Steuerreform

Sollen wir jetzt dankbar sein, Herr Schelling?

Österreich
14.03.2015 17:00
Der Architekt der Steuerreform, Finanzminister Hans Jörg Schelling, spricht im Interview mit Conny Bischofberger über brenzlige Momente bei den Verhandlungen, das "Finale Furioso", seinen Masterplan sowie über aktuelle Großvaterfreuden und seinen Schnurrbart.

Samstagmittag im ehemaligen Palais Questenberg-Kaunitz in der Wiener Johannesgasse: 18 Stunden nachdem die Regierung "die größte Steuerreform aller Zeiten" (Eigendefinition) verkündet hat, hält der Finanzminister im fürstlichen Ambiente Hof. Er ist bestens gelaunt. So ein Abschluss nach nur sechs Monaten Amtszeit entspricht genau dem Arbeitsstil, den er sich als Manager in der Privatwirtschaft angeeignet hat.

Hier hören Sie drei Audio-Mitschnitte vom "Krone"-Interview: Schelling erzählt einen Witz, Schelling über seine Rolle als Mastermind und Mediatorund über seine Rolle als Troubleshooter.

"Krone": Herr Minister, Sie wirken so zufrieden - als würden Sie die Reform für einen großen Wurf halten. Stimmt der Eindruck?
Hans Jörg Schelling: Dass ich zufrieden wirke, hat folgenden Grund: Ich bin sechs Monate im Amt und wir haben viele Probleme gelöst, eines davon ist die Steuerreform. Ich glaube nicht, dass das jetzt der große Wurf ist, aber es ist der erste Schritt Österreichs zurück an die Spitze. Bereits am Dienstag im Ministerrat werden wir weitere Reformen beschließen. Das hier ist erst der Anfang.

"Krone": Von Reformen reden die Politiker doch schon seit ewiger Zeit ...
Schelling: ... und bisher hatte man das Gefühl, dass es hier eine Blockade gibt. Mittlerweile ist in der Regierung das Bewusstsein angekommen, dass wir Handlungsbedarf haben, dass wir Maßnahmen setzen müssen: im Bereich Arbeitsmarkt, Pensionen, Förderungen, Budgetkonsolidierung.

"Krone": Wie geht's Ihnen damit, dass Werner Faymann und Reinhold Mitterlehner sich jetzt als Väter dieser Reform feiern lassen?
Schelling: Dafür habe ich volles Verständnis. Sie sind die Regierungsspitze, ich bin der Fachminister, der - sagen wir - die architektonische Konstruktion dieser Reform entwickelt hat.

"Krone": Welche Rolle haben Sie in den Verhandlungen gespielt: Mastermind? Troubleshooter? Mediator?
Schelling: Von allem ein bisschen. Mastermind mit der Kernkompetenz, die ein Finanzminister braucht. Troubleshooter muss man auch sein können. Da ist mein Motto: Schau, dass gar nicht erst Troubles entstehen, dann brauchst du auch keine zu shooten. (lacht) Aber natürlich ist man im Rahmen einer Steuerreform auch manchmal Troubleshooter. Und Mediator sowieso, weil da zum Teil ideologische Welten aufeinander prallen.

"Krone": Es gibt drei große Kritikpunkte an dieser Reform. Erstens: Österreich bleibt ein Höchststeuerland. Zweitens: Bei der Gegenfinanzierung scheinen Einnahmen viel wichtiger zu sein als Einsparungen. Und drittens: In der Wirtschaft gibt es bereits einen Aufstand, weil Sie offenbar davon ausgehen, dass dort eifrig Steuern hinterzogen werden.
Schelling: Ich glaube, alles, was machbar war, haben wir geschafft. Eine deutliche Tarifentlastung, eine Steuerentlastung bei den unteren Einkommen um ca. 40 Prozent, aber auch bei den mittleren Einkommen haben wir ein wichtiges Signal gesetzt. Ich kann aber bei der budgetären Situation, die wir haben, nicht alles gleichzeitig machen. Wir planen aber zum Beispiel eine Lohnnebenkostensenkung in einer zweiten Etappe. Zu Punkt zwei: Nur 25 Prozent werden durch Einnahmen gegenfinanziert! Und Punkt drei: Es gibt hier in keiner Weise einen Generalverdacht gegen die Wirtschaft. Mein Prinzip lautet: Wenn alle Steuern zahlen, müssen alle weniger Steuern zahlen. Deshalb müssen wir Betrug bekämpfen - übrigens auch beim privaten Pfusch und beim Sozialbetrug. Aber es wird in keiner Weise Schikanen geben.

"Krone": Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl soll mit Mitterlehner gestritten haben, und dieser hat angeblich mit Rücktritt gedroht. Können Sie das bestätigen?
Schelling: Nein, das stimmt in keiner Weise. Ich war ja bei den Sitzungen dabei. Wenn sich einer betroffen fühlt, tut er seinen Unmut kund. Aber eines muss klar sein: Eine Regierung muss regieren. Wenn die Sozialpartner regieren wollen, dann sollen sie die Regierung übernehmen. Auch Leitl geht im Übrigen nicht davon aus, dass die Steuerbetrüger davonkommen sollten.

"Krone": Aber dass die Bundesländer wegen der Heta auf Sie sauer sind, stimmt schon?
Schelling: Seit einigen Wochen bin ich es gewohnt, bedroht zu werden. Die Art der Diskussion in einigen Ländern halte ich für keinen zweckmäßigen Stil. Außerdem ist es leider das Schicksal noch jeder Steuerreform gewesen, dass die, die was kriegen, sagen: Es ist zu wenig. Und die, die was zahlen müssen, sagen: Es ist zu viel.

