"Krone"-Interview

André Rieu: “Vielleicht werde ich Österreicher”

Musik
16.11.2015 17:00
Star-Geiger André Rieu veröffentlichte dieser Tage mit "Arrivederci Roma" ein brandneues Studioalbum und kommt im Mai 2016 für einige ausgewählte Konzerte auch wieder nach Österreich. Wir haben den Holländer in seiner "zweiten Heimat", auf der Piazza della Rotonda in Rom zum ausführlichen Interview getroffen und dabei herausgefunden, dass er auch als Weltreisender ständig Heimweh verspürt, ein großer Pop-Fan ist und sich auch schön langsam nach einer dauerhaften Bleibe in Österreich umsieht...
(Bild: kmm)

"Krone": André, unlängst veröffentlichten Sie Ihr neues Album "Arrivederci Roma". Welche spezielle Beziehung zu Italien haben Sie?
André Rieu: Meine Frau Marjorie und ich kommen seit 15 Jahren immer wieder hierher zum Pantheon in Rom zurück. Zur romantischen Musik passt diese Stadt perfekt dazu.

"Krone": Ihre Frau und Sie feierten heuer den 40. Hochzeitstag.
Rieu: Ja, es ist so wichtig, immer wieder nach Hause zu kommen, wo sie für mich da ist. Dort hole ich mir auch die Kraft, um die Welt zu reisen. Ohne Zuhause wäre ich ganz leer.

"Krone": Hat sich Ihre Frau anfangs schwer daran gewöhnt, dass Sie immer so viel unterwegs sind?
Rieu: Das war anfangs nicht so einfach, aber als die Kinder ausgezogen sind, haben wir zwei Pudel besorgt. Sie sagt immer, ohne die Hunde könnte sie nicht allein sein. Aber natürlich ist es ihr lieber, wenn ich selbst zuhause bin. (lacht)

"Krone": Sie haben eine besondere Affinität zu Italien, haben etwa erst letztes Jahr das Album "Eine Nacht in Venedig" veröffentlicht. Warum gerade dieses Land?
Rieu: Was für eine Frage. (lacht) Die Musik kommt doch aus Italien - natürlich auch aus Österreich, aber Italien ist für mich die Mutter der Musik. Auch die Popmusik von hier ist heute extrem originell und so viele Welthits kommen aus diesem Land. Gewisse Nummern kennt man von Rom bis Lima - das finde ich fantastisch.

"Krone": Italiener sind auch sehr temperamentvoll…
Rieu: Das bin ich ja auch. (lacht) Ich fühle mich hier also durchaus zuhause.

"Krone": Hilft Ihnen dieses Temperament auch, bei schlechten Tagen eine gute Show auf die Bühne zu bringen?
Rieu: Das klingt vielleicht blöd, aber ich habe nie einen schlechten Tag. Wenn, dann nur wenn ich krank bin. Aber auch dann muss man auf die Bühne - die Show muss funktionieren, das Publikum darf nichts merken. Dass ich mal keine Lust habe oder depressiv bin, das gibt es nicht. Es ist schön, dass ich mit meinem Orchester zusammen um die Welt reisen kann.

"Krone": Temperament zeigen Sie auch gerne, wenn Leute zu spät zu Ihrem Konzert kommen. Diese werden dann augenzwinkernd von Ihnen vorgeführt. Wollen Sie da auch ein bisschen erziehen?
Rieu: (lacht) Damit necke ich die Leute gerne ein bisschen, das mögen die Menschen auch. Die Zuspätkommenden sind dann groß im Bild und werden ganz rot. Pünktlichkeit ist für mich einfach unglaublich wichtig. Man kann nicht mit 110 Mann um die Welt reisen, wenn das nicht funktioniert. Okay, hier in Italien kann man das vergessen. (lacht) Aber hier bin ich ja auch nur Gast.

"Krone": Wie schränkt man sich denn auf 16 Lieder ein, wenn das "Land der Musik" so viel zu bieten hat?
Rieu: Mein Herz entscheidet, immer. Für gewöhnlich habe ich 40 Songs zur Auswahl, bevor ich eine CD aufnehme und dann wird das auf natürlichem Wege gekürzt. Das ist natürlich harte Arbeit, aber auch sehr schön. Wir gehen dann mit dem Orchester ins Studio, probieren herum, machen Probeaufnahmen und wenn etwas nicht so funktioniert, wie ich mir das vorgestellt habe, fällt das raus. Der Rest bleibt übrig.

"Krone": Sie haben zwei Familien. Ihre Orchester-Familie, mit der Sie die Bühne teilen, und Ihre richtige. Ist das manchmal schwierig, dass nicht eine zurückstecken muss?
Rieu: Nein, wir haben einen sehr schönen, genauen Rhythmus. Wir touren nur zwei Wochen am Stück, außer wir sind in Australien, weil wir da schon drei Tage verlieren, um überhaupt hinzukommen. Dort sind es meist mehr als drei Wochen. Nach zwei Wochen sind wir normalerweise aber wieder zuhause. Meine Orchestermitglieder haben alle Kinder, sie sollen normal leben können. Ich selber will auch nicht wie ein Zigeuner um die Welt reisen, sondern ein richtiges Leben haben.

