Neuer Band-Hype

Anonym und antiklerikal: Ghost stürmen die Charts

Musik
26.11.2015 14:46
Ausverkaufte Hallen in den USA und Europa, goldene Schallplatten, hohe Chartplatzierungen - mit den schwedischen Okkult Rockern Ghost sorgt derzeit eine sehr ungewöhnliche Band für Staunen im Musikbusiness. Mit antiklerikalem Konzept und Anonymisierung der Charaktere bedienen sie sich eines alten Tricks, der anno 2015 wieder hervorragend funktioniert. Wir haben mit einem Nameless Ghoul, dem Gitarristen der Band, gesprochen.
(Bild: kmm)

Das Rezept ist einfach und offensichtlich. Man überlege sich ein stringentes, möglichst fortsetzungswürdiges Konzept, recherchiere dafür ausreichend, um es wohlüberlegt und fachkundig darbieten zu können, verstecke sich selbst hinter dem Deckmantel der Anonymität und nutze dazu die Macht der modernen Medien. Kann man dazu noch gut singen, auf eine starke Band bauen und mit spannendem Songwriting aufwarten, dann bekommt man als Ergebnis einen der größten Rock-Hypes der Neuzeit, der sich schlicht und einfach Ghost nennt.

Modernes Geheimnis
Man muss der schwedischen Okkult-Rock-Band dankbar sein, dass sie Mystik und Geheimniskrämerei längst vergangener Zeiten in die medial überkandidelte Gegenwart projiziert. Einen ähnlichen Ansatz wie Slipknot zur Jahrtausendwende verfolgend, soll es in erster Linie um Image, Aura, Konzept und Musik gehen - die Gesichter hinter dem Projekt sind unwichtig. Während sich die US-Metaller aber relativ schnell enttarnten, halten Ghost auch in der Social-Media-Ära dicht. Natürlich, wer sich die Mühe des Google-Recherchierens macht, wird die Identitäten hinter Sänger Papa Emeritus III und den fünf Nameless Ghouls herausfinden, doch gerade in Zeiten der immer und überall verfügbaren Information steckt ein nostalgischer Sehnsuchtsgedanke hinter der Maskierung. Der Fan will oft gar nicht zwingend hinter die Fassade blicken, das könnte schließlich die Magie zerstören - dementsprechend gut ist das Geheimnis bis dato noch gehütet.

Beim Interview vor dem ausverkauften Konzert in der Wiener Arena erhielten wir Audienz bei einem Nameless Ghoul, der sich als Gitarrist der Band zu erkennen gab und das Wesen der Band erklärte. "Wir haben einmal kurz daran gedacht uns zu demaskieren, aber diese Idee verflog schnell wieder. Auf die Masken würden wir auch nicht verzichten, wenn unsere Identitäten bekannt wären, das würde das Konzept zerstören. Ich habe kein Interesse daran, als Person im Rampenlicht zu stehen. Ich bin ein kleiner Junge aus Schweden, der Musik macht - dieser verdammte Personenkult interessiert uns überhaupt nicht."

Ausverkaufte Hallen
Ist es doch gerade "das Dahinter", das zum Erfolg führt - und dieser ist mittlerweile mehr als respektabel. War das 2010 erschienene Debütalbum "Opus Eponymous" noch ein dunkles, von satanischen 70er-Rockbands beeinflusstes Okkult-Rock-Werk, erkannten Ghost schnell, dass sich die Popularität über das Internet verselbstständigte. Das Resultat daraus war der wesentlich eingängigere Nachfolger "Infestissumam" und das diesen Herbst erschienene Drittwerk "Meliora", auf dem Ghost gar die Berührungsangst zum Pop á la ABBA verloren. Das Resultat? Die zweite goldene Schallplatte in Schweden, Top-Chartplatzierungen im gesamten skandinavischen Raum, ein unglaublicher achter Platz in den US-Albumcharts und zahlreiche ausverkaufte Hallen in Amerika und Europa.

Zudem können sich Ghost mit Name-Dropping schmücken. Metallica sind erklärte Fans, ex-Pantera-Sänger Phil Anselmo teilte mit den Schweden die Bühne und Foo-Fighters-Mastermind Dave Grohl produzierte 2013 die EP "If You Have Ghosts" und soll gerüchteweise für einige Shows auch als Drummer fungiert haben. Naturgemäß gibt es dazu von Bandseite keinen Kommentar, die Illusion belebt schließlich Geschäft und Spannung. Die wahre Stärke ziehen Ghost aber ohnehin aus ihren Liveauftritten. Die Band sieht sich selbst irgendwo zwischen einer Theateraufführung und einer Rock-Show angesiedelt - Talare, Kapuzen, eine Mitra, die Totenkopf-Maske von Frontmann Papa Emeritus und der Weihrauch verwandeln ein Ghost-Konzert in eine Art schwarze Messe. "Die Show hat für uns natürlich einen großen Stellenwert, es gibt aber keine vorgefertigten Regeln, wie wir auf der Bühne agieren." Dennoch sticht die genau konzeptionierte Choreografie und das schauspielerische Talent von Papa Emeritus III heraus.

Religion und Horror
Ähnlich wie der kritisierte Vatikan wechseln auch Ghost ihr Oberhaupt in einer gewissen Regelmäßigkeit. "Derzeit singt bei uns Papa Emeritus III - im Prinzip machen wir dasselbe wie der Vatikan. Dort gibt es alle paar Jahre einen neuen Papst, bei uns eben mit jedem Album einen neuen Papa als Sänger." Dennoch geht es der Band weit mehr um das künstlerische Gesamtpaket, als um schnöde Religionskritik, wie der Nameless Ghoul betont: "In unserer Heimat Schweden sind Religion und Kirche ein wichtiger Teil der Regierung, das prägt zusätzlich und natürlich soll die Band unsere Gedankengänge wiederspiegeln, aber wir sind im Grunde alle große Fans von 70er-Jahre-Horrorfilmen und spirituellen Themen."

Gut 40 Jahre nach dem großen Durchbruch von KISS haben Maskerade und Mystik noch immer nichts von ihrer Magie verloren. Inwieweit sich das antiklerikale Konzept noch tragen lässt, kann man nur erahnen. Dass die Band aber keine Angst vor dem großen Durchbruch hat, merkt man nicht nur am großen Selbstvertrauen und der perfektionierten Bühnenshow. "Die Idee hinter Ghost war immer, berühmt zu werden und fokussiert am Erfolg zu arbeiten", erklärt der Nameless Ghoul abschließend, "es gibt bei uns durchaus Pläne in andere Richtung, etwa hingehend zu einem Broadway-Musical, aber mehr gibt es dazu noch nicht zu sagen."

Live in Graz
Bis es soweit ist, gibt es zumindest noch eine Gelegenheit, sich von der Bühnenshow in Österreich vereinnahmen zu lassen. Am 13. Februar spielen Ghost im Grazer Orpheum. Tickets für die Show erhalten Sie unter 01/960 96 999 oder im "Krone"-Ticketshop.

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