"Krone"-Interview

Popstar Christina Perri: “Ich bin eine Kämpferin”

Musik
08.03.2014 17:00
Mit "Head Or Heart" veröffentlicht der US-amerikanische Popstar Christina Perri dieser Tage sein zweites Album. Nach dem fulminanten Erfolg ihres Debüts "Lovestrong" lastet auf der 27-Jährigen ordentlich viel Druck. Im "Krone"-Interview gab sich die Wien-Liebhaberin ganz charmant und erzählte von durchweinten Nächten, dem "Terminator" und warum sie sich nicht als sexy verkaufen möchte.
(Bild: kmm)

"Krone": Christina, bevor du das Interview gibst, hast du sogar ein ganzes Wochenende in Wien verbracht. Hat es dir hier gefallen?
Christina Perri: Ich liebe die Stadt. Ich war erst einmal hier und da war ich eingedeckt mit Interviews und Radioauftritten. Doch irgendetwas war hier besonders. Ich mag viele Plätze auf der Welt, aber Wien hat – so wie Italien oder auch Berlin – etwas Magisches, das mich anzieht. Ich war in den Museen und am Stephansdom und bin stundenlang durch die Stadt spaziert. Am besten gefallen hat mir das Naturhistorische Museum. Und erst die Architektur – so etwas habe ich in meinem ganzen Leben noch nie zuvor gesehen.

"Krone": Nun erschien dein neues Album "Head Or Heart". Eigentlich wolltest du die Platte ja schon im letzten Jahr veröffentlichen.
Perri: Das wäre grandios gewesen, aber wir waren noch nicht so weit. Ich wollte mich damit nicht stressen, das war eine ganz alleinige Entscheidung von mir selbst. Ich habe ungefähr sieben Monate an dem Album geschrieben und fast genauso lange für die Aufnahme gebraucht. Da muss ich mich auch bei meinem Label bedanken, das mich niemals unter Druck gesetzt hat. Im Prinzip trafen am Ende des Albumprozesses aber elf verschiedene Meinungen aufeinander und das hat mich zeitweise wahnsinnig gestresst. Ich kam an einen Punkt, an dem ich verstanden habe, warum manche Künstler oft aufgeben. Wenn du mit deiner Meinung alleine dastehst und dich gegen alle verteidigen musst, kostet das sehr viel Kraft. Es wäre oft leichter gewesen, einfach ja zu sagen, aber selbst an Tagen, wo ich weinend ins Bett stieg, wäre mir das niemals in den Sinn gekommen. Ich bin eine Kämpferin.

"Krone": Was willst du mit dem Titel "Head Or Heart" aussagen?
Perri: Ich biete damit eigentlich eine Frage an und die leitet über in den ersten Song des Albums, "Trust". Es war der 23. Oktober 2012 und ich hatte so etwas wie eine Erleuchtung. Zu dieser Zeit hatte ich nur einige wenige Songfragmente, war aber unfähig, ein Album zu schreiben. Ich war so in Schock über die vergangenen 27 Monate, dass ich wie paralysiert war. Es gab einen Teil in mir, der das nicht wiederholen wollte, weil das die wirklich verrücktesten 27 Monate meines Lebens waren. Plötzlich war ich aber total inspiriert. Da bin ich an meinem Piano gesessen und habe "Trust" geschrieben. Es ging darin nicht darum, das Vertrauen in andere Leute zu verlieren, sondern das Vertrauen zu mir selbst zu verlieren. Ich habe bemerkt, dass ich immer dann ideenlos und voller Selbstzweifel bin, wenn ich zu viel über etwas nachdenke. Stattdessen sollte ich öfter auf mein Herz hören und beidbeinig in die Herausforderungen hineinspringen, mich von Kopf bis Fuß einer Inspiration hingeben. Aber selbst das funktionierte nicht so gut. Also habe ich darüber geschrieben und den Song "Trust" genannt. Wenig später hatte ich die Idee mit "Head Or Heart" und habe quasi Kopf-Songs und Herz-Songs geschrieben. Ich habe noch immer keine Antwort für meine Probleme gefunden, nehme die Hörer aber auf meine Reise zur Antwortfindung mit.