Der gebürtige Vorarlberger spricht mit sonorer Stimme und lässt das "r" rollen. Kommt er auf Gegner oder Schwierigkeiten zu sprechen, tritt etwas Vergnügtes in seinen Blick - so, als würde ihm Politik ohne Zores nur halb so viel Spaß machen.

"Krone": 4,9 Milliarden direkt in die Geldbörsen der Bürger, hat Kanzler Faymann gesagt. Sollen die Bürger jetzt dankbar sein?
Schelling: Das erwarten wir nicht, denn die Menschen haben sich diese Entlastung verdient, und wir haben sie gemacht. Ich hoffe, dass die Menschen am Schluss sagen: "Schön, dass das passiert ist, es hat uns was gebracht, wir können uns ein bisschen mehr leisten."

"Krone": Auf krone.at schreiben die Leute, dass man ihnen da Steuergeschenke mache, die sie an anderer Stelle wieder bezahlen müssen.
Schelling: Dort lassen viele anonym ihre Wut aus, und ich habe Verständnis dafür. Wenn nationale und internationale Experten unseres Hauses monatelang Berechnungen vornehmen, und dann stellt sich jemand hin und bewertet, ob das gscheit ist oder nicht, dann muss ich das akzeptieren.

"Krone": Was sagen Sie einer Frau, die von einer kleinen Pension lebt und vielleicht einen Hund hat und ab und zu gerne ins Kino geht?
Schelling: Dass sie trotzdem die Sozialversicherungsgutschrift in der Höhe von 110 Euro spüren wird. Und auch bei der Steuer wird sie das nachhaltig spüren, weil sie eben nicht mehr 36,5, sondern nur noch 25 Prozent zahlt. Zur höheren Mehrwertsteuer: Da geht es um 25 Milliarden bei einem Gesamtvolumen von 250 Milliarden, die Relation ist also klar.

"Krone": Aber der Frau tut das teurere Futter trotzdem weh.
Schelling: Überhaupt keine Frage. Aber was wäre die Alternative? Der Frau, die vielleicht irgendwo einen kleinen Besitz hat, eine Erbschaftssteuer aufzubrummen und die Belastung auf die Nachkommen übertragen?

Beim Stichwort Nachkommen hält Schelling inne. Er erzählt, dass er mitten in den finalen Vorverhandlungen, in der Nacht des 11. März, Großvater geworden, aber trotzdem ganz und gar Politiker geblieben ist. "Als das Foto über WhatsApp kam, war mein erster Gedanke: Eigentlich schön, dass mein erstes Enkelkind gleich mit einer Entlastung auf die Welt kommt."

"Krone": Apropos Erbschaftssteuer: Wer musste bei den Verhandlungen mehr nachgeben - Faymann oder Mitterlehner?
Schelling: Vom Grundkonzept her die SPÖ, denn sie hatte ein Volumen von zwei Milliarden für Vermögens- und Erbschaftssteuern in ihrem Konzept. Aber auch die ÖVP musste sich bei der Betrugsbekämpfung bewegen. Und ich musste mich beim Spitzensteuersatz bewegen.

"Krone": Wie war das "Finale Furioso"?
Schelling: Eigentlich äußerst friedlich. Es gab am Schluss aber nob die Regierung bereit ist, die nächsten Schritte zu gehen, nämlich raus aus der Reformblockade in eine zukunftsorientierte Reformpartnerschaft. Am Schluss bleiben immer ein paar Knackpunkte, da muss man das Gansl sozusagen noch knusprig kriegen. Weil ein lätschertes Gansl schmeckt keinem.

"Krone": Herr Schelling, Ihr Markenzeichen ist ja Ihr Schnurrbart. Wäre das jetzt nicht ein Moment, wo man ihn einmal abrasieren könnte?
Schelling: Nein, denn ich will ja nicht die vielen Fotografen enttäuschen, die dann alle Fotos von mir aus den Archiven entfernen müssen. Oder die Karikaturisten, für die er offenbar ein wichtiges Symbol ist. Und ich habe ja auch nicht gewettet, dass ich mir den Schnurrbart abrasieren lasse, wenn die Steuerreform gelingt. Ich war immer sicher, dass sie gelingt.

Bevor der Finanzminister sich aus dem beigen Leder-Fauteuil erhebt, erzählt er noch schnell einen Steuerhinterziehungs-Witz - er liebt es, Witze vorzutragen, und soll dies auch als Intervention bei Verhandlungen nützen. "So, jetzt muss ich aber los", sagt er zu seiner Pressesprecherin Michaela Berger. Es wird sein erster privater Termin seit Langem - der stolze Großvater besucht seine Tochter und ihr neugeborenes Mädchen im Krankenhaus.

Seine Karriere
Geboren am 27. Dezember 1953 in Hohenems. BWL-Studium an der Uni Linz, Manager bei Kika-Leiner und Möbel Lutz, Vizepräsident der Wirtschaftskammer. Von 2007 bis 2008 Abgeordneter der ÖVP im Nationalrat. 2008 wird Schelling Obmann der AUVA, 2009 Chef des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger. Finanzminister seit September 2014. Verheiratet in zweiter Ehe mit Ursula, zwei Töchter (Katharina und Julia), eine Enkelin (Helene).

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