Trauriger Jahrestag

10 Jahre Krieg in Afghanistan: US-Fiasko ohne Ende

Ausland
04.10.2011 10:05
Mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 hat für die USA das neue Zeitalter des Krieges begonnen. Präsident George W. Bush machte schnell das von radikal-islamischen Taliban beherrschte Afghanistan als Basis der "barbarischen Kriminellen" aus und schickte nur vier Wochen nach den Anschlägen seine Armee an den Hindukusch. Die Truppen wurden von der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung freudig begrüßt. Ein Jahrzehnt später sind die Hoffnungen auf allen Seiten enttäuscht worden - und für die USA ist der Krieg nur noch ein Albtraum.

Bush startete die Operation "Dauerhafte Freiheit" (Enduring Freedom) 2001 mit den Worten: "Wir werden nicht wanken, wir werden nicht müde werden, wir werden nicht zaudern, und wir werden nicht versagen." Dies versprach er am 7. Oktober seinem Volk in einer Fernsehansprache. Die Sender meldeten euphorisch: "America strikes back" (Amerika schlägt zurück).

Höchst blauäugig in Mission gegangen
Die Afghanen glaubten den Versprechen des Westens, dem geschundenen Land Frieden, Sicherheit und Wohlstand zu bringen. Die US-geführten Truppensteller-Nationen gingen jedoch höchst blauäugig und mit weit überhöhten Erwartungen in die Mission - und von einem kurzen Einsatz aus. Nun, zehn Jahre später, scheint der Krieg für die USA ein endloser Albtraum zu sein.

Als einer der größten Fehler der Afghanistan-Mission gilt der Irak-Krieg, der Ressourcen band, die in dem Land am Hindukusch fehlten. Dabei hätte Afghanistan von Experten in den ersten Jahren noch relativ leicht stabilisiert werden können. Stattdessen schaute die Staatengemeinschaft hilflos zu, wie sich die Taliban nach dem Sturz ihres Regimes in Pakistan neu formierten. Zwei Jahre nach Beginn des Einsatzes waren in Afghanistan nicht einmal 20.000 ausländische Soldaten im Einsatz. Inzwischen umfasst die Schutztruppe ISAF 130.000 Soldaten - und die Lage ist dennoch nicht unter Kontrolle.

Medien orten "ausweglosen Krieg", "neues Vietnam"
Was für Bush als Rachefeldzug gegen eine "Terroristenfabrik" begann, ist unter seinem Nachfolger Barack Obama zum längsten, teuersten und vielleicht kompliziertesten Konflikt der US-Geschichte geworden. Die Zahl der am Hindukusch gefallenen US-Soldaten beträgt fast 1.800, der zurückliegende August war für die US-Streitkräfte der blutigste seit Beginn des Krieges. Das Magazin "Newsweek" spricht längst von einem "neuen Vietnam", die "New York Times" von einem "ausweglosen Krieg".

Obama will dennoch einen Ausweg gefunden haben: Rund ein Drittel seiner 100.000 Truppen holt er schon bis Sommer 2012 heim, in drei Jahren sei der Kampfeinsatz dann endgültig beendet, kündigt er unablässig an. Kritiker meinen, der Termin solle ihm persönlich helfen: Bilder zurückkehrender Soldaten, die ihren Familien um den Hals fallen, würden ihm im Wahljahr viel Auftrieb geben. Dabei war es der Friedensnobelpreisträger selbst, der die Zahl am Hindukusch kämpfender US-Amerikaner verdreifachte.

Nach wie vor keine Strategie für Zeit nach dem Abzug
Seine "Exit-Strategie" baut Obama vor allem auf die gelungene Liquidierung des Al-Kaida-Anführers Osama Bin Laden im Mai auf. "Wir haben Al Kaida auf einen Pfad zu ihrer Niederlage gebracht", sagte er, als er im Juni seine Abzugspläne für Afghanistan vorstellte. Wie der Wiederaufbau in dem Land nach Ende des Krieges weitergehen soll, ließ er jedoch offen. Dabei sei diese Frage entscheidend, moniert etwa Anthony Cordesman vom Center for Strategic und International Studies in Washington: "Um Hoffnung auf einen richtigen Sieg zu haben, brauchen wir einen Plan für den Übergang."

Gigantische Kriegskosten "komplett auf Pump finanziert"
Mehr Ausbilder für die Sicherheitskräfte in Afghanistan, mehr Experten für Justiz und Verwaltung, neue Schulen und Krankenhäuser kosten Geld. Doch bereits jetzt haben die USA laut der "Washington Post" fast 600 Milliarden Dollar am Hindukusch ausgegeben - und das "komplett auf Pump finanziert". Joseph Stiglitz, Träger des Wirtschaftsnobelpreises, meint dazu: "Die Kosten waren enorm, und unsere Entscheidungen, wie wir sie bezahlten, haben die US-Konjunktur tiefgreifend beschädigt."

Bis 2025 oder 2030 werde es dauern, bis das Land ohne fremde Hilfe überlebensfähig sei, meint Cordesman. Bis dahin müssten die USA für den Aufbau weiter in die Tasche greifen. Gleiches gelte für die Folgekosten des Krieges. Auf bis zu 900 Milliarden Dollar würden sich die Renten und die medizinische Versorgung für Afghanistan-Veteranen in Zukunft in der überschuldeten Staatskasse auftürmen, so Stiglitz. Kosten für die Zinsen auf die Schulden und den Ersatz verschlissener militärischer Ausrüstung sind dabei noch nicht einmal eingerechnet.

US-Wahlkampf im Schatten des Afghanistan-Desasters
So stellte auch Obama klar, dass es nun Zeit sei, sich "auf den Bau unserer Nation hier daheim zu konzentrieren". Selbst die meisten Republikaner verabschiedeten sich mittlerweile aus dem Kreis der Kriegsverfechter. Jeder ihrer aussichtsreichen Bewerber für die Präsidentschaftskandidatur legte sich für einen etwaigen Wahlsieg auf einen schnellen Abzug der Truppen fest. Anders wäre mit dem kriegsmüden Volk der Urnengang im kommenden Jahr wohl kaum zu gewinnen. Doch wer auch immer nach November 2012 im Weißen Haus das Sagen haben wird - Afghanistan wird er noch lange nicht von seiner Agenda streichen können...

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