"Krone": Auf Ihrem Studiogelände in Maastricht haben Sie ja sogar einen Kindergarten für die Nachkommen Ihrer Orchestermitglieder errichtet.
Rieu: Das ist richtig, ich finde, ich habe die Verantwortung, auch für die Kinder zu sorgen.

"Krone": Interessant ist auch, dass Sie Ihre Homebase immer noch in Ihrem Geburtstort Maastricht haben. Haus und Studio stehen dort. Wenn Ihnen Rom so gut gefällt, warum wollten Sie nie hierherziehen?
Rieu: Weil ich ein scheiß Holländer bin und mein Zuhause liebe. (lacht) Ich habe einen enormen Bezug zu dieser Stadt und spreche dort breiten Dialekt, das ist schön. Ich fühle mich auch hier wohl, bin aber kein Römer. Es ist herrlich hier zu sein, herrlich, um die Welt zu reisen und noch herrlicher, wieder zuhause zu sein. Die Balance macht es aus.

"Krone": Vermissen Sie auf Tour oft Ihr Zuhause?
Rieu: Schon, das Verabschieden von meiner Frau, meinen Kindern und den Enkeln ist immer schwierig, aber sobald ich mit dem Orchester im Bus oder im Flieger sitze, ist alles vergessen.

"Krone": Haben Sie Ihre beiden Söhne in Ihren Beruf eingebaut?
Rieu: Nein, das ging ganz von alleine. Mein älterer Sohn ist Maler und der jüngere ist unser Assistent und arbeitet mit unserem Tourtross. Das hat sich aber so ergeben, ich habe ihn nie gedrängt.

"Krone": Sie haben einmal erwähnt, dass sich Ihr Publikum von Land zu Land unterscheidet. Merken Sie sich das wirklich?
Rieu: Das merke ich sofort. Sie sind überall enthusiastisch, aber mit Unterschieden. In Mexiko sind sie wirklich ganz verrückt, und wenn ich auf die Bühne komme, schreien sie. Die Amerikaner sind eher reserviert und haben eine Haltung á la: "Jetzt zeig uns mal, was du überhaupt kannst." Die Japaner sind zum Beispiel extrem höflich, da dachte ich anfangs das würde nicht funktionieren. Als beim Radetzky-Marsch die Ballons runterkamen, flippten sie aber völlig aus. (lacht)

"Krone": Hatten Sie auch mal ein Publikum, bei dem Sie sich nicht so wohlfühlten?
Rieu: Ich habe immer gesagt, meine Musik funktioniert überall und ich hatte Recht, es ist so.

"Krone": Was ist der Grund dafür?
Rieu: Ich glaube, die Art und Weise wie wir spielen. Wir spielen viele Strauss-Walzer und die sind international. Ich spreche zwischendurch viel, kündige die Nummern an und all das macht wohl viel aus.

"Krone": In Ihrem musikalischen Metier vermischen Sie Jung und Alt. Das kommt sonst kaum vor.
Rieu: Absolut, alle Schichten kommen zu uns. Von der Putzfrau bis zum Professor, vom Kind bis zum Pensionisten. Ich mache aber auch keinen Unterschied zwischen Menschen - wir sind alle gleich.

"Krone": Sie selber sind sehr spät zur Popmusik gekommen. Wie sehen Sie die Popmusik im Vergleich zur klassischen? Nehmen Sie sie gleich ernst?
Rieu: Ich mache da überhaupt keinen Unterschied zwischen den beiden Stilen. Den Unterschied machen die Klassiker. Für mich gibt es nur gute und schlechte Musik. Bruce Springsteen oder Madonna haben fantastische Musik gemacht, andererseits hat auch Bach mal Scheißmusik gemacht. Niemand ist perfekt. Es ist nicht automatisch gut, nur weil es Klassik ist, oder automatisch schlecht, weil es Pop ist. Eine blöde Einstellung.

"Krone": Sie integrieren sehr gerne Popsongs in Ihr Repertoire, etwa Michel Telós Erfolgshit "Ai Se Eu Te Pego".
Rieu: Der Song war in Brasilien ein großer Hit und wir haben ihn ins Programm genommen, da wurden natürlich alle verrückt, als wir ihn spielten. (lacht) Der Popsong muss gut und erfolgreich sein, damit ich ihn spiele. Nur war der richtige Moment, um ihn zu spielen.

"Krone": Inwieweit haben Ihre Orchestermitglieder eigentlich Mitspracherecht? Oder läuft das bei Ihnen diktatorisch ab?
Rieu: Sie haben viel Mitspracherecht, ich konnte das Stück von Teló gar nicht, mein Orchester hat mich darauf aufmerksam gemacht. Sie gaben mir den Tipp und es hat funktioniert. Wenn ich sage, ich finde etwas scheiße obwohl es die anderen mögen, dann machen wir es nicht, aber normalerweise kommt das selten bis nie vor.