"Krone": Wenn du dich aber im Leben für gewisse Dinge entscheiden musst – passiert das mit dem Herz oder deinem Kopf?
Perri: Keine Ahnung. Wenn es um Familie, das Leben und meine Freunde geht, entscheide ich aus dem Bauch heraus – das ist meist kein Problem. Schwieriger wird es bei der Liebe. Da bin ich noch nie nach einer derartigen Prämisse vorgegangen und ich kann auch nicht sagen, was ich in der Situation als nächstes tun würde. Ich vertraue irgendwie Herz und Kopf. Momentan bin ich Single und habe auch null Interesse an einer Beziehung. Ich date derzeit mein Album und fliege von Stadt zu Stadt – da bleibt keine Zeit für die Liebe. Momentan bin ich voll und ganz im Job – vielleicht denke ich ja sogar schon an das dritte Album.

"Krone": Das Video zu deiner brandneuen Single "Human" zeigt, wie du dich von einem Roboter zu einem Menschen transformierst. Welche Botschaft steckt dahinter?
Perri: Ich schreibe meine Musikvideos immer selbst und das funktioniert oft sehr unterschiedlich. Beim Video zum Song "Arms", bin ich geflogen, gefallen und ertrunken – das war nicht unbedingt die beste Idee. Dieses Mal bin ich aber überzeugt davon. Ich habe mich mit dem Regisseur über meine Idee und die Umwandlung von Roboter zu Mensch unterhalten. Als wir zwei darüber grübelten kam er drauf, dass die beste Möglichkeit für die physische Umsetzung wäre, für meine Rolle als Roboter alle meine Tattoos verschwinden zu lassen. Das macht mich so authentisch wie nur möglich. Deshalb gibt es am Anfang auch das dunkle, blaulastige Licht im Video. Ich bin kein "Terminator", aber ein kleines bisschen Maschine. Mit leichtem Licht in den Augen etwa. Am Ende wird das Setting wärmer und heller und all meine Tattoos sind nach der Metamorphose zurück. Die Botschaft ist im Prinzip, dass ich so mit mir zufrieden bin, wie ich eben bin.

"Krone": "Be My Forever" hast du zusammen mit Ed Sheeran eingespielt. Wie bist du mit ihm zusammengekommen?
Perri: Getroffen haben wir uns erstmals 2011 bei den Brit-Awards. Wir sind wirklich klassisch zusammengelaufen und dann Freunde geworden. Wir haben eine Art von Beziehung aufgebaut, bei der wir uns immer getroffen haben, wenn wir gerade zufällig in der gleichen Stadt waren. Wir haben uns dann entweder tätowieren lassen oder sind zu Shows oder in Bars gegangen. Ich kann mich noch gut erinnern, als ich den Song im Jänner 2013 geschrieben habe. Ich war so verliebt wie wohl noch nie zuvor in meinem Leben und dachte mir, dass ein so fröhlicher Song gar nicht zum Alben passen würde. Aber Jamie Scott, mit dem ich den Song schrieb, meinte dann nur: "Lass es uns doch probieren." Ich wusste damals nicht so recht, was ich mit dem Song anfangen sollte, da er von Anfang an auf ein Duett ausgerichtet war. Neun Monate später, etwa zu meinem Geburtstag, habe ich den Song mit meinem Produzenten Jake Gosling eingespielt. Er produzierte auch Eds aktuelles Album und somit war er in der Stadt und das Timing perfekt. Wir haben den Song eingespielt und du hörst viele Hintergrundgeräusche und sogar seinen Cousin schreien (lacht). Wir haben diesen Moment einfach eingefangen. Keiner von uns beiden singt im Normalfall derart fröhliche, lebensbejahende Songs. Wir sind also beide sehr stark aus unserer Komfortzone rausgerückt. Mittlerweile gehört "Be Forever" sogar zu meinen Lieblingssongs auf dem Album.

