Dabei hatten die Organisatoren doch wirklich alle Register gezogen und für ihre 23 Erlöser einen Ausbund an steriler Hochkultur auf die Beine gestellt. Da stellte DJ Ötzi, der Großmeister der spitzen Feder, mit der Adaptierung seines auch in der Original-Version als Perle der deutschsprachigen Lyrik firmierenden Hits "Ein Stern" Schiller und Goethe auf einmal in den Schatten und trällerte gewohnt beseelt: "Ein Stern, der Jogis Namen trägt." Hammer!
Draxler als Villazon
Und erst die künstlerisch unschätzbar wertvollen, bis ins letzte Detail akkurat ausgeklügelten Einlagen der Spieler selbst. Wie etwa Julian "Rolando Villazon" Draxler "Großkreutz, hol den Döner raus" intonierte oder Chef-Entertainer Thomas Müller mit seinem "Humba Tätere" die Menschen verzückte, dass Kim Jong Un vor Neid erblasste - das war schon ganz fein.
Demütigung
Aber was war der Dank dafür? Eine lächerliche Fünf-Stunden-Sondersendung der ARD? Wollte man Lahm, Müller und Co. für deren Triumph, der zweifelsohne deutlich über der Sicherung des Weltfriedens anzusiedeln ist, wirklich mit dieser Petitesse abspeisen? Dass die TV-Station zur Primetime die haargenau gleichen Bilder noch einmal ausstrahlte, konnte da auch nicht mehr darüber hinwegtrösten, dass die Fußballgötter in ihrer Karriere noch selten so gedemütigt worden waren wie diesmal. Da hatten wir's wieder: Der Prophet ist im eigenen Land eben nix wert.
Jedem seinen A380
Das konnte der DFB freilich keinesfalls auf sich sitzen lassen. "Wir werden die WM-Party wiederholen", posaunte Präsident Wolfgang Niersbach noch am Dienstagabend inbrünstig. Er werde persönlich dafür sorgen, dass die Spieler aus ihren Urlaubsdestinationen abgeholt und noch einmal nach Berlin eingeflogen werden - jeder einzelne mit seinem eigenen Premium-Sky-Golden-Platinum-Super-VIP-A380, versteht sich, der für die Bedürfnisse des jeweils zu transportierenden Weltmeisters eingerichtet oder adaptiert wird. So soll etwa Per Mertesackers Flieger mit Journalisten-Dummys vollgepfercht sein, die er nach Herzenslust abwatschen darf. Kevin Großkreutz dagegen werde in einer fliegenden Döner-Bude nach Berlin transportiert.
Zwölf-Stunden-Flug im Vorprogramm
Diesmal soll die Party aber auch ihrem Namen gerecht werden, forderte Niersbach. Und seine Worte fanden Anklang. Die ARD kündigte bereits an, insgesamt sieben Tage lang durchgehend berichten zu wollen. Ein atemberaubendes Vorprogramm soll die TV-Zuseher auf die Herabkunft ihrer Helden einstimmen. So wird zum Beispiel der Zwölf-Stunden-Nachtflug der Weltmeister-Helden von Rio nach Berlin in voller Länge gezeigt, und zwar aus der Perspektive des schlafenden Lukas Podolski. Zwölf Stunden lang können die Fußballfans also ins weltmeisterliche Schwarz starren - nervenzerfetzend! Die Weltmeisterparty kann kommen. Aber diesmal so richtig!
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