"Krone"-Interview

Hurts: “Heute genießen wir die Dekadenz”

Musik
15.10.2015 14:00
Mit ihren beiden ersten Alben "Happiness" und "Exile" feierte das britische Duo Hurts vor allem in Österreich große Erfolge - das neue Studioalbum "Surrender", das wesentlich heller und fröhlicher geraten ist, wird den anderen um nichts nachstehen. Wir haben uns mit Theo Hutchcraft und Adam Anderson getroffen, um über Falco, Egon Schiele, Dekadenz und Manchester zu sprechen.
(Bild: kmm)

"Krone": Theo, Adam - ihr habt eine sehr gute Beziehung zu Österreich und speziell zu Wien. Was blieb euch denn vom letzten Mal besonders in Erinnerung?
Theo Hutchcraft: Wir spielten 2013 im Gasometer und wir haben nur großartige Erinnerungen an die Stadt. Ich war schon mehrmals hier auf Urlaub, weil die Stadt einfach wunderschön und voller guter Eindrücke ist. Ursprünglich kam ich hierher, um die Werke von Egon Schiele zu bestaunen, das war der Hauptgrund für meinen Besuch.

"Krone": Ihr habt vor Jahren auch den Song "Jeanny" von Falco gecovert. Warum hat er einen so großen Einfluss auf eure Musik?
Adam Anderson: Ehrlich gesagt wussten wir nicht so viel von ihm, bevor wir erstmals nach Deutschland und Österreich kamen. Als ich "Jeanny" das erste Mal hörte, war ich total hin und weg. Ich habe wohl noch nie zuvor in meinem Leben einen derart dunklen und sinisteren Song gehört, der trotzdem so ein großer Hit wurde. Für mich ist das bis heute eine der seltsamsten Hit-Singles der Musikgeschichte und als wir gefragt wurden, ein paar Remixes zu machen, war es für uns offensichtlich, dass wir uns den Song von Falco vornehmen. Ich hatte die Nummer im Kopf, als wir für "Exile" unseren Song "The Road" schrieben, der eine ähnlich bedrohliche Stimmung aufweist.

"Krone": Bevor wir zu eurem neuen Album kommen - warum seid ihr denn vor allem in den deutschsprachigen Ländern eurer Meinung nach derart erfolgreich?
Hutchcraft: Deutschland war nicht nur das erste Land außerhalb Englands, in dem wir regelmäßig zu Gast waren, wir haben in Berlin unser allererstes Konzert überhaupt gespielt. Der Grund, warum es auch in anderen Ländern klappt, ist die Loyalität, die zwischen uns und den Fans herrscht. Wir haben so oft in Deutschland gespielt, dass wir uns einfach eine Fanbase aufgebaut haben. Die Hallen wurden von Jahr zu Jahr größer und andererseits liegt das wohl auch an der Ästhetik und Identität unserer Band. Wir öffnen eine melancholische Welt und haben eine sehr dunkle, traurige Stimmung. Ich denke, damit können sich viele Menschen gut identifizieren. Das sind wohl die zwei Hauptgründe.

"Krone": Euer neues Album "Surrender" irritiert mich schon im Titel, denn es gibt doch offensichtlich keinen Grund für euch, aufzugeben oder zu kapitulieren?
Anderson: Die Frage kam natürlich schon öfters, aber ich finde, gerade beim Albumtitel ist es wichtig, ein freches, prägnantes Wort zu haben, das man vielseitig interpretieren kann. Viele Leute lesen etwas Positives heraus, andere sehen eher die negativen Aspekte. Für mich ist das ziemlich aufregend, weil es auch Diskussionen hervorruft. Als Albumtitel sehe ich "Surrender" sehr basisch und auch prägnant. Das war auch der Grund, warum die anderen Alben "Happiness" und "Exile" hießen.

"Krone": Ich mag das Coverartwork. Ihr geht da in euren schwarzen Anzügen durch ein rosarotes Feld - so etwas bleibt natürlich in Erinnerung. Spielt ihr mit dem Farbspiel auf die Koexistenz der positiven und negativen Aspekte des Lebens an?
Anderson: Rückblickend ist das vielleicht schon richtig, aber als wir es machten, sah das gesamte Bild einfach nur großartig aus. Mehr war da ursprünglich nicht dahinter. Wenn du das Bild auf Vinyl siehst, siehst du die gesamte Landschaft. Das Cover sieht sehr jenseitig aus, es verleitet zum Nachdenken.
Hutchcraft: Wir haben dieses Mal deutlich mehr Farben und mehr Lebhaftigkeit verwendet, was auch die Musik auf "Surrender" reflektieren soll. Vielleicht verbinden sich diese Farben und ergeben dann eben auch ein musikalisches Gesamtbild.

