Wo ist Bassel?

Syrien: Netzaktivist angeblich zum Tode verurteilt

Web
23.11.2015 09:51
Kurz bevor Sicherheitskräfte des Regimes Bassel Khartabil festnehmen, postet er auf Twitter noch eine Nachricht: "Assad tötete zehntausend ... zehntausend Gründe, nicht zu schweigen. #Syria." Danach verschwindet er für acht Monate spurlos. Seine Frau ist erleichtert, als er - zwar gezeichnet, aber gesund - plötzlich in einem Gefängnis wieder auftaucht. Auch wenn er danach drei Jahre in Haft sitzt.

Doch jetzt ist einer der bekanntesten Netzaktivisten Syriens erneut verschwunden. Er soll zum Tode verurteilt worden sein, wie seine Frau aus Regierungskreisen erfahren hat. Genaues weiß allerdings auch sie nicht.

"Gefangene wie Bassel werden in den Einrichtungen des Regimes gefoltert", sagt Dana Trometer. Sie ist eine enge Freundin von Khartabils Frau und unterstützt die Online-Kampagne, die sich für die Freilassung des 34-Jährigen einsetzt. "Aber diese Ungewissheit ist für uns Freunde und die Familien die reinste Folter."

Netzgemeinde kämpft für Bassels Freilassung
Menschen auf der ganzen Welt unterstützen im Internet die Kampagne #FreeBassel, die die Freilassung des Aktivisten erreichen will: Harvard-Professoren, der Direktor des renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT), Mozilla, Wikipedia. Denn Bassel Khartabil, der auch unter dem Pseudonym Bassel Safadi auftrat, war einer der führenden Netzaktivisten in Syrien.

Das US-Magazin "Foreign Policy" wählte ihn 2012 zu den einflussreichsten Köpfen der Welt. In einem Land, in dem sich jeder Nutzer eines Internetcafés per Ausweis registrieren musste, kämpfte er für ein offenes Internet und Transparenz. Seine Programmierkenntnisse, so die Begründung des Magazins, hätten geholfen, Syrien in die internationale Netzgemeinde zu integrieren.

"Das ist sehr eigenartig"
Dass Khartabil jetzt, nach drei Jahren im Gefängnis, plötzlich zum Tode verurteilt worden sein soll, können seine Freunde nicht verstehen. Auch die Gründe sind unklar. "Das ist sehr eigenartig", sagt Dana Trometer. Aber das syrische Regime hat ein perfides System im Umgang mit Gefangenen aufgebaut. Mehr als 65.000 Menschen sind laut dem Syrischen Netzwerk für Menschenrechte seit Ausbruch des Krieges vor fünf Jahren einfach verschwunden - bis heute.

"Das verstößt gegen internationales Recht", sagte die Juristin Nicolette Boehland kürzlich bei der Vorstellung eines Berichts von Amnesty International bei den Vereinten Nationen. Weil so häufig Menschen in Syrien spurlos verschwinden, sind Menschenrechtler sicher, dass die syrