"Krone"-Interview

Mauracher: “Kochen ist wie Musik machen”

Musik
11.04.2014 17:00
Nach Jahren des Hin und Her hat der gebürtige Tiroler Hubert Mauracher mit seinem Projekt endgültig die richtige Schiene gefunden - auf dem neuen Album "Let's Communicate" changieren Mauracher mit Electro- und Synthie-Sounds und vermengen darin auch bekömmliches 80er-Jahre-Dancepop-Flair. Im "Krone"-Interview sprechen Hubert Mauracher und die fix etablierte Sängerin Sonia Sawoff über die vielen Tücken und Schwierigkeiten des Musikgeschäfts, warum die Menschen nicht kommunizieren können und weshalb man mit einem Auge auf einen kräftigen Top-Hit schielt.
(Bild: kmm)

"Krone": Seit kurzem ist euer neues Album "Let's Communicate" erhältlich. Ist es das erste, das ihr beide zusammen gemacht habt?
Hubert Mauracher: Es ist zumindest das erste Album, bei dem wir alles von Anfang bis zum Ende gemeinsam gemacht haben.
Sonia Sawoff: Hubert kam bei jedem Song mit einer Idee und einem vorproduzierten Layout, und ich habe dann die Melodien und Texte hinzugefügt.
Mauracher: Im Prinzip ist alles, was instrumental ist, außer der Gitarre, von mir. Die Sonia macht dann die Texte und Gesangsmelodien, und ich baue meine Layouts wieder um ihre Ideen herum.

"Krone": Hubert, du hast Mauracher sehr lange alleine betreut. War es schwer für dich, die Arbeit auf dem neuen Album aufzuteilen?
Mauracher: Mit Sonia überhaupt nicht – das habe ich schon beim Vorgänger "Super Seven" bemerkt. Wir geben einfach beide viel, und das funktioniert im Zusammenspiel hervorragend. Es war sehr einfach, und jeder wusste, wo seine Aufgaben sind und was zu tun ist.
Sawoff: Es ist viel einfacher, wenn man als kompaktes Zweiergespann agiert und nicht auf andere angewiesen ist.

"Krone": Würden noch mehr Leute mitreden, wäre das für Mauracher ungünstig?
Mauracher: Die Erfahrung hat gezeigt, dass dann nur alles komplizierter wird. Nachdem wir beide auch andere Projekte haben, ist es ohnehin immer schwierig, im Zeitplan zu bleiben. Wenn dann noch zwei oder drei Parteien dazukommen, würde mir Musik machen wohl keinen Spaß mehr bereiten. Derzeit ist es perfekt. Die Bandsituation war damals sowohl für mich als auch für die anderen Musiker ungut.
Sawoff: Was aber nicht bedeutet, dass wir live nicht Leute hinzufügen.

"Krone": Du bist früher mit Mauracher öfters zwischen Electro-Sounds und Alternative-Rock hin- und hergesprungen. Was war ausschlaggebend dafür, dass du mit Electro jetzt deine Nische gefunden zu haben scheinst?
Mauracher: Dadurch, dass ich viel am Computer arbeite, mache ich auch synthetische Sounds. So etwas kann nicht nach einer großen Band klingen. Ich wurde aber auch von der Zeit beeinflusst – als ich mehr Alternative-Musik machte, war Synthetik nicht so gefragt. Mir war es immer sehr wichtig, mit der Zeit zu gehen. Mein erstes Album war noch sehr loungig. Beim Grundsound kann ich mir nicht vorstellen, dass sich da etwas verändert, aber ich traue mich nichts in Stein zu meißeln (lacht).

"Krone": Du bist also den Trend von damals mitgegangen?
Mauracher: Wenn dich Musik interessiert, kommst du da gar nicht aus, du wirst automatisch beeinflusst. Ich kenne auch Musiker aus meinem Umfeld, die das nicht mitkriegen, aber bei mir war das nie der Fall. Ich hatte schon Jungle Beats produziert, wo noch keiner wusste, was das überhaupt sein sollte. Im Zillertal, von wo ich komme, gab es nur zwei oder drei Leute, die daran Interesse hatten. Ich bin da wie ein Schwamm – ausprobieren und aufsaugen.