"Krone": Seid ihr mittlerweile glücklichere Menschen, da das Album wesentlich positiver und fröhlicher klingt als "Exile"?
Hutchcraft: Wir haben auf jeden Fall gelernt, diese Seite von uns in der Musik auszudrücken. Wie jeder normale Mensch durchleben auch wir eine breite Palette unterschiedlichster Emotionen. Auf "Surrender" wollten wir aber bewusst positiver an die Sache herangehen und dabei eben schauen, ob wir das auch so ausdrücken können. Das war für uns nicht einfach, denn wenn du mit der Musik beginnst, hast du eine gewisse Vorlage, die dich leitet und an die du dich hältst. Daraus auszubrechen war eine softe Herausforderung für uns selbst. Wir zeigen einfach eine neue Seite von uns - so wie eigentlich immer. Wir werden ja auch älter und reifer, das schlägt sich in jedem Album nieder. Was als nächstes kommt? Keine Ahnung, das ist doch aufregend.

"Krone": Adam, du hast gesagt, "Exile" wäre eher ein Album für euch selbst gewesen und "Surrender" jetzt wieder mehr eines für eure Fans.
Anderson: Es ist vielleicht etwas überzeichnet gesagt, aber ich habe für das zweite Album in gewisser Weise nachgegeben. Wir haben damals einfach das gemacht, was wir in dem Moment machen wollten und niemand konnte uns auf diesem Weg auch nur irgendwie beeinflussen. Das war großartig und auch der Grund, warum das Album so extrem mutig klingt, aber ich hatte schnell das Gefühl, dass "Exile" dann doch zu stark nach innen gerichtet war. Vielleicht haben wir uns dabei auch etwas verrannt. Wir waren da einfach zu stark in unserer kleinen Welt gefangen - danach haben wir lange getourt und die Segel breiter gesetzt. Wir haben mehr Einflüsse zugelassen und uns nicht so stark eingeigelt, wodurch "Surrender" einfach breiter ausgefallen ist und wieder etwas fröhlicher klingt.

"Krone": Ihr habt das Album im schweizerischen Montreux, in L.A. und in New York eingespielt und aufgenommen. Wolltet ihr bewusst aus dem kühlen, verregneten Manchester ausbrechen?
Hutchcraft: Wir sind mittlerweile mehr als zehn Jahre gemeinsam in der Band und wollten einfach mal sehen, was passiert, wenn wir hier unsere Komfortzone verlassen. Wir haben endlich mal Musik an Orten aufgenommen, wo die Sonne schien und sich damit auch unsere Grundstimmung verbesserte. Wir wollten uns treiben lassen, hatten aber dann so viel Spaß wie nie zuvor bei einer Albumproduktion. Wenn wir von einem Platz gelangweilt waren, oder uns die Ideen für Songs ausgingen, zogen wir einfach weiter. Das war aufregend und neu für uns und im Endeffekt auch so geplant.

"Krone": Adam, du bist ohnehin nicht der größte Fan eurer Heimatstadt Manchester - in einem Blitzinterview mit einem britischen Videoportal hast du dich schnell für London entschieden bei der Frage, was dir besser gefällt.
Anderson: Daran kann ich mich erinnern. Ich hätte auch gleichzeitig die andere Stadt nennen können, da wurde ich schlichtweg überrumpelt.
Hutchcraft: Wir leben jetzt aber in London. Manchester ist Teil unserer Vergangenheit und London ein Teil unserer Gegenwart und der Zukunft. Manchester ist ein besonderer Platz für uns. Ohne diese Stadt wären wir nicht, was wir sind, würden wir nicht machen, was wir tun und wären die vorherigen Alben wahrscheinlich nicht entstanden. Jetzt ist es interessant zu uns, wenn uns andere Umgebungen inspirieren und weiterbringen. Vielleicht kommen wir auch wieder zurück und machen noch ein Album dort - wer weiß?
Anderson: Ich wollte Manchester damit keinesfalls schlechtmachen, aber das Gefühl der Gegenwart ist einfach stärker als das der Vergangenheit. Eine Momentaufnahme, nicht mehr.

"Krone": Euer Image besteht zu einem großen Teil aus Dekadenz und einer kräftigen Dosis Hedonismus. Ihr kennt aber auch die andere Seite des Geschäfts, denn am Beginn eurer Karriere wart ihr arbeitslos und konntet euch gerade mal so über Wasser halten. Hat euch das in gewisser Weise der Musik und dem Geschäft gegenüber demütig gemacht?
Anderson: Diese Erfahrung hat uns erst erlaubt, die Dekadenz zu genießen. Für viele Jahre kamen wir uns vor wie eingesperrteirma uns einen Vertrag gab und die Welt auf uns aufmerksam wurde. Wir haben die Möglichkeiten dann einfach genutzt und genossen, zwischendurch etwas durchzudrehen und um die ganze Welt zu fahren. Hätten wir die schlechten Zeiten nicht erlebt, könnten wir die guten Zeiten jetzt niemals so genießen.
Hutchcraft: Wir sind immer noch sehr dankbar, dass wir das tun können, worin unser Herz liegt. Musik zu machen ist auch immer noch extrem aufregend für uns, wir lernen auch mit jedem Album immer mehr dazu. Wir sind vor jeder Produktion nervös, weil wir uns neu versuchen und somit alles frisch halten. Wir sind sehr glücklich darüber, dass wir dekadent sein dürfen. (lacht)

