urlaub nehmen, um Abstand zu gewinnen, danach werde er mit dem ORF-Personalchef seinen Vertrag auflösen. "Ich bin demütig, ich bin dankbar, aber jetzt gehe ich."

Wrabetz "hätte keinen Grund gesehen"
Wrabetz zeigte sich am Freitag enttäuscht über den Rücktritt, er bedauere den Abgang seines Kommunikationschefs, meinte der ORF-Generaldirektor nach Strobls Pressekonferenz. "Strobl hat mich informiert, dass er in dieser aufgeheizten Situation keine Möglichkeit sieht, seine Tätigkeit fortzusetzen", so Wrabetz. Er habe diesen Entschluss akzeptiert und "großen Respekt" für diesen Schritt.

Dass ein Pressesprecher eines "solchen Unternehmens, das immer wieder in der Kritik steht", exponiert ist, sei klar, so Wrabetz. Strobl habe die "Leistungen des ORF aber auch bei Gegenwind immer gut vertreten", so der ORF-Chef. Er habe die Causa am Donnerstag mehrere Stunden mit Strobl besprochen. "Ich habe selbst keinen Grund für weitere Schritte gesehen", erklärte Wrabetz erneut. Strobl hinterlasse eine gut geführte Abteilung.

Seit 20 Jahren in ORF-Funktionen
Pius Strobl wurde am 28. Juni 1956 in Mattersburg im Burgenland geboren. Zunächst SPÖ-Funktionär war Strobl 1986 Gründungsmitglied der Grünen, wo er vom Pressechef bis zum Bundesgeschäftsführer aufstieg. 1996 machte er sich mit einer PR-Agentur selbstständig.

Von 1989 bis 1998 war Strobl für die Grünen im damaligen ORF-Kuratorium. 1990 machte seine Stimmenthaltung die Wahl des bürgerlichen Gerd Bachers zum ORF-Chef möglich. 1994 lieferte eine wichtige Stimme für die Wahl von Gerhard Zeiler, 1998 machte er sich für Gerhard Weis stark. Ab 2004 war Strobl neuerlich auf einem Grünen Mandat im ORF-Stiftungsrat. Bei der jüngsten ORF-Wahl (Stichwort: "Regenbogenkoalition") unterstützte er Alexander Wrabetz und wurde als Dank mit einem Posten in der Führungsetage, dem des Kommunikations- und Marketingchefs, belohnt. Von Medien-Reportern erhielt er einst den Spitznamen "Grüne Mamba".

Übrigens: Ähnlich wie bei Oberhauser, dessen Abfertigungs-Ansprüche mit bis zu einer Million beziffert werden, wird dem Vernehmen nach auch dem Kommunikationschef der - im Unterschied zu Oberhauser freiwillige - Abgang finanziell versüßt. Eine offizielle Stellungnahme dazu gab es am Freitag allerdings nicht.

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