Missbrauchs-Causa

Muss der Papst jetzt vor US-Gericht aussagen?

Ausland
30.03.2010 21:30
Nach immer neuen Berichten über Missbrauchsfälle in katholischen Kircheneinrichtungen in den USA fürchtet der Vatikan nun offenbar, dass der Papst vor Gericht zitiert wird. Derzeit bereiten Anwälte eine Verteidigungsstrategie vor, um Benedikt XVI. vor der Justiz zu schützen, geht aus US-Justizdokumenten hervor. Auslöser ist eine 2004 in Kentucky eingereichte und US-weit einzigartige Klage, die jetzt in eine entscheidende Phase kommt.

Laut dem Bericht planen die Anwälte des Heiligen Stuhls unter anderem zu argumentieren, dass der Papst als Staatsoberhaupt Immunität genießt. Die USA erkennen den Vatikan als Staat an und unterhalten seit 1963 diplomatische Beziehungen. Außerdem seien US-Bischöfe und Priester in den USA keine Angestellten des Vatikans, heißt es. Daher sei der Vatikan für sie nicht haftbar.

Die Skizzierung der Verteidigungsstrategie des Vatikans, die der Nachrichtenagentur Associated Press von einem Informanten zugespielt wurde, ist im Februar am US-Bezirksgericht in Louisville, Kentucky eingereicht worden. Der Vatikan wollte zu dem Fall keine Stellung nehmen. Die Anwälte der Kirchenführung zielen laut AP grundsätzlich darauf ab, dass das Verfahren eingestellt wird, bevor Benedikt oder hochrangige Vatikan-Staatsdiener dazu befragt oder die Herausgabe geheimer Dokumente verlangt werden kann.

Einzige US-Klage, die sich direkt gegen den Vatikan richtet
In der Klage, die die Vatikan-Anwälte fieberhaft abzuwehren versuchen, geht es um mehrere Missbrauchsfälle in Kentucky. Sie wurde 2004 eingereicht und ist die einzige in den USA, die sich ausschließlich gegen den Vatikan direkt richtet. Die drei Kläger werfen dem Kirchenstaat vor, mit Berichten über Missbrauchsfälle nachlässig umgegangen zu sein und weder die Polizei noch die Öffentlichkeit über Priester informiert zu haben, die Kinder missbraucht haben sollen.

Weil es "Tausende Opfer im ganzen Land" gebe, fordert Kläger-Anwalt William McMurry, dass der Klage ein sogenannter "Class action"-Status zugebilligt wird und der Fall damit zu einer Art Sammelklage wird. Es müsse hier die grundsätzliche Frage geklärt werden, ob Missbrauchs-Opfer tatsächlich Ansprüche gegen die Kirchenspitze in Rom und nicht nur gegen die katholische Kirche in den USA geltend machen können. Zur Untermauerung zitiert McMurry in seinen Anträgen sämtliche Verfahren gegen die Kirche in den USA und Millionen-Vergleiche, die mit Missbrauchsopfern geschlossen wurden. Würde der Vatikan in so einem Verfahren verurteilt, könnten Missbrauchsopfer wohl Milliarden an Schadensersatz fordern.

Vatikan: Gerichte könnten dann US-Präsidenten vorladen
McMurry hatte im Zuge der jüngsten Enthüllungen, wonach der Papst in seiner früheren Position als Präfekt der Glaubenskongregation einen Priester gedeckt habe, der in den USA mehr als 200 taubstumme Buben missbraucht haben soll, jetzt ein Memorandum bei Gericht eingereicht, in dem er die direkte Einvernahme Benedikts fordert. Die Antwort des Vatikans liest sich wie eine Drohung: Würde ein US-Gericht den Papst vorladen, so könnten sich wohl Gerichte in anderen Ländern dazu angeregt fühlen, den Präsidenten der Vereinigten Staaten vor Gericht zu zitieren. "Zum Beispiel wegen dubioser CIA-Festnahmen."

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