Interview

Molden und Der Nino aus Wien machen Austropop

Musik
09.03.2015 19:00
Der Nino aus Wien glaubt nicht an Zufälle. So kommt es nicht von ungefähr, dass der Wiener Folk-Sänger mit Kollege Ernst Molden just jetzt, wo die heimische Musik dank Feuilleton-Lieblingen Wanda und Bilderbuch erneut zum Exportartikel wird, mit "Unser Österreich" eine Austropop-Songsammlung veröffentlicht. Immerhin habe sich "das, was jetzt raus in die Welt schreit, schon lange zusammengebraut".
(Bild: kmm)

Der nun ausgerufene "neue Austropop", weiß der 27-jährige Nino Mandl alias Der Nino aus Wien, "ist nicht von heute auf morgen gekommen, das hat sich langsam aufgebaut". Wollten heimische Bands bis in die Nullerjahre bevorzugt wie englische Bands auftreten, pflichtet ihm der 20 Jahre ältere Molden im gemeinsamen Interview bei, "ist es jetzt wieder leiwand, aus Wien zu sein und auch so zu klingen".

Der Triumph des Dialekts
Das Wienerische sei wieder anerkannt als das, was es ist: "als Pop-Idiom", so Molden. "Wienerisch ist eine weiche Sprache, sie ist sparsam mit den Silben, man kann sie biegen, dehnen und formen. Und sie hat diese Mischung aus charmant, aber auch gefährlich, verwegen." Sogar die Deutschen hätten sie für sich entdeckt, fügt Mandl hinzu: "Die versuchen sogar, Mädchen zu beeindrucken, indem sie den wienerischen Akzent imitieren."

Als der 1967 geborene Molden die Musik für sich entdeckte, waren im Dialekt singende Liedermacher von Wolfgang Ambros über André Heller bis Georg Danzer jene, die "das Popgeschehen absolut dominiert haben". Ambros' Live-Doppelalbum "Auf ana langen, finster'n Stross'n" war für den damals zwölfjährigen Molden die erste Berührung mit Austropop. "Ich habe diese Musiker erlebt, bevor sie peinlich geworden sind", sagt Molden, der selbst zu musizieren anfing, als die Austropopper "schon im Spätwerk angelangt" waren und die Wiener Elektronik dominierte. "Was ich gemacht habe, nämlich mit der Gitarre wienerische Lieder zu singen: Uncooler hat man damals nicht sein können."

Keine großen Hadern
Auf "Unser Österreich" covern Molden und Mandl nun die, die den Weg einst geebnet haben - und rotzen die zwölf Songs von Ambros, Danzer, Heller oder auch Sigi Maron und Ludwig Hirsch bis hin zu Falcos "Nachtflug" und "Ganz Wien" derart zeitgemäß und reduziert instrumentiert hin, dass sich auch die Post-Austropop-Generation daran erfreuen dürfte. Die großen Hadern à la "Da Hofa" oder "Zwickt's mi" werden aber ausgespart, "das macht ja schon der Hans Krankl mit seinem Austropop-Album", schmunzelt Mandl, der als Sänger selbst oft mit Heller verglichen wurde. Verstanden habe er das nicht, "aber ich war schon begeistert vom Werk".

Mit Molden hat er nun "sehr persönliche Lieder" ausgewählt. "Eben nicht nach dem Schema 'Da dichtet einer zu einem Thema und ist damit unterhaltsam'. Sondern die meisten Lieder handeln vom Sänger selbst", sagt Molden. "Das ist uns nah, weil unsere Songs auch so funktionieren." Aus diesem Grund fehlt mit Rainhard Fendrich auch einer der großen Austropopper auf dem Album. "Der Fendrich hat blendend gebaute Songs und war, als ich ihn mit 16 mal live gesehen habe, auch ein sprühender Performer", erläutert Molden. "Aber ich leg' mir zuHause lieber Lieder auf, in denen ich den Sänger erkennen und spirituell umarmen kann. Mit 'Schickeria' oder 'Razzia' kann ich das nicht."

