"Krone"-Interview

Satyricon: “Unsere Songs sind absolute Klassiker”

Musik
02.01.2014 08:00
Es ist selten, dass es eine Black-Metal-Band in die Mainstream-Charts schafft, doch den Norwegern Satyricon gelang dies mit ihrem selbstbetitelten neuen Werk gleich mehrmals, darunter auch in Österreich. Aus diesem Anlass haben wir die beiden Bandköpfe Satyr und Frost zum Gespräch gebeten und über die Geheimnisse ihrer großen Erfolge, Vergleiche mit den Doors und die Krux mit der musikalischen Engstirnigkeit gesprochen.
(Bild: kmm)

"Krone": Satyr, die neuen Songs des aktuellen Albums "Satyricon" passen im Live-Set sehr gut zu den alten. Wie siehst du das, und warst du nervös, nach vier Jahren Pause wieder auf der Bühne zu stehen?
Satyr: Nein, wir machen das schon so lange und proben außerdem sehr viel. Wir sind sehr selbstbewusst und wissen genau, was wir machen und können. Wir wissen natürlich, dass die Leute immer sehr viel von uns erwarten, aber die Wahrheit ist, dass unsere selbst gesetzten Standards höher sind als alle anderen (lacht).

"Krone": Wie war das Feedback auf eure neuen Songs?
Satyr: Hervorragend. Ein Magazin hat eines unserer ersten Konzerte so beschrieben, dass wir die neuen Songs wie alte Klassiker behandeln würden. Wir haben das vor vielen Jahren schon mit "Mother North" und 2006 mit dem Song "K.I.N.G." gemacht. Wir haben den Glauben, dass die neuen Songs von uns die Qualität sehr großer Klassiker haben.
Frost: Glücklicherweise bewegen sich unsere Fans mit uns auf dem gleichen Level. Sie sehen die Songs als absolute Klassiker. Genau so, wie wir das auch machen.

"Krone": Satyricon waren schon immer eine Band, die sich von Album zu Album neu erfunden hat. Wie lang braucht ihr, um nach der Arbeit eines Albums völlig herunterzufahren und euch auf das nächste zu konzentrieren?
Satyr: Für dieses Album länger denn je zuvor. Unser Vorgängerwerk "The Age Of Nero" war sicher das intensivste der älteren Alben und auch der Tourzyklus dazu war sehr aufwendig. Meine Herangehensweise war, "Satyricon" ohne Deadline aufzunehmen. Es war mir wichtig, den Prozess natürlich laufen zu lassen, und nicht von allen Seiten Stress zu bekommen. Ich habe mir auch überlegt, wie die Band Satyricon in Zukunft agieren soll – damit meine ich auch Bereiche außerhalb der Musik. Mit wem werden wir zusammenarbeiten? Wie werden wir zusammenarbeiten?

Als wir ungefähr wussten, wohin wir tendieren würden, haben wir angefangen, die Veränderungen in der Band einzuleiten. Es gibt einen riesengroßen Unterschied zwischen einer Underground-Band wie uns oder einer Multi-Platin-Band wie System Of A Down. Ich habe mal eine interessante Unterhaltung mit deren Gitarristen geführt und er sagte mir, dass du umso weniger Zeit für die Musik selbst hast, je größer und berühmter du wirst.

Das ist für mich der große Unterschied zwischen Studio und Tour. Im Studio arbeite ich so zehn bis zwölf Stunden pro Tag und mache nur kurze Pausen, um mich auf die Musik konzentrieren zu können. Auf Tour habe ich vielleicht zwei Stunden pro Tag Zeit dafür – alles andere hat damit zu tun, ist aber eben nicht direkt Musik. Das einzige, was mich am Unterwegssein reizt, ist das Reisen und Stadtrundgänge, aber das geht sich auf Tour überhaupt nicht aus (lacht). Die vergangene Tour war mit sieben Wochen wieder sehr intensiv und lang für uns. Als führende Band in unserem Genre mit dem ersten Album nach fünf Jahren Abwesenheit kannst du dir vorstellen, dass wir das machen mussten. In Zukunft werden drei Wochen völlig ausreichen. Wir haben eine Spezialshow mit der norwegischen Oper in Oslo gespielt und das war speziell. Das sind die Sachen, die unsere Fans künftig öfter erwarten können. Dort verorten wir uns selbst als Band und solche Shows rechtfertigen auch unsere Existenz.

