Vor Wiederwahl

Blatter skurril: “Lasse Fußball nicht zerstören”

Sport
29.05.2015 07:58
Schuldgefühle? Keine Spur! Ungeachtet weltweiter Kritik und Boykott-Drohungen hat FIFA-Präsident Joseph Blatter am Donnerstag den 65. Kongress des Fußball-Weltverbandes in Zürich eröffnet. Zwar steht die FIFA nach den skandalösen Entwicklungen mit Festnahmen und Suspendierungen weltweit am Pranger. Blatter kann sich nach den turbulentesten Stunden seiner Dauer-Regentschaft dennoch auf eine fünfte Amtszeit einrichten. Und von Schuldgefühlen ist ohnehin keine Spur.

"Sie werden mir zustimmen, dass dies beispiellose und schwierige Zeiten für die FIFA sind", sagte der 79-jährige Schweizer zu Vertretern der 209 Mitgliedsverbände und sprach von "Schande und Beschämung" für den Fußball. Den jüngsten Skandal mit Festnahmen von sieben Funktionären in Zürich stellte Blatter, der am Freitag zum fünften Mal zum FIFA-Präsidenten gekürt werden will, jedoch als individuelles Problem dar.

"Kann nicht auf alle aufpassen"
"Ich werde nicht erlauben, dass einige wenige die harte Arbeit der Mehrheit, die so hart für den Fußball arbeitet, zerstören." Die nächsten Monate würden nicht einfach für die FIFA. "Ich bin sicher, dass weitere schlechte Nachrichten folgen werden", sagte Blatter, der jede persönliche Verantwortung von sich wies. "Ich weiß, dass viele mich für verantwortlich halten ... Ich kann aber nicht ständig auf alle aufpassen", erklärte der FIFA-Boss. Wenn jemand etwas Falsches tun wolle, dann werde er versuchen, es zu vertuschen.

Nach Ermittlungen aus den USA waren am Mittwoch auch die FIFA-Vizepräsidenten Jeffrey Webb und Eugenio Figueredo in Zürich festgenommen worden. Insgesamt 14 Personen stehen unter Korruptionsverdacht. Man habe nun die Chance, "einen langen und schwierigen Weg zu bestreiten, um Vertrauen wiederzugewinnen", erklärte Blatter.

"Traurige Tage für die FIFA"
IOC-Präsident Thomas Bach forderte die FIFA zur vollständigen Aufklärung des jüngsten Korruptionsskandals auf. "Dies sind traurige und schwierige Tage für die FIFA. Dies sind auch sehr wichtige Tage für die FIFA", sagte der Chef des Internationalen Olympischen Komitees bei der Eröffnung des FIFA-Kongresses am Donnerstagnachmittag. "Alle Fans verfolgen diesen Kongress mit großer Aufmerksamkeit, ich bin einer von ihnen."

"Herausfordernd und sehr schmerzhaft"
Nach der Festnahme von sieben Fußball-Funktionären in Zürich ermutige der Deutsche die FIFA, "die Kooperation mit den Behörden fortzusetzen und alle notwendigen Maßnahmen zu unternehmen. Wir wissen, dass dieser Kampf herausfordernd und sehr schmerzhaft sein kann. Es gibt aber keinen anderen Weg, um Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen", betonte Bach, der zuversichtlich ist, dass die FIFA auf einem "Weg der Transparenz" die Herausforderungen meistern könne.

Unterstützung aus Afrika und Asien
Trotz Skandal steht Blatter am Freitag vor der Wiederwahl als Chef des skandalumwitterten Fußball-Weltverbandes. Der 79-jährige Schweizer ist beim Kongress in Zürich großer Favorit gegen Prinz Ali bin al-Hussein aus Jordanien. Blatter strebt eine fünfte Amtszeit an und kann vor allem mit Unterstützung aus Asien und Afrika rechnen.

Die Europäische Fußball-Union (UEFA) hatte am Donnerstag kurz vor der Kongresseröffnung einen zuvor erwogenen Boykott verworfen. Die meisten UEFA-Delegierten - darunter auch ÖFB-Präsident Leo Windtner - wollen für Al-Hussein stimmen.