"Krone": Ich finde es gut, dass "Let's Communicate" nicht nach einem österreichischen Album klingt. Woran liegt das?
Mauracher: Das freut mich.
Sawoff: In der Indie-Szene ist Englisch die Hauptsprache, und man merkt bei vielen Bands in Österreich, dass sie nicht so wirklich gut Englisch können. Ich bin in dem Fall aber sicher auch extrem empfindlich. Manchmal höre ich etwas wirklich gut Produziertes, werde dann aber von der Stimme abgeschreckt. Hier geht es aber rein um den sprachlichen Aspekt, und ich will das ganze Thema auch nicht nur darauf reduzieren.
Mauracher: Vielleicht liegt es auch daran, dass wir uns mehr an internationalen Sachen orientieren.
Sawoff: Ich war etwa unlängst in Australien und habe mir angesehen, wie die Indie-Szene dort aussieht. Natürlich bleibt davon was hängen, was bei der Produktion wahrscheinlich miteingeflossen ist. Reisen eröffnet den Horizont (lacht).
Mauracher: Ich will niemanden abstoßen, aber jemand, der wirklich an Musik interessiert ist, tut sich mit Ö3 schwer. Die wahren Musikinteressierten schauen sich in Nischen um – der Mainstream-Typ verlangt, dass es möglichst perfekt klingt. Es soll so sein – mein Ding ist es nicht.

"Krone": Euch würde es aber auch nicht stören, auf Ö3 gespielt zu werden?
Mauracher: Bin ich ohnehin mal kurz mit der einen oder anderen Nummer. Es ist ein komisches Gefühl, aber solange ich mich nicht anpassen muss, freue ich mich natürlich. Es gibt auch in keinem anderen Land so einen Unterschied wie bei uns mit Ö3 oder FM4 – das ist kindisch.

"Krone": Spricht der Titel "Let's Communicate" auf Kommunikationsprobleme zwischen den Menschen an?
Mauracher: Ich habe unlängst erst gelernt, mit mir selbst zu kommunizieren. Außerdem war die Kommunikation mit der Sonia erstmals richtig musikalisch und neu. Den Titel habe ich mal irgendwo gelesen, und er ist mich sofort angesprungen. Ich habe mit Sonia über das Thema geredet, und wir sind draufgekommen, dass Kommunikation in der Menschheit oft fehlschlägt.
Sawoff: Die Facetten sind sehr zahlreich. Da kann es um Menschen gehen – oder auch um Medien. Kommunikation liegt im Wesen des Menschen – es ist das Um und Auf.
Mauracher: Aber niemand lernt es dir – das passiert erst durch die Lebenserfahrung.

"Krone": Wie lernt man denn, mit sich selbst zu kommunizieren?
Mauracher: Ich habe es in Form einer Gesprächstherapie gemacht. Ich wollte meine Altlasten loswerden. Eben Schuldgefühle, dass ich etwa den elterlichen Betrieb nicht übernommen habe – Dinge, die du wie ein Päckchen mitschleppst. Ich musste auch in mich selbst hineinhorchen und habe dabei viel gelernt. Ich denke, das sollten auch andere machen (lacht).

"Krone": Es gibt heute so viele Möglichkeiten, um zu kommunizieren – woran liegt es, dass es den Menschen aber immer schlechter gelingt?
Mauracher: Es hat ja nie richtig gut funktioniert. Ich habe unlängst einen Satz gehört, der einfach stimmt. Der Empfänger bestimmt die Nachricht, nicht der Sender. Ich finde nicht, dass die Menschheit kommunizieren kann. Sonst würde nicht so viel schiefgehen. Kinder lernen anfangs gar nicht sprechen, sondern erst einmal die Körpersprache. Das ist die wichtigste Kommunikation überhaupt, und damit wird angeblich zu 80 Prozent kommuniziert. Ich finde das total spannend. Man kann erst mit drei Jahren reden, und je mehr man dann redet, umso schlimmer wird es. Die eigene Körpersprache kannst du schwer vertuschen, weil du es selbst nicht merkst.

"Krone": Kannst du als Erwachsener also viel von deinem 20 Monate alten Sohn lernen?
Mauracher: Definitiv. Er kommuniziert so ehrlich und direkt, wie es Erwachsene gar nicht mehr können. Entweder haben wir es verlernt, oder wir trauen uns nicht. Schlechte Nachrichten umschreiben wir – ein Kind käme nicht einmal auf die Idee, Ausflüchte zu suchen.