"Krone": Lange Touren sind also wirklich nicht mehr zu erwarten?
Satyr: Es wäre möglich, wenn wir ein total überwältigendes, völlig irres Konzert spielen würden und das als eine Art ultimatives Erlebnis verbuchen könnten. Gäbe es die Chance, sieben Wochen lang mit der norwegischen Oper zu touren, würde ich nicht nein sagen. Das ist aber leider unrealistisch. Oder wenn eine der allergrößten Metalbands der Welt uns anbieten würde, sieben Wochen lang ihre Shows zu eröffnen – das würden wir auch nicht ablehnen. Wenn es aber um das "normale" Touren geht, wird so eine lange Reise nicht mehr passieren. Touren können immer ihre großen Momente haben – da hatten wir auch bei dieser Tour so einige beieinander. Es ist sehr schön, auf der Bühne einen speziellen Moment zu kreieren, der dir in der Erinnerung bleibt. Aber wenn es vorbei ist, ist es einfach vorbei. Wenn du live auf dem höchsten Level spielst und irgendwas Dummes passiert, ist es einfach versaut.

Im Studio gehst du einen Schritt zurück und machst es richtig, die kreierst einen Moment für die Ewigkeit. Ich mag auch den Arbeitsprozess – es geht nicht immer um das von dir erschaffene, fertige Werk. Ich liebe es, zu proben, zu arrangieren. Ich sehe mich in erster Linie auch nicht als Musiker, sondern als einen Erschaffer. Ich liebe es, zusammen mit meinen Bandkollegen und den Fans magische Momente zu erschaffen – das sage ich nicht so daher, das ist wirklich großartig. Zu den größten Momenten gehört für mich der Zeitpunkt, wo du im Studio sitzt, einen Song völlig fertiggestellt hast und er dort zum allerersten Mal fertig in seiner vollen Wucht aus den Boxen dröhnt.

Das haben wir bei den Aufnahmen für das neue Album einmal mitternachts bei ein paar alten Flaschen Wein aus Seattle gemacht. Der Techniker hat gesagt, dass dieser Klang in der Intensität nur ein einziges Mal zu hören sein wird. Keine CD oder kein digitales File kann diese einzigartige Wucht, die du im Studio mit dem richtigen Equipment erlebst, jemals reproduzieren. Du hörst jedes einzelne Detail und das ist ein magisches Erlebnis. Das ist genau das Gefühl, dem ich als Musiker immer hinterherjage.

"Krone": Ihr beiden arbeitet als einzige Konstanten seit etwas mehr als 20 Jahren zusammen und seid die Achsen der Band. Was ist die Magie eurer Arbeitsbeziehung?
Frost: Es ist eine Art dynamische Magie. Anfangs waren wir beide einfach sehr ambitioniert und von einer Art Geist gelenkt. Wir haben Herz und Seele in die Musik geschmissen und das einfach so weitergezogen. Wir wollten etwas völlig Eigenständiges schaffen. In gewisser Weise funktioniert die Beziehung wohl auch so gut, weil ich sehr begeistert von Satyrs Ideen war. Er war immer der Kopf der Band und hat mich mit seiner Kreativität verblüfft. Im Prinzip ist es hauptsächlich seine Arbeit, aber ich liebe seine Band, seine Musik und all das Herzblut, das er immer dafür geopfert hat.

