Neues Album

Sofa Surfers: Künstlerische Gegenwarts-Elektronik

Musik
21.10.2015 16:47
Obwohl das langjährige Fix-Mitglied Wolfgang Schlögl vor etwa einem Jahr die Band verließ, ist die Wiener Electro-Institution Sofa Surfers so stark und zeitgemäß wie nie zuvor. Mit ihrem brandneuen Album "Scrambles, Anthems And Odysseys" stoßen sie in dystopische Welten vertonter Melancholie vor, und politisieren unterbewusst im Unpolitischen. Beim ausführlichen Gespräch mit der Band gingen wir Bedeutung und Hintergrund des neuen Albums auf den Grund.
(Bild: kmm)

Veränderungen lagen immer schon in der Natur der heimischen Electro-Institution Sofa Surfers, aber die letzte elementare passierte nicht freiwillig. Wolfgang Schlögl, wichtiger Bestandteil seit Anbeginn der Band, entschied sich vor einem Jahr dazu, sich vermehrt anderen Projekten zu widmen und einen Schlussstrich unter das Kapitel Sofa Surfers zu ziehen. "Die Band entwickelt sich ohnehin immer weiter", erklärt Wolfgang Frisch im "Krone"-Gespräch, "egal wer von uns sie verlassen hätte, sie hätte sich dadurch ohnehin in eine völlig neue Richtung geformt." Eine Nachbesetzung kam für die verbliebenen vier Mitglieder nicht in Frage. "Freundschaftlich war sein Abgang natürlich sehr schade, aber wir haben uns entschlossen, als bestehende Truppe weiterzumachen."

Kein Sinn für Eitelkeit
Die fehlende Eitelkeit der Bandmitglieder ist wohl Teil des Erfolgsgeheimnisses der Sofa Surfers. Aktiv und auch bekannt sind sie schon seit Mitte der 90er-Jahre, im Gegensatz zum Trend der aktuellen EDM-Szene war ihnen schnöde Gesichtsprominenz aber schon immer zuwider, wie Markus Kienzl erklärt: "Auf den Techno-Platten von früher waren keine Namen oder Stempel drauf. Das war total befreiend, weil die Musikszene der 80er-Jahre total personenzentriert war. Wir waren bei den Sofa Surfers einfach ein musizierendes Kollektiv, anfangs sogar noch mit angewandten Künstlern an Bord." Michael Holzgruber ergänzt: "Die Anonymisierung war nach dem Starkult in der Musikwelt sehr angenehm. Egal ob du gut ausgesehen hast oder nicht - der Song musste gut sein. Wenn ich mir alte Bandfotos ansehe, bin ich froh, dass wir kaum in der Öffentlichkeit waren. Allein schon der Frisuren wegen", gibt er lachend kund.

Die Musik steht auch auf dem brandneuen Album "Scrambles, Anthems And Odysseys" im Mittelpunkt. Teils eine Rückbesinnung in frühere Zeiten, teils aber auch zeitgemäß und modern wie nie zuvor. Die Sofa Surfers konzentrieren sich anno 2015 vor allem verstärkt auf Elektronik, das "Handgemachte" trat etwas in den Hintergrund. "Im Gegensatz zu früher haben wir die Songs nicht beim gemeinsamen Jammen erschaffen", erläutert Kienzl, "aber die Arbeit war dennoch gleich intensiv. Wenn wir uns mal nicht physisch getroffen haben, haben wir zumindest dreimal täglich telefoniert." Das Ergebnis ist ein Album, das düster, mystisch, teilweise sogar dystopisch ausgefallen ist und in seiner Stimmungslage Hand in Hand mit der momentanen Weltsituation einhergeht.

Experten für eh alles
"Das Album soll nicht politisch sein", weist Holzgruber auf den Inhalt hin, "aber alle tun sich derzeit in den Kanälen der sozialen Medien hervor und wissen offensichtlich, was sein wird. Jeder ist für sich ein Politiker und wenn Fußball gespielt wird, ist jeder Trainer. Oft wäre es vernünftig, einen Weitblick zu bewahren und sich nicht immer blind von den Medien beeinflussen zu lassen. Man sollte schon wissen, wo man seine Expertise hat und wo nicht. Wir sind keine Zukunftsforscher." Die Band bietet dem Hörer auf dem neuen Werk eine Reise an, die allerdings kein bestimmtes Konzept zugrunde liegen hat. Die vielseitigen Themenbereiche in den Texten stammen von Sänger Mani Obeya, der seit mittlerweile zehn Jahren nicht mehr aus der Band wegzudenken ist.