"Krone": Ein Song auf dem Album heißt "Bad Habits" – haben die schlechten Angewohnheiten mit euch selbst zu tun?
Sawoff:(lacht) Es geht um Angewohnheiten von uns, die schwer auszumerzen sind. Warum muss immer der gleiche Streit mit dem Partner sein? Warum kann man das nicht endlich lernen und verbessern? Es ist eine schlechte Angewohnheit, dass man in dem Moment trotzig sein muss. Dennoch mit der Erkenntnis, dass es immer Schlimmeres gibt und man eh nicht so ein schlechter Mensch ist (lacht).
Mauracher: Was mir an der Sonia gefällt ist, dass es sehr produktiv ist, wenn wir uns treffen. Früher hatte ich im Studio mit den Leuten oft nur gequatscht – jetzt geht auch wirklich was weiter. Ursprünglich hatten wir übrigens ich von Musik so ausgehungert, dass ich ein paar Tage lang von 9 Uhr morgens bis 2 Uhr in der Früh Vollgas Musik machte. Es war so viel da, dass wir uns für ein Album entschieden haben. Ich wusste aber, dass Material muss bis zum Jahresende fertig sein, damit wir das Album im Frühling veröffentlichen können – das war schon eine zeitliche Watschen. So einen Stress brauch ich so schnell nicht mehr.
Sawoff: Wir haben das Album über das eigene Label veröffentlicht und mit den Videoproduktionen und den ganzen Deadlines war es doch sehr zeitintensiv bis Weihnachten.

"Krone": Ich finde, dass die Songs von einer gewissen Melancholie durchtränkt sind und wenig Fröhlichkeit vorhanden ist. Wie seht ihr das?
Mauracher: Ich finde das witzig, denn bislang habe ich das Gegenteil gehört. Eine gewisse Melancholie wird bei mir immer bleiben, denn ich bin kein oberflächlicher Mensch. Fröhliche Songs werden sehr schnell mal oberflächlich. Ich kann schon fröhliche Songs schreiben, aber ich brauche auch schwere Klänge.
Sawoff: Ich finde schon, dass Huberts melancholische Klänge zu meiner verträumten Art passen.
Mauracher: Ob "Let's Communicate" melancholischer ist, weiß ich nicht so recht. Ich finde das Album jedenfalls tanzbarer und etwas schneller und aggressiver. Dieses Bedürfnis entstand aber bei den Gigs zum Vorgängeralbum "Super Seven".
Sawoff: Die Stimme und die Texte haben schon etwas Melancholisches. Traurig wäre zu viel gesagt, aber melancholisch trifft das schon ganz gut.

"Krone": Wenn du sagst, du könntest auch fröhliche Lieder komponieren, machst es aber nicht – hast du Angst vor einem unbewussten Après-Ski-Hit?
Mauracher: Ich habe wirklich ein bisschen Angst, weil ich weiß, dass ich das könnte. Ich komme ja aus dem Zillertal (lacht). Wenn mir am Computer etwas zu Fröhliches passiert, ist mir das wirklich zu oberflächlich und ich beginne, es umzuändern.

"Krone": Du kämpfst also gegen einen kommerziellen Hit an?
Mauracher: Super wäre ein Hit, der durch die Masse des Alternativen kommerziell wird (lacht). Ich kann es dir nicht anders beschreiben. Ich mag kommerzielle Lieder, will aber nur nicht verarscht werden. Ich hätte auch gerne eine gute Nummer, die kommerziell erfolgreich ist – das ist ein Ziel von uns. Aber nicht um jeden Preis. Es darf keinesfalls gierig nach Hit klingen, das sind nicht wir.
Sawoff: Da sind wir wohl unterschiedlich, denn für mich kann eine fröhliche Nummer schon gut sein und nicht nur oberflächlich. Man kann mit Text ganz viel brechen. Bei Sawoff Shotgun haben wir das total ausgereizt.
Mauracher: Das ist genau der Punkt. Ich horche zuerst auf die Melodie und allgemein viel zu wenig auf die Texte.

