Vor nicht allzu langer Zeit siechte das Singer/Songwriter-Genre dahin. Wären nicht die großen Alten wie Bob Dylan oder Leonard Cohen unermüdlich unterwegs, um ihre Alltagsbotschaften ohne Pomp und Trara zu zelebrieren, hätte man der klassischen Liedermacher-Welt einen temporären Tod attestieren können. Doch junge Musiker aus aller Welt haben sich von den Helden ihrer Väter inspirieren lassen, die Gitarre in die Hand genommen und ihren Gedanken auf Papier freien Lauf gelassen.
Gefühle und Bewusstsein
Beste Beispiele dafür sind der kosmopolitische Straßenmusiker Passenger, der mittlerweile gen Hip Hop und R&B wandelnde Ed Sheeran oder Englands jugendlicher Blondschopf Tom Odell, dessen Debütalbum "Long Way Down" im letzten Jahr Platz eins der britischen Albumcharts erreichte. Mit dem berühmten Roman von Nick Hornby hatte das Werk übrigens nichts zu tun, wie er im "Krone"-Interview bemerkt. "Es geht um viele Gefühle und Bewusstsein. Etwa, dass du auf einem hohen Gebäude stehst, runterschaust und dir dieser Situation völlig gewahr wirst. Du erlebst so viele Eindrücke, die du erst einmal realisieren musst."
Mit sieben spielte er erstmals Instrumente, mit 13 begann das Kurt-Cobain-Lookalike mit dem Komponieren von eigenen Stücken. Im malerischen britischen Städtchen Brighton tauchte er erstmals in die hiesige Club- und Pub-Szene ein, die ihm schlussendlich zur nötigen Dosis Schroffheit verholfen haben. Für Odell ist das Image nichts und der Song alles - zumindest projiziert er dieses Bild an die Öffentlichkeit. "Hör dir einfach einen Song von Joni Mitchell an", kommt er ins Schwärmen, "je tiefer sie in sich gräbt, umso besser das Ergebnis. Mir geht sogar das noch nicht weit genug, ich würde gerne so tief schürfen wie noch nie jemand zuvor."
Älter als am Taufschein
Das Öffnen der eigenen Seelenwelt ist natürlich mit Risiken verbunden, zu schnell könnte der 23-Jährige seine Privatgeschichten nach außen tragen und dadurch verletzbar werden. Odell ist das egal. "Ich denke, das stimmt, aber dieses Risiko bin ich bereit einzugehen." Der Brite wirkt nicht nur bei seinen Instrumentierungen, sondern auch in seinen Texten und stimmlich älter, als der Taufschein vermuten lässt. "Ich habe mich jung gefühlt, als ich 15 Jahre alt war, das ist längst vorbei", lässt Odell tief blicken, "ich habe mich schon immer in der Musik verloren und die Außenwelt komplett ausgeblendet. Ich brauche für das Verfassen von Songs auch vollste Konzentration - 99 Prozent sind schon zu wenig."
Daraus resultieren Songs wie "Another Love" oder "Grow Old With Me", deren Korpus äußerste Fragilität aufweisen und die am besten in kleine, verrauchte Clubs passen. Etwa im Porgy & Bess, wo Odell schon im November 2013 frenetischen Jubel einheimsen konnte. Im Gegensatz zu vielen seiner Idole benötigt Odell aber keine toxischen Substanzen, um Kreativität zu erlangen. "John Denver war so ein Typ, der Zigaretten und Drogen benötigte, um Songs zu schreiben. Ich muss mich einfach nur allem abkapseln und notfalls in einen dunklen Raum sperren. Ich war bislang noch nicht einmal richtig betrunken, das würde nur meinen Geist vernebeln."
Sympathischer Einzelgänger
Odell ist eben in allen Bereichen alles andere als ein typischer "Twenty-Something". In seiner Musik gibt es viel Platz für melancholische Momente, er plant beim Erscheinen eines Albums bereits das nächste und könnte stundenlang über seine Liebe zu Film und Literatur schwadronieren. "Inspiration erhalte ich aber auch, wenn ich Artikel über Bob Dylan und David Bowie lese oder einfach nur spazieren gehe. Ich bin wohl nicht der perfekte Typ, um Freundschaften zu führen und zu erhalten", fügt der Einzelgänger mit einem verschmitzten Lächeln hinzu.
Bevor er sein bereits in Arbeit befindliches zweites Studioalbum veröffentlicht, wird Odell Mitte August beim Frequency Festival zu Gast sein. Wie seine elegischen Kompositionen auf der großen Freiluft-Bühne in Festival-Atmosphäre ankommen, lässt sich dort in jedem Fall nachprüfen. Karten für das Festival, das vom 14. bis 16. August im St. Pöltner Green Park stattfindet, erhalten Sie unter 01/960 96 999 oder im "Krone"-Ticketshop.
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