Ausverkaufte Show

Milky Chance traumwandelten in der Wiener Arena

Musik
10.03.2014 01:00
Sonntagabend sorgten die deutschen Durchstarter Milky Chance für eine restlos ausverkaufte Wiener Arena. Die interessante und gleichzeitig eigenwillige Mischung aus Rock, Pop, Reggae, Soul und Folk lässt die Kassler aus sämtlichen Schubladen purzeln und konnte auch auf österreichischem Boden überzeugen.
(Bild: kmm)

Das Internet muss nicht immer als Totengräber der Musikindustrie herhalten. Bedient man es geschickt und hat dazu auch noch überdurchschnittlich viel Talent vorzuweisen, kann der Vorstoß zur Generation 2.0 auch ohne Vinyl- oder Polycarbonatprodukte gelingen. So geschehen bei den derzeit wohl populärsten deutschen Newcomern Milky Chance, deren beatlastiger Frühsommersong "Stolen Dance" auf YouTube knapp 16 Millionen Klicks zählt und das Duo Clemens Rehbein (Gesang und Gitarre) und Philipp Dausch (Keyboard und Computer) zum Sprachrohr der Studentengeneration 2013/14 gedeihen ließ.

Weniger ist mehr
Der allererste Wien-Auftritt der Senkrechtstarter sollte zwar nicht frei von Pannen und Überraschungen sein, beweist aber durch Rehbeins Whiskey-getränkte Reibeisenstimme und die bewusste Anti-Mainstream-Haltung in der Instrumentierung, warum man die Kassler wohl noch länger am Radar behalten sollte. So sorgt vor allem die fein nuancierte Klang-Reduktion für eine intime Bühnenatmosphäre. Zwei Mann, drei Instrumente und diffuses, meist gelb oder rot flackerndes Licht reichen, um die ausverkaufte Arena zum Tanzen und Feiern zu bringen.

Zwischen atmosphärischen Kompositionen wie dem Album-Titeltrack "Sadnecessary", "Sweet Sun" und "Feathery" bleiben nur wenige Momente der Hast – Milky Chance sehen sich eindeutig den entspannten Klängen zugewandt und kratzen in ebensolchen ihre größten Stärken hervor. Die einstigen Sporen im Jazz, die sich die beiden Jugendfreunde noch im Pickelalter bei der Band Flown Tones holten, schimmern nur mehr fragmentarisch in den Vordergrund. Mittlerweile sind sie erwachsen, und auch wenn man Sänger Rehbeins Alter von 21 Jahren kaum mit seinen Vocals in Verbindung bringen kann, zeugen die entschlackten Songs von beeindruckender Reife.

Globale Sounds
Als Grundgerüst dient der Reggae - Pop-, Rock-, Soul- und Singer/Songwriter-Einflüsse lassen sich ebenso wenig verleugnen und dienen den wenigen Unbedarften in der Arena als Atlas im musikalischen Großdschungel. In Kategorisierungen können "Flashed Junk Mind" oder das herausragend vorgetragene "Down By The River" auch nicht geordnet werden, denn visualisiert wäre der Sound von Milky Chance eine Mischung aus jamaikanischen Palmen, einem karibischen Sonnenuntergang und Wüstenstaub aus Arizona.

Das vornehmlich junge Publikum kann aufgrund der ansprechend vorgetragenen Variabilität auch über so manchen Fauxpas hinwegsehen. So bricht schon nach den ersten Takten von "Fairytale" der Sound zusammen und die meist unverständlichen, sowie unvollendeten Sätze von Frontmann Rehbein (samt Struwwelpeter-Frisur) zeugen von mangelhafter Bühnenpräsenz und –professionalität. Bei Milky Chance haben ohnehin die Songs das Wort und diese gehören live zum Frischesten und Spannendsten, was die erweiterte Indie-Pop-Szene in den letzten Jahren hervorgebracht hat.

Konstanz ist gefragt
Dass sich sehr viele Fans bislang wohl ausschließlich mit der Hit-Single "Stolen Dance" befasst haben, zeigt die doch eher durchschnittliche Stimmung, die bei den anderen Liedern herrscht. Bevor das große Johlen beim zuvor genannten Top-Hit am Showende losbricht, bekommt ausgerechnet Gastmusiker und Bandfreund Antonio – er entert für drei Songs die Bühne – für sein makelloses Mundharmonikasolo den größten Applaus. Den Nerv der Zeit haben Milky Chance getroffen. Jetzt geht es darum, den Hype zu nutzen und Nachhaltigkeit zu beweisen.

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