Über die Jahre gesehen hatten wir natürlich nicht immer die gleiche Vorstellung und ich wollte die Band manchmal in eine andere Richtung lenken. Wir haben uns nicht immer perfekt verstanden, sind aber am Ende stets zusammengekommen. Ich bewundere noch immer seine genialen Fähigkeiten, die sich in den Songs niederschlagen, und bin stolz, ein Teil davon zu sein. Ich lasse mich auch gerne vom "Satyricon-Spirit" leiten – auch wenn es mich zwischendurch mal nervt, will ich immer ein Teil davon sein. Im Großen und Ganzen ist Satyricon eine große Band im Black-Metal-Sektor und es gibt nur sehr wenige andere, die ein derart großes Potenzial wie wir haben. Sieh dir nur den Erfolg des neuen Albums an – das ist magisch, es schreibt Geschichte. Wenn du dann eben noch ein Teil davon bist, ist es einfach wunderbar.

"Krone": Du bist bekannt als einer der schnellsten Schlagzeuger der Welt, musstest dein Tempo bei Satyricon ab "Now, Diabolical" aber um einiges reduzieren. War das für dich schwierig?
Frost: Natürlich. Ich habe eine ganz eigene Spielweise, was daran liegt, dass ich das Schlagzeugspielen von Anfang an falsch gelernt habe. Bevor ich überhaupt richtig damit umgehen konnte, habe ich als Autodidakt immer schnell darauf eingedroschen und wollte nur die Musik spielen, die mir gefällt – mich haben die Standardrhythmen überhaupt nicht interessiert. Irgendwann habe ich bemerkt, dass das aber notwendig ist, und musste es quasi nachlernen. Ich musste zugeben, mich verändern zu müssen, damit ich auch weiterhin der richtige Drummer für diese Band bleibe.
Satyr: Oder für jede denkbare andere Band (lacht).
Frost: Unsere neue, langsa ich wieder von vorne beginnen, mich entwickeln und die Basics spät dazulernen. Das war eine große Herausforderung. Dass das alles so gut geklappt hat, geht auch nur deshalb, weil ich dem Projekt Satyricon so viel Wichtigkeit eingeräumt habe.

"Krone": Was ist der Grund, dass Satyricon mittlerweile außerhalb des Black-Metal-Genres an Popularität gewinnt?
Satyr: Ich habe mich selbst immer als Black-Metal-Fan und Satyricon als Black-Metal-Band gesehen. So weit meine musikalischen Erinnerungen zurückgehen, war ich niemals nur exklusiv auf Metal versteift. Ich habe mich immer für gute Musik fernab jedweder Genre-Zuteilung interessiert. Ich bin immer noch derselbe Typ, der damals als Metaller in die Schule ging und dafür jeden Tag geärgert wurde. Es hat mich aber nie getroffen, mir war das immer egal. Wenn ich einen Song aus irgendeinem Genre höre und ihn mag, dann kann ich die Hand aufs Herz legen und aufrecht sagen, dass ich zu diesem Song stehe. Ich habe niemals verstanden, warum man uns als kontroverse Band sieht. Gut, wenn die Leute das brauchen, dann soll es so sein – Logik sehe ich aber nicht dahinter. Ich hoffe, der Grund, warum Satyricon auch auf breiterer Ebene funktioniert, ist die Tatsache, dass wir einfach gute Musik machen.

Ich war etwa zwölf Jahre alt, als meine Eltern mir die Doors zeigten. Diese große Variabilität aus Blues, Rock 'n' Roll, Folk und diesen episch langen Zehn-Minuten-Songs hat mich geprägt. Wie bezeichnest du so eine Band? Wenn du eine Unterhaltung führst, dann nenn sie von mir aus eine Rockband. Ich habe es immer faszinierend gefunden, wie viel Zeit die Leute auf sich nehmen, um eine Band zu kategorisieren. Mir ist doch völlig egal, was genau die Doors sind oder darstellen. Ich mag sie einfach und nur das zählt.

Es ist mir auch völlig egal, ob sie dumme Songs wie "People Are Strange" haben, wo es einfach nur um die nächste Whiskey-Bar geht. Aber sogar dieser Song hat seine Qualitäten und darauf kommt es an. Oder auf die bahnbrechende Atmosphäre, die "Riders Of The Storm" ausstrahlt. Die Doors sind einfach sehr variabel vorgegangen, und das ist auch unser Ziel. Wenn du unsere Songs "K.I.N.G." und "The Infinity Of Time And Space" vergleichst, könnte es unterschiedlicher nicht mehr werden. Es sind für mich aber beides starke Songs. Für manche Menschen ist unsere Musik einfach verwirrend, weil sie einfach nicht wissen, wohin sie diese Klänge jetzt stecken sollen. Manchmal wirken sie richtiggehend frustriert, weil sie einfach nicht auf die Reihe kriegen, unseren Sound in ihre eigenen Nischen zu packen.