"Krone": "Surrender" ist ein sehr vielseitiges Album. Mein Ersteindruck war, dass die erste Hälfte sehr positiv und fröhlich klingt, das Album in der zweiten aber immer dunkler und melancholischer wird.
Anderson: Gut beobachtet, das war auch das Ziel. Das Album startet extrem positiv und wenn du die Deluxe-Version besitzt, die 13 Songs stark ist, dann endet es mit einem der dunkelsten Momente unserer gesamten Bandkarriere. Der Song "Policewoman" hat einen extrem seltsamen, hypnotischen Flow, der das Album ausfadet. Ich glaube, das hat sich beim Zusammenstellen der Tracklist unterbewusst ergeben. Die Reihenfolge ist wirklich sehr interessant, weil wir von sehr positiven Aspekten zu einer melancholischen Stimmung leiten, die Hurts-Fans durchaus bekannt ist.
Hutchcraft: Es ist immer ein Hin- und Herspringen zwischen der hoffnungsvollen und der dunklen Lage. Das spiegelt in gewisser Weise wohl auch meine Persönlichkeit wieder. Auch das erste Album hatte diese Ambivalenz, die Mischung aus Ruhe und Hoffnung. "Surrender" ist einfach eine Weiterführung von Licht und Schatten.

"Krone": "Exile" war ein sehr verschlossenes Album, auf "Surrender" gibt es einfach viel mehr verschiedene Stimmungen. Wie könnt ihr etwa bei Livekonzerten so schnell zwischen diesen extrem unterschiedlichen Stimmungslagen wechseln?
Anderson: Aber wie großartig ist diese Möglichkeit, das Publikum in 90 Minuten auf so viele Ebenen des Lebens mitnehmen zu können? Wir können vier Songs lang nach Nine Inch Nails klingen und die nächsten vier nach einer Disco. Wie viele Bands haben solche Optionen? Aus meiner Perspektive ist das hervorragend.
Hutchcraft: Unser Ziel ist einfach, uns selbst zu pushen, immer weiter zu kommen und dabei auch vielseitiger zu werden. Wenn wir irgendwann einmal zehn Alben veröffentlicht haben, würden wir gerne fünf verschiedene Best-Of-Alben daraus schmieden können, die sich aus den verschiedensten Genres zusammensetzen. (lacht) Wir wissen noch nicht, wie sich das mal alles ausgehen soll, aber Stress haben wir ja keinen.
Anderson: Vielleicht werden wir dann live auch fünf Mal die Kostüme wechseln - wer weiß das schon. (lacht)

"Krone": Auf "Surrender" haben sich viele potenzielle Hits eingeschlichen. Ist das eurer Herangehensweise geschuldet? Sucht ihr nach Hit-Songs beim Komponieren?
Hutchcraft: Wir alle lieben Popsongs und können nicht davor flüchten, dass wir beim Songschreiben schnell in den Pop-Bereich rutschen. Das ist einfach unseren Interessen geschuldet. Wenn wir Songs schreiben, dann messen wir sie auch immer mit anderen von uns. Es gibt keinen Song, den es ein zweites Mal gibt, das ist die oberste Prämisse. Für "Surrender" haben wir versucht, einen guten Popsong zu schreiben und als uns das gelang, wollten wir einen noch besseren erschaffen. Am Ende haben sich wohl ein paar potenzielle Hits eingeschlichen. Gerade auf "Surrender" war das Ziel tatsächlich, möglichst viele 3-Minuten-Popsongs zu erschaffen. Auf "Exile" haben wir uns mehr auf das gesamte Album konzentriert, hier auf die eigenen Songs an sich.

"Krone": Braucht es eigentlich viel Zeit, bis ihr euch beim Songschreiben einig werdet? Bis ihr beide mit den Ideen gleichermaßen zufrieden seid?
Anderson: Manchmal steht ein Song in zehn Minuten, manchmal zieht er sich ewig dahin. Das ist ganz unterschiedlich. Oft starten wir mit einer Idee, werden abgelenkt und fallen total aus dem Rahmen raus, dann ist der Song auch manchmal bar nicht mehr brauchbar. Hier gibt es so viele unterschiedliche Facetten.
Hutchcraft: Wir bringen beide so viel Herzblut und Kreativität in die Sache, dass es eigentlich nie zu strengen Diskussionen oder Stress kommt. Wir sind uns da immer recht schnell einig, unsere Zusammenarbeit funktioniert extrem friedlich.

Am 26. Februar werden Hurts ihr neues Album "Surrender" live im Wiener Gasometer vorstellen. Karten für die Show erhalten Sie unter 01/960 96 999.

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