Mit dem Song "Grass Under Your Feet" beginnt das Album noch relativ melancholisch, Songtitel wie "Paranoid Triggerfinger" oder "Most Dangerous Man Alive" leiten mit Fortdauer aber in immer dunklere Gefilde. Obeya, geboren in Nigeria und aufgewachsen in England, prangert dabei das übertriebene Überwachungssystem in London an, singt gegen das Aussterben der Privatsphäre und beschreibt auf eben erwähnten "Most Dangerous Man Alive" direkt Russlands Oberhaupt Wladimir Putin. "Er hat für Menschen wenig übrig, weiß genau, dass er tun kann, was er will und ihn niemand daran hindert - das macht mir Angst. Die furchtbarsten Typen hatten schon immer die größte Anziehungskraft. Denk nur an Hitler zurück." So ganz unpolitisch ist das Album also doch nicht.

Weibliche Familienbande
Dafür aber verstärkt mit zwei interessanten weiblichen Gästen. Zum einen mit der Wiener Rapperin Soulcat E-Phife, die die Band im Zuge der Tour zu ihrem letzten Album "Subluminal" im Wiener WUK kennenlernte und nun als stimmliche Ergänzung zu den kühlen Vocals Obeyas für zwei Songs ins Boot holte, zum anderen Obeyas Tochter Issi Honi, die mit zarten 16 Jahren auf "Woody’s Ballad" eine beeindruckende Talentprobe abgibt. "Die Nummer dreht sich um Beziehungen", erklärt Papa Obeya, "und ihre nette und pure Stimme ist in gewisser Weise sehr unschuldig, was den Song und die Thematik hervorragend unterstützt hat. Eigentlich war der Song fertig, aber uns fehlte das gewisse Etwas. Mit meiner Tochter wurde er komplett."

Perfekt eingefangen wird die musikalische Komponente vom grandiosen und dunklen Cover-Artwork, das vom hier noch unbekannten brasilianischen Künstler Bruno Biazotto angefertigt wurde und vor allem in der großen Vinyl-Version zum Blickfang mutiert. Holzgruber hat den Künstler über eine Crowdfunding-Plattform kennengelernt, dieser gab sich als Sofa-Surfers-Fan zu erkennen und so führte eines zum anderen. "Er startet gerade extrem durch, arbeitet für amerikanische und koreanische Unternehmen und wird wohl ein ganz Großer", ist Holzgruber stolz auf den Fang, "ich bin froh, dass wir ihn am Beginn seiner Karriere getroffen haben, wo wir ihn noch bezahlen können."

Keine Tagespolitik
Auf dem Artwork selbst sieht man die Bandmitglieder, in Kutten gewandet und mit leuchtenden Augen auf einem Boot inmitten einer destruktiven Stadt. Sind hier gar Parallelen zur Flüchtlingsthematik zu erkennen? "Manche sehen das so, aber wir symbolisieren sie nicht", klärt Holzgruber auf, "Das Cover ist eindeutig eine fremde, zukünftige Welt und vielleicht sind auch wir dort einmal die Flüchtlinge?" Flüchten müssen die Sofa Surfers mit ihrem neuen Album keinesfalls, Film-Soundtracks und Nebenprojekte sind derzeit jedenfalls hintangestellt, um sich im nächsten Schritt voll auf die kommenden Livekonzerte konzentrieren zu können.

Zahlreiche Österreich-Termine gibt es bereits. So etwa am 29. Oktober im Wiener WUK, am 30. Oktober im Festspielhaus St. Pölten, am 2. Dezember im Grazer Dom im Berg, am 3. Dezember im Salzburger Rockhouse, am 4. Dezember im Sportpark Kitzbühel oder am 19. Februar im Spielboden Dornbirn. Alle Tourdaten finden Sie unter www.sofasurfers.info - Tickets erhalten Sie unter 01/960 96 999 oder im "Krone"-Ticketshop. Danach geht es nächstes Jahr noch quer durch Europa. Ohne Boot, aber mit einer garantiert starken Liveshow.

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