krone.at-Interview

Hinterseer: “Hab’ ja nichts gegen die Deutschen”

Sport
14.04.2014 10:50
Es ist schon mal lustiger zugegangen am Innsbrucker Tivoli – nach 32 gespielten Runden steht Wacker Innsbruck mit 24 Punkten abgeschlagen am Tabellenende, gerade einmal vier Siege konnten eingefahren werden. Lukas Hinterseer ist heuer wohl der einzige echte Gewinner in Grün-Schwarz, steht er doch dank seiner bisher zwölf Tore und meistens bärenstarken Leistungen vor dem Sprung zu einem Topklub im Inland oder gar vor einem Wechsel ins Ausland.

Mit krone.at sprach der Offensivallrounder über seine Einschätzung der Gründe für den Niedergang des Tiroler Fußballs, die Unterschiede zwischen den Trainern Kirchler und Streiter, seine Skikünste und seinen Onkel Hansi – und auch darüber, wieso er nichts gegen Deutsche hat.

krone.at: In der Hoffnung, dass kein kleiner Jürgen Klopp in dir steckt, wage ich mich mal weit aus dem Fenster und frage: Die Sache ist durch, oder? Seht ihr noch eine realistische Chance, den Abstieg von Wacker Innsbruck abzuwenden?
Lukas Hinterseer: So realistisch muss man sein, um zu sehen, dass es nicht optimal ausschaut. Das heißt nicht, dass wir uns jetzt aufgeben, aber natürlich wissen wir, was es geschlagen hat, und dass es in Richtung zweite Liga geht.

krone.at: "Wir haben jetzt die Gewissheit, dass es wahrscheinlich nicht mehr zu machen ist vom Sportlichen her", hat Coach Michael Streiter nach dem 0:1 gegen den WAC am vorvergangenen Samstag gemeint – die Formulierung "vom Sportlichen her" klingt so, als ob ihr doch noch Chancen seht, etwa durch einen Lizenzentzug für einen anderen Bundesligisten. Oder täuscht der Eindruck?
Hinterseer: Das können wir eh nicht beeinflussen, was bei den anderen Vereinen los ist. Man hört zwar immer wieder mal, dass der und der Verein Probleme hat. Und ich glaube, gegen die Admira werden die Punkteabzüge auch nicht einfach so ausgesprochen worden sein. Da wird's schon etwas gegeben haben und deswegen werden die sicher heuer auch genauer draufschauen. Aber ganz ehrlich: Man wünscht es keinem Verein, dass ihm die Lizenz verweigert wird, weil das ist dann ja auch keine Werbung für den österreichischen Fußball.

krone.at: Woran würdest du es festmachen, dass Wacker am Ende der Saison den Gang in Liga zwei antreten wird müssen?
Hinterseer: Das ist jetzt schwierig zu sagen. Wir waren schon immer irgendwie gut dabei, vom Gefühl her. Jetzt am Schluss, wo der Druck größer geworden ist, sind wir schon auch eingebrochen, das wissen wir selber. Ich glaube, dass es auch ein Problem war, dass wir im Gegensatz etwa zu Wiener Neustadt nie eine wirkliche Klatsche bekommen haben. Die haben sich dann wahrscheinlich in ein Beisl gesetzt und sich ausgesprochen oder es hat im Training gekracht – und das hat bei uns gefehlt.

krone.at: Inwiefern?
Hinterseer: Wir haben zwölf Unentschieden, da hat dann jeder gesagt: "Ihr habt's eh gut mitgespielt, das nächste Mal werdet ihr auch punkten". Da ist dann so ein bisschen ein Schlendrian reingekommen. Vielleicht hätte uns so ein richtiger Dämpfer gutgetan, dass wir uns in der Kabine mal gegenseitig an die Gurgel gehen und wir uns aussprechen. Bei uns ist dann vielleicht alles ein bisschen zu schön geredet worden.

krone.at: Die Qualität vom Kader hätte gereicht?
Hinterseer: Ich denke schon, ich sehe die Mannschaft jeden Tag beim Training. Nichts gegen die anderen Vereine, aber ich sehe nicht, dass Wiener Neustadt oder die Admira um so viel bessere Leute hätten. Natürlich hat jede Mannschaft zwei, drei Spieler, die herausstechen - und dann liegt es halt daran, wie gut die Mannschaft harmoniert. Und das ist leider bei uns ausschlaggebend gewesen.