"Krone": Ihr habt für "Let's Communicate" auch eine Crowdfunding-Kampagne gestartet.
Mauracher: Ganz ehrlich funktioniert das nur mit vielen guten Freunden und einer Familie, die dich unterstützt. Der Holzi von den Sofa Surfers hat uns geholfen, als wir schon damit gestartet waren und hatte uns gleich vorgewarnt. Gerade im Musikbereich ist es unglaublich schwer, das hätte ich mir auch nicht gedacht. Ich mag daran nicht, dass es so bettelnd ist. Man darf es nicht so titulieren, dass jemand wie bei iTunes vorbestellt. Der Zugang ist halt komisch. Wir haben unser Ziel erreicht, aber leicht war es wirklich nicht.
Sawoff: Wir haben wirklich einen großen Aufwand betrieben, ein Promovideo gemacht und ständig alles aktualisiert, weil du die Spender/Vorfinanzierer auch am Laufenden halten musst. Wir haben dort Packages und Preise verlost, die man auch mitkalkulieren muss. Das kostet in der Produktion viel Geld.

"Krone": Was war der Hauptpreis?
Mauracher: Das wäre gewesen ein Wohnzimmergig plus ein 3-Gänge-Menü von mir für 15 Leute – ich koche ja beruflich. Dafür hätten wir 2.000 Euro verlangt und das ist natürlich sehr viel Geld. Wir hätten natürlich den Einkauf gemacht und jeder Gewinner hätte ein Merch-Paket gekriegt, aber ich verstehe auch, dass das keiner bezahlt hat.
Sawoff: Stattdessen haben einige einen Flug mit dem Hubert gebucht und mit mir als Stewardess (lacht).

"Krone": Was ist der Grund, dass das Album nur online und auf Vinyl zu erhalten ist, nicht aber auf CD?
Mauracher: Momentan gibt es die Songs digital und via USB-Stick. Vinyl kommt noch, aber die CD rentiert sich nicht. Ich habe selbst aufgehört zu sammeln. Es traut sich keiner, das Medium CD zu begraben. Die meisten kaufen das Material digital oder streamen es. So ist das heute leider. Eine kleine Vinyl-Auflage rentiert sich auf jeden Fall noch für Liebhaber – auch wenn sie teuer zu produzieren ist.

"Krone": Du hast zudem mehrere Jobs, die du unter einen Hut kriegen musst.
Mauracher: Ich arbeite angestellt als Privatkoch 20 Stunden die Woche in einem Ziviltechnikbüro und bin Musiker, Labelbetreiber und Familienvater.

"Krone": Kochst du noch aus Leidenschaft oder weil es nötig ist?
Mauracher: Es ist einfach meine Vergangenheit. Ich mochte es lange nicht, weil ich so tourismusgeschädigt war, aber mittlerweile macht es mir Spaß und es ist einfach, Geld zu verdienen. In Wien hat sich das alles neu entwickelt. Kochen ist bei meinen Familien in Tirol und in Wien ein wichtiges Thema. Es ist im Prinzip nichts anderes als Musikmachen. Du hast deine Zutaten, eben die Instrumente, und schaust, was aus dem Topf raus kommt. Scharf, süß, melancholisch (lacht). Der Job hat mich sehr befreit mit der Musik, weil er mir meine Rechnungen bezahlt. Ich wollte mir auch mal was leisten und einen Pilotenschein machen – das geht nicht nur als Musiker. Mein Ziel ist es nach wie vor, nur Musik zu machen, aber nicht um jeden Preis. Ich kann mir nicht vorstellen, damit aufzuhören.
Sawoff: Ich habe immer Jobs gehabt und vor vier Jahren kam der Zeitpunkt, wo ich beschloss, nur noch Musik zu machen, weil es gut lief. Ich sehe es aber nach wie vor so, dass es immer anders werden kann und man am Boden der Realität bleiben muss. Bei schwindenden Subventionen und geringeren Gagen wird es nicht einfacher. Hubert hat ein Kind, das kostet doch viel Geld – diese Verantwortung habe ich noch nicht. Das Musikerdasein ist kein rosiges.

"Krone": Wie geht es bei euch jetzt weiter?
Mauracher: Wir werden noch einige Shows spielen, aber wir reden jetzt von "Let's Communicate" und nicht schon vom nächsten Album (lacht). Wir sind ja sehr fleißig.
Sawoff: Es kommen vorher sicher noch einige Konzerte rein. Graz, Salzburg und Oberösterreich bei einem Festival werden noch kommen. Wir haben auch Musik für den Kurzfilm "Straight To Rem" gemacht, der am 28. Mai Premiere im Burgkino hat.
Mauracher: Es werden so 15 bis 20 Konzerte werden, so in etwa wie letztes Jahr.

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