"Krone": Das Album klingt für mich doch relativ ruhig.
Perri: Es sind mehr schnelle Songs darauf, als du wahrscheinlich erwarten würdest. Ich bereue keinesfalls mein Debütalbum "Lovestrong" und die Melancholie, die es versprühte. Damals verwendete ich die Songs, die ich mein ganzes Leben lang geschrieben habe. Dann folgten aber insgesamt neun Touren und schon nach der zweiten hat es mich innerlich so gestresst und ich nahm mir vor, Songs für das nächste Album zu schreiben. Ich habe mich wirklich ausgepowert und wollte das zweite Album anders anlegen. Als ich die Songs für "Head Or Heart" schrieb, hab ich im Kopf immer schon darüber nachgedankt, wie sie auch live umsetzbar wären. Ich habe dann wie ein Löwe darum gekämpft, dass ich meine 13 Songs auf das Album kriege. Die Plattenfirma wollte drei streichen, aber das kam für mich nicht infrage. Das Album ist ja nicht nur so zusammengestellt, dass du es in Ruhe hören kannst, sondern es wird ein immens wichtiger Teil meiner ganzen Show in den nächsten zwei Jahren sein. Das Album klingt einfach ein bisschen größer und wuchtiger. Ich habe so lange daran gearbeitet, bis Musik, Texte, Stimme und Arrangements es wert waren, sie so zu veröffentlichen. Es klingt ein bisschen wie mein Debütalbum, ist aber doch ganz anders. Ich hoffe, dass meinen Fans der Fortschritt gefällt und ich auch neue dazubekomme.

"Krone": Das Cover zur Single "Human" zeigt dich entblößt. Gehst du damit nach dem in Künesfalls. Das ist aber interessant, denn diese Diskussion hatte ich genau ein einziges Mal, und das war, nachdem Miley Cyrus gerade richtig populär wurde. Davor haben wir einfach all die Fotos gemacht, die Kampagne gestartet und das Projekt eben so geführt. Die Songs sind sehr verletzlich und menschlich und die Pose auf dem Foto soll das widerspiegeln. Es hat aber nichts mit Sex oder dergleichen zu tun. Es gibt noch weitere Single-Cover, wo ich mit Farbe bedeckt bin. Das ist einfach Teil des Gesamtkonzepts, das ich kreierte und das als Überthema gilt. Das Albumcover besteht aus zwei verschmelzenden Gesichtern, die mal kalt und mal warm aussehen, um das "Head Or Heart"-Thema wiederzuspiegeln.

"Krone": Fällt es dir nicht schwer, so persönliche und verletzliche Songs vor Publikum zu singen?
Perri: Nein, ich wüsste auch gar nicht, wie ich all diese Themen und Gedanken sonst loswerden sollte. Ich habe auch noch nie einen nicht verletzlichen Text gesungen, weil sich alle Songs mit Themen und auch Problemen meines eigenen Lebens beschäftigen. Mit Ausnahme des Songs für den Film "Twilight", da ich kein Vampir bin – auch wenn ich vielleicht gerne einer wäre (lacht). Aber im Prinzip geht es ja allen Menschen gleich und vielleicht findet sich der eine oder andere in meinen Texten auch wieder. Jedenfalls wüsste ich auch gar nicht, wie ich unpersönliche Songs vortragen sollte.