Auch der US-Fußballverband wird Herausforderer Prinz Ali bin al-Hussein unterstützen. "Ich denke, wir werden eine wesentlich knappere Wahl erleben, als die Leute vor einigen Wochen vorausgesagt haben", meinte der US-Verbandschef. Laut Gulati, der dem Exekutivkomitee des Weltverbandes angehört, wird auch der kanadische Verbandspräsident Victor Montagliani für den jordanischen Gegenkandidaten stimmen.

Australiens Verband sowie voraussichtlich ein großer Teil der europäischen Föderationen dürfte ebenfalls Al-Hussein wählen. Auch der neuseeländische Verband gab am Freitag in Zürich bekannt, doch nicht für den 79-jährigen Schweizer zu stimmen: Angesichts der Entwicklung in den vergangenen 48 Stunden sei man zu der Auffassung gelangt, dass sich bei der Fifa so schnell wie möglich etwas ändern müsse, und dies könne nur mit einem neuen Präsidenten geschehen.

FIFA-Exekutivmitglied Del Nero reist aus Zürich ab
Der brasilianische Verbandschef Marco del Nero ist am Donnerstag aus Zürich abgereist. Der 74-Jährige ist auch Mitglied des Exekutivkomitees der FIFA. Eine Begründung für die Abreise Del Neros wurde nicht genannt. Sein Vorgänger als CBF-Chef, Jose Maria Marin, gehört zu den sieben Funktionären, die am Mittwoch in Zürich unter Korruptionsverdacht festgenommen worden waren. Der brasilianische Verband (CBF) wird im jüngsten FIFA-Korruptionsskandal mehrfach in der Ermittlungsakten der US-Justiz genannt.

Nach der Abreise Del Neros fehlen beim Kongress am Freitag mindestens drei aktuelle und ein designiertes Mitglied der FIFA-Exekutive. Die FIFA-Vizepräsidenten Jeffrey Webb und Eugenio Figueredo waren am Mittwoch wie Marin festgenommen worden. Der Verbandschef von Costa Rica, Eduardo Li, sollte am Freitag in die Fußball-Weltregierung aufrücken, ist aber wie alle anderen Beschuldigten von der FIFA von allen Fußball-Ämtern vorläufig suspendiert worden.

Deutscher Justizminister für FIFA-Neuanfang ohne Blatter
Der deutsche Justizminister Heiko Maas hat sich für einen Neuanfang beim Weltfußballverband ohne seinen derzeitigen Präsidenten Joseph Blatter ausgesprochen. "Ich weiß nicht, ob es überhaupt noch jemanden gibt, der Sepp Blatter für den Richtigen hält, um jetzt für Aufklärung zu sorgen", sagte der Politiker.

Im Fall einer nachgewiesenen Korruption forderte Maas eine Neuvergabe der Fußball-WM 2018 und 2022. "Wenn sich herausstellt, dass Stimmen gekauft worden sind, ist eine darauf basierende Entscheidung wohl kaum zu halten. Maßgeblich für die Vergabe einer WM darf doch nicht sein, wer die höchsten Schmiergelder zahlt."

Ex-FIFA-Vize Warner verlässt Gefängnis im Krankenwagen
Der im Zusammenhang mit der Korruptionsaffäre beschuldigte frühere FIFA-Vizepräsident Jack Warner hat am Donnerstag ein Gefängnis in Trinidad und Tobago in einem Krankenwagen verlassen. Der 72-Jährige habe über Erschöpfung geklagt und Fragen von Reportern vor der Haftanstalt nicht beantworten können, teilte ein Justizbeamter mit.

Warner hatte sich am Mittwoch den Justizbehörden in seinem Heimatland gestellt. Gegen eine Kaution von umgerechnet rund 360.000 Euro durfte er wieder auf freien Fuß, blieb jedoch die Nacht über im Gefängnis. Das US-Justizministerium hatte die Auslieferung Warners beantragt. Die Ermittler werfen ihm organisierte Kriminalität, Korruption und Geldwäsche vor. In den Vereinigten Staaten laufen seit längerer Zeit Untersuchungen des FBI gegen ehemalige FIFA-Offizielle.

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(Bild: KMM)



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