krone.at: Fünf Niederlagen und fünf Unentschieden – so richtig herumgerissen hat Neo-Coach Michael Streiter das Ruder seit seinem Amtsantritt in der Winterpause von den Ergebnissen her nicht. War der Trainerwechsel unnötig?
Hinterseer: Naja, das war die Entscheidung vom Vorstand und vom Präsidenten. Die Erfolge waren unterm Kirchler Roli einfach nicht da. Und wenn die Erfolge ausbleiben, dann muss was geändert werden - und das betrifft meistens den Trainer. Der Streiter Michael hatte natürlich vom Start weg eine schwere Aufgabe - er hat zwar probiert, uns seine Philosophie beizubringen, aber das hat noch nicht so gefruchtet. Wenn es nicht sein will, dann will es halt nicht sein.

krone.at: Worin unterscheiden sich Kirchler und Streiter?
Hinterseer: Die beiden sind schon sehr unterschiedliche Typen. Kirchler war mehr der Kumpeltyp und Motivator. Er hat geschaut, dass immer eine gute Stimmung in der Mannschaft war, dass beim Training viel gelacht wurde. Coach Streiter schaut schon auch, dass wir untereinander gute Stimmung haben, aber er ist ein bisserl distanzierter, ein bisserl strenger. Er sagt genau, was er haben will und das sollen wir dann auch einhalten. Wenn er das Gefühl hat, dass etwas nicht passt, dann kann es auch schon mal passieren, dass es lauter wird.

krone.at: Wie groß ist Kirchlers Anteil daran, dass du jetzt dort stehst, wo du stehst – am Sprung ins Ausland?
Hinterseer: Ich habe ihm schon fast alles zu verdanken. Noch unterm Walter Kogler habe ich mehr oder weniger keine Rolle gespielt. Ich war der 23. Mann im Kader, da haben schon alle verletzt sein müssen oder krank, damit ich irgendwie zum Zug kommen habe können. Ich wollte aber unbedingt im Profifußball Fuß fassen und deswegen bin ich den Weg in die zweite Liga gegangen, zu Lustenau und zur Vienna. Obwohl ich in Wien regelmäßig gespielt habe, hat's dann einen Konflikt gegeben, weil ich für die Vienna ein zu teurer Spieler war. Hört sich zwar jetzt lustig an, aber für die Vienna war ich offenbar wirklich zu teuer. In Innsbruck hatte man damals gerade den Trainer gewechselt und nach dem Ende der Leihe in Wien durfte ich eine Woche lang unter Roli Kirchler mittrainieren. Der hat dann gleich gesagt, ich soll bleiben, weil er Potenzial in mir sieht und es ihm Spaß macht, mir zuzuschauen. Dann hat er mir noch zehn Runden vor Schluss daheim gegen Rapid von Anfang an die Chance gegeben - und seitdem bin ich fixer Bestandteil der Stammformation, ab da ist es nur noch bergauf gegangen.

krone.at: Apropos Ausland: Die zweite Station deines Onkels Hansi Hinterseer auf seiner 2014er-Tour war Ingolstadt. Wie groß ist die Chance, dass dich dein erstes Engagement als Legionär ebenfalls nach Ingolstadt führt?
Hinterseer:(lacht laut auf) Das habe ich gar nicht gewusst! Aber gut, meine zwölf Saisontore sind sicher etwas, was andere Vereine hellhörig gemacht hat. Aber natürlich muss man jetzt genau schauen, was der nächste richtige Schritt ist. Es gibt sehr viele Beispiele von Spielern, die den Schritt ins Ausland nach einer oder einer dreiviertel guten Saison gemacht haben und nach zwei Jahren reumütig zurückgekommen sind, weil sie keine Spielpraxis bekommen haben. Ich möchte jedenfalls nicht irgendwo hingehen, wo ich vielleicht gut verdiene, aber dafür bei den Amateuren spielen müsste. Natürlich gibt es auch in Österreich einige Varianten oder Möglichkeiten, aber momentan ist noch alles offen.

krone.at: Du wirst mir wohl eher keinen interessierten Klub sagen?
Hinterseer:(grinst) Nein!

krone.at: Kann man dein zukünftiges Einsatzgebiet wenigstens auf Deutschland eingrenzen?
Hinterseer: Naja, es gibt schon auch Interesse aus anderen Ländern, aber mein großes Ziel ist Deutschland. Wenn ich da erste Liga schaue, geht jedes Spiel vor ausverkauftem Haus über die Bühne, da sind 40.000, 50.000 oder noch mehr Leute in den Stadien. Wenn man die Chance hat, dorthin zu gehen, dann musst du sie einfach nützen.

krone.at: Wie oft wirst du eigentlich in Interviews auf deinen berühmten Onkel angesprochen? Nervt das nicht mit der Zeit?
Hinterseer: Bis zu dir jetzt war das eigentlich gar kein Thema mehr. Als ich angefangen habe zu treffen und nochmal nach dem ersten Teameinsatz, gab es schon auch viele Fragen wegen meines Onkels. Die Leute wollten halt mehr über mich wissen und ob das stimmt von wegen Neffe von Hansi Hinterseer. Jetzt ist es kein Geheimnis mehr, dass das mein Onkel ist. Fast jeder hat einen Onkel, meiner ist halt ein bisschen berühmter als ich. der Neffe vom Hansi, sondern er ist der Onkel vom Lukas - aber dafür muss ich wohl noch einige Tore schießen, bis das passiert.

krone.at: Hast du eigentlich CDs von ihm daheim?
Hinterseer:(schmunzelt) Nein! Bei allem Respekt, er macht das wirklich gut, aber meine Musikrichtung ist es nicht, ganz ehrlich.

krone.at: Als Österreicher wärst du übrigens kein vollkommener Exot beim FCI, sind dort doch mit dem Trainer Ralph Hasenhüttl, Keeper Ramazan Özcan und Mittelfeldspieler Christoph Knasmüllner noch drei weitere Österreicher am Werken. Spielt so ein Umstand, Landsleute bei einem Klub zu haben, bei deinen Überlegungen eine Rolle?
Hinterseer: Das ist mir vollkommen egal. Natürlich ist es nett, wenn ein paar Österreicher da sind, auch vom Trainer her. Aber ich habe ja auch nichts gegen die Deutschen (grinst).

krone.at: Um dich als Offensivspieler zu klassifizieren, braucht man weder CIA noch NSA – aber wo genau spielst du selbst am liebsten? Sturm, Halbspitze, Mittelfeld, an den Flanken?
Hinterseer: Generell ist es kein Nachteil, wenn man mehrere Positionen spielen kann - dann hat der Trainer einfach mehr Möglichkeiten für dich. Wenn du sagst, du kannst nur auf der einen Position spielen und da ist vielleicht ein anderer grad besser drauf, dann bist du halt nur zweite Wahl. Aber grundsätzlich fühle ich mich schon im Zentrum am wohlsten - vielleicht als hängende Spitze, als falschen Neuner, der gerne in die Tiefe geht.

krone.at: Vor zweieinhalb Jahren hast du dich einer Herzoperation unterziehen müssen. Auch wenn es "nur" um überflüssige Reizleitungsbahnen ging: Hatte dieser Eingriff irgendwelche Auswirkungen auf dein Leben – physisch und psychisch gesehen?
Hinterseer: Für mich war das keine große Sache, als Junger denkt man sich, es kann ja nix sein, was soll schon sein. Ich bin allein zum Arzt gegangen und der hat gesagt, es ist das und das, das ist überhaupt kein Problem, da machen wir einen kleinen Eingriff und dann ist das erledigt. Für meine Mama war das dagegen ein Schock, als ich ihr das am Telefon, ich war damals ja allein in Innsbruck, gesagt habe. Da gab's Chaos und Panik. Jetzt im Nachhinein, wenn ich das so bisserl Revue passieren lasse, bin ich schon froh, dass ich das öfter anschauen habe lassen. Ansonsten verliere ich überhaupt keinen Gedanken mehr an die Geschichte, nur bei Interviews kommt das manchmal wieder hoch. Von dem her kann ich mich voll auf Fußball konzentrieren.

krone.at: Ein Gespräch mit einem Hinterseer ohne aufs Skifahren zu kommen, geht natürlich nicht: Wie steht’s um dein Skikönnen? Kommst du die Streif unfallfrei herunter?
Hinterseer: Aber ja doch, die kenne ich schon. Ich bin ja auch in Kitzbühel aufgewachsen und im Skiklub gewesen. Da bin ich auch Rennen gefahren, mit vom Opa hergerichteten Skiern. Hobbymäßig hat mir das Skifahren schon immer gefallen, in der Früh auf die leere Piste und wenn die Leute gekommen sind gleich wieder heim. Ich war schon auch gut, aber im Skifahren musst du deinen Jahrgang dominieren, damit du später eine Chance hast. Irgendwann stand ich dann vor der Frage: "Fußball oder Skifahren, was mache ich jetzt?" Fußball hat mir letztlich einfach mehr Spaß gemacht – und ab dann hat es nur mehr Fußball gegeben. Es hat immer ein Ball dabei sein müssen, egal ob daheim oder am Fußballplatz. Der Ball war das Allerwichtigste.

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(Bild: KMM)



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