"Krone": Wenn du schon so stark das Thema menschlich sein ansprichst – ist es nicht schwierig, im oberflächlichen Musikgeschäft menschlich zu bleiben?
Perri: Oh ja, sehr oft sogar (lacht). Mir fällt es oft schon schwer, im normalen Leben ein Mensch zu sein. Bei meinem ersten Album wurde ich von meinem Job als Kellnerin in eine TV-Show geschubst – das ging so schnell, das ich einfach durchmusste und von Mal zu Mal dazulernte. Ich mache das Ganze jetzt bereits zum zweiten Mal und das gibt mir zumindest ein Prozent mehr Sicherheit im Vergleich zu damals. Es ist aber oft verdammt schwer, deine persönliche Meinung durchzusetzen. Es ist sehr wichtig, dass du Leute um dich scharst, die an dich glauben. Am wichtigsten ist es aber, authentisch zu sein. Schau dir Beyoncé, Lady Gaga oder auch Ed Sheeran an – die sind einfach sie selbst. Ich bin sehr zuversichtlich, dass ich meine Authentizität nicht verlieren werde. Ich fürchte mich nicht zu sagen, dass das Geschäft manchmal extrem herausfordernd ist, aber ich bin immer sehr ehrlich und präsent zu allen Leuten um mich herum. Du musst einfach an das glauben, was du machst. Würde ich Zweifel daran hegen, hätte ich schon längst damit aufgehört.

"Krone": Wie bist du eigentlich mit diesem Übernacht-Erfolg deines Debütalbums zurechtgekommen?
Perri: Der Erfolgsschlüssel ist, einfach nicht daran zu denken. Der Lernprozess war schon sehr hart, weil ich das überhaupt nicht gewohnt war. Auf der ersten Tour habe ich fast jeden Tag geweint, aber nicht im Sinne, dass ich jetzt ach so arm wäre, sondern dass mich die Veränderungen und Gefühle einfach überwältigt haben.

"Krone": Du hattest sicher auch stark mit Heimweh zu kämpfen.
Perri: Das ist immer ein großes Thema, weil ich meine Familie so sehr liebe. Es ist einfach ein wunderbares Gefühl, wenn deine Träume wahr werden, aber auch sehr schwierig, diesen Prozess zu verarbeiten. Wenn du an deine Träume denkst, denkst du nicht daran, was passiert und wie sie eintreffen. Bei mir passierte das alles in drei schnellen Jahren. Ich habe etwa Paul McCartney oder Jason Mraz getroffen – innerhalb kürzester Zeit so gut wie alle Leute, die ich immer kennenlernen wollte. Zwischen den erfüllten Träumen und neuen Träumen, die du daraus bildest, gibt es eine Grauzone, in der eben genau das passierte, was ich mir nie zuvor gedacht hatte. Es ging alles so schnell, was auch der Grund war, warum ich die Veränderungen nicht so gut verarbeiten konnte. Auf der anderen Seite darfst du dich und deinen Job auch nicht zu ernst nehmen – es ist doch das Schönste der Welt, Musik zu machen und auf der Bühne zu stehen. Du musst zwischendurch einfach abschalten und genießen.

"Krone": Hast du schon ein erstes Feedback auf "Head Or Heart" bekommen?
Perri: Nicht direkt, aber es fühlt sich gut an. Ich meine, das erste Album habe ich in 34 Tagen eingespielt, das neue in einem Jahr und 87 Tagen – ich habe mir also definitiv mehr Zeit gelassen und finde "Head Or Heart" auch verletzlicher als mein Debüt. Jeder einzelne Ton, jede einzelne Note und Textzeile ist durch meinen Kopf gegangen – ich war an jedem einzelnen Arbeitsschritt beteiligt. Das bringt noch eine zusätzliche emotionale Verbindung zum Album. Manche Leute werden es mögen, manche nicht. Das ist jetzt der Teil, an dem ich dieses Album einfach ziehen lassen muss.

"Krone": Wirst du mit dem neuen Material auch nach Österreich kommen?
Perri: Auf jeden Fall – ich hoffe, dass es sich bis zum Herbst ausgehen wird.

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