"Krone": Die Musikhistorie lehrt uns auch, dass schwer zu kategorisierende Musik oft die bessere war.
Satyr: Ich würde es begrüßen, wenn die Leute so denken würden, aber das ist in der Praxis meist nicht der Fall (lacht).

"Krone": Es ist also durchaus möglich, dass Satyricon noch weiter ausscheren und vielleicht mal ein Prog-Rock-Album veröffentlichen?
Satyr: Ich habe keine Ahnung. Solche Themen kommen mir viel zu früh. Wenn wir uns in einem Albumzyklus befinden, atmen und leben wir diese Arbeit. Ist sie abgeschlossen, wird es Zeit, den Jetztstand zu realisieren und Zukunftspläne zu machen. Wenn wir Songs schreiben, ist das anfangs meist sehr unkoordiniert, aber wir finden dann immer den richtigen Weg, um eine bestimmte Richtung einzuschlagen. Es ist nun einmal niemand da, der uns mit einer erhobenen Fackel den Weg weist. Es liegt an uns, die richtigen Schritte zu setzen.

"Krone": Bist du stolz darauf, in einer Band zu spielen, die sich so gut wie niemals selbst wiederholt?
Satyr: Mir ist es wichtig in einer Band zu spielen, wo die Plattenfirma beim Verkauf nicht darauf hinweisen muss, mit welchen anderen Combos man uns vergleichen kann. Ich bin fast schon fassungslos darüber, wenn ich auf den CDs die Sticker mit "Für Fans von…" sehe. Was ist das für ein furchtbares Schicksal für eine Band? Das heißt nichts anderes, als dass du nichts Besonderes bist und einfach etwas und jemanden nachmachst.
Frost: Einzigartig zu sein ist der Hauptgrund, der uns vorantreibt. Wir müssen unsere eigenen Ausdrucksformen finden, um unsere Musik zu machen.

"Krone": Würde es euch andererseits nerven, wenn eine andere, jüngere Band mit euch verglichen wird?
Satyr: Das hätte doch nichts mit uns zu tun. Ärgern würde es mich nur, wenn uns jemand mit etwas anderem vergleicht, aber das passiert zum Glück nicht. Sollte die Plattenfirma aber jemals auf die Idee kommen, das so zu handhaben, hätte ich Kontrollfragen vorbereitet. Ich bin sicher, dass sie danach keine Argumente mehr hätten. Wir sind eine Black-Metal-Band, aber ich verstehe einfach nicht, warum Leute uns fragen, warum wir das seien. Würde ich mich mit einer Band unterhalten, ginge es um die Musik. Gehen wir einmal von Metallica aus. Als sie 1991 das schwarze Album machten, lauteten sicher viele Fragen: "Warum habt ihr euren Musikstil so verändert? Ist es noch immer Thrash Metal?"

"Krone": Die Frage ist aber dadurch legitimiert, da viele Fans gerne Kategorisierungen haben.
Satyr: Warum?
Frost: So etwas verstehe ich nur bei Leuten, die noch sehr jung sind und sich erst einmal im Dschungel der Musik zurechtfinden müssen. Sie haben meist gute Erfahrungen mit einer Band und suchen nach Ähnlichem. Wenn du aber älter als 14 bist, solltest du über diesen Tellerrand hinausblicken. Das ist wie beim Wein. Du trinkst eine Flasche, sie schmeckt dir und du suchst den selben. Wenn du ihn nicht findest, einen ähnlichen. Aber so drehst du dich doch immer Kreis und bist in einem sehr eingeschränkten Zirkel unterwegs. Die Leute sollen über Satyricon so reden wie über die Doors – man muss uns nicht allzu leicht kategorisieren können.

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