"Krone": Freuen Sie mediale Bezeichnungen wie "Maestro der Massen" oder "König des Crossover"? Dass Sie als Wandler von zwei verschiedenen Sphären wahrgenommen werden?
Rieu: Das ist mir eigentlich völlig egal, ich bin ja auch der "Walzerkönig". Ich bin schon etwas stolz auf die Titel, besser als keine zu haben. (lacht) Sie sollen mir einfach an den Kopf kleben was sie wollen - ich spiele einfach weiter. (lacht)

"Krone": Im Mai 2016 kommen Sie wieder nach Graz, Salzburg und Wien. Nachdem ja auch Österreich ein Land der Musik ist - wie unterscheidet es sich von Italien?
Rieu: Hier auf der Piazza della Rotonda in Rom muss ich natürlich sagen, dass Italien das Land der Musik ist. (lacht) Aus Wien kommen auch so viele Legenden, das ist fantastisch. Ich bin extrem gerne in Österreich und das Publikum dort saugt mir alle Noten aus der Geige, das ist schon etwas Besonderes.

"Krone": Gibt es auch sonst Dinge, auf die Sie sich besonders freuen, wenn Sie immer wieder nach Österreich zurückkommen?
Rieu: Ich bin extrem gerne hier, das Land ist unglaublich schön. Meine Frau und ich haben gestern noch darüber geredet, dass wir in einer schönen Gegend in Österreich gerne ein Haus kaufen würden. Wir haben aber so viel zu tun, dass es sinnvoller ist, hier einfach Urlaub zu machen. Aber ein Haus an einem schönen Platz in Österreich wäre schon ein Ideal für mich. Das Land ist wundervoll und die Menschen sind alle sehr nett und freundlich. Vielleicht kommt es noch. Dann werde ich Österreicher. (lacht)

"Krone": Österreich war indirekt auch ein Teil ihrer schwärzesten Karrierestunde, als die Schönbrunn-Bühnenkulisse Sie vor einigen Jahren fast an den Rand des wirtschaftlichen Ruins trieb. Wurden Sie dadurch in gewisser Weise demütiger?
Rieu: Ich habe meiner Frau dann versprochen, so etwas nie mehr zu tun. Das war unglaublich und hat mir so viel Geld gekostet. Andererseits hat das Dilemma so viel weltweite Werbung nach sich gezogen, dass alle Konzerte danach ausverkauft waren. Wenn ich an Schönbrunn denke, dann kommen in mir zweierlei Art von Emotionen hoch. (lacht)

"Krone": Gibt es nach den vielen Erfolgen, Auszeichnungen und Erlebnissen noch Träume oder Illusionen, die Sie sich gerne erfüllen möchten?
Rieu: Ich möchte ganz gerne einfach so weitermachen. Gesund bleiben, Energie haben, auf der ganzen Welt Musik und die Menschen fröhlich machen.

"Krone": Sie sind ja für gewöhnlich nicht der Mensch, der weit vorausplant.
Rieu: Gar nicht, maximal ein Jahr im Voraus. Ansonsten würde ich mich in meiner Freiheit beschnitten fühlen, ich will keinesfalls beengt sein. Die Welt verändert sich laufend, ich will keine zehn Jahre vorplanen. Durch das Internet geht heute alles viel leichter als früher, ich sehe das als großen Vorteil.

"Krone": Sie hätten mit Ihrer Frau immer sehr gerne eine Pizzeria in Italien eröffnet…
Rieu: Das war früher einmal, jetzt bin ich ganz froh, dass ich Musiker bin. (lacht) Vielleicht später noch, aber das ist jetzt natürlich kein Thema.

"Krone": Haben Sie außer Rom eigentlich mehrere Plätze, wo Sie regelmäßig sind, sich besonders wohlfühlen?
Rieu: Wir sind auch einmal pro Jahr im Schwarzwald, auch im Sauerland sind wir oft und natürlich wollen wir jetzt regelmäßig nach Österreich. Das wäre es dann, ansonsten arbeite ich ja überall.

"Krone": Gibt es noch Länder oder Gebiete, wo Sie unbedingt spielen möchten?
Rieu: Oh, da gibt es ganz viele. Wir waren zum Beispiel noch nie in Russland oder der Mongolei. (lacht) Da würde mir noch sehr viel einfallen, die Welt ist groß und wir haben glücklicherweise noch viel Zeit.

Mit seinem Programm "Alles Walzer!" kommt André Rieu 2016 für insgesamt drei Konzerte nach Österreich. Am 20. Mai in die Grazer Stadthalle, am 21. Mai in der Salzburgarena und schließlich am 28. Mai in der Wiener Stadthalle. Tickets erhalten Sie unter 01/960 96 999 oder im "Krone"-Ticketshop.

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