Früh-Entdecker Ambros
Anders sei das etwa bei "Wie wird des weitergehn", einer von zwei Ambros-Songs auf "Unser Österreich". Mit dem Lied über die Depression eines Endzwanzigers habe Wolfgang Ambros "die perfekte Burn-out-Beschreibung abgeliefert, 30 Jahre bevor es das Wort Burn-out gegeben hat, mit allem von der Panikattacke über die Kraftlosigkeit bis hin zur Angst vor den Bäumen vor dem Fenster", so Molden.

Bei einer ähnlichen Erfahrung habe sich der Wiener einst in Ambros' Worten wiedergefunden. "Das macht ein gutes Lied aus, wenn es so viel Wahrheit hat." "Espresso" wiederum drücke authentisch "diese wienerische Art des Zeittotschlagens" aus, in dem es schon Kunststück sei, "aus dieser totalen Leere so viel Poesie herausholen zu können". Habe Ambros "eine Art Song bis zur totalen Perfektion gekonnt", war Danzer für den Liedermacher und Schriftsteller Molden "als Schreibkünstler, als Songwriter noch vielseitiger". Vom Opener "Jo, da foi wiad imma glora" über "Vorstadtcasanova" bis hin zum berühmten "Tschik" ist der mittlerweile verstorbene Danzer als Einziger gleich dreifach am Album vertreten.

Schockeffekte bleiben heute aus
Mit "De spur von dein nokatn fuass im saund" und "Aum spülplotz (schön is des lebn)" finden sich zudem zwei "leise Zwischentönesongs" vom vor allem als lauten, politischen Liedermacher bekannten Sigi Maron auf dem Album. Das Österreich, gegen das Liedermacher wie er damals ansagen, sei aber heute ganz anders als "unser Österreich". "Die haben ja Anfang der 70er losgelegt, da war Österreich total reaktionär, die herrschenden Verhältnisse waren steinern, unlebendig, autoritär, da gab es noch so Post-Nazi-Haltungen", erzählt Molden. "Da waren die rotzigen, dialektsprechenden, sich an amerikanischer Musik orientierenden Wiener Liedermacher eine Gegenkraft dazu." Heute aber könne man "niemandem mehr ernsthaft auf die Nerven gehen oder schockieren", fügt Mandl hinzu. "Damals", meint Molden, "war eben offensichtlicher, wo die Arschlöcher sind."

Auch wenn die nun gecoverten Songs einige Jahrzehnte auf dem Buckel haben, so gebe es im Live-Publikum bei gemeinsamen Auftritten "immer eine Schnittmenge, die das Zeug kennt", meint Molden. "Und wenn man eine Bindung hat zu der Musik, dann hat man eine starke - entweder man findet es total leiwand oder man hasst es." Dass manch einer wie Ambros oder Fendrich heute trotzdem eher belächelt wird, liege daran, dass diese "bequemlich geworden sind", meint Mandl. "Die haben irgendwann den österreichischen bzw. den süddeutschen Plafond erreicht, es sich unter dem Dach gemütlich eingerichtet und dadurch sind sie auch erstarrt", so Molden.

Gefahr des Abbauens
Die Herausforderung für einen Liedermacher, sich stets neu zu erfinden, bestehe heute genauso. "Ich sage nicht, dass ich nicht auch gefährdet bin, so zu enden wie der Ambros oder der Fendrich", sagt Mandl. "Die haben ziemlich abgebaut künstlerisch, aber davor auch tolle Sachen gemacht, die dürfen sich auch zurücklehnen, wenn sie das wollen."

Zurücklehnen werden sich Mandl und Molden nach "Unser Österreich" jedenfalls nicht. Im gemeinsamen Interview sprühen sie bereits vor Ideen für "Volume 2". Neben Ambros' "Sandlerlied"-Komplementärstück zu Danzers "Tschik", "De Kinettn wo i schlof", dürfe auch eine STS-Nummer nicht fehlen. "Und vielleicht überrede ich den Ernst dann auch zu einem Lied vom Fendrich", sagt Mandl. Drei, vier gute Lieder habe der nämlich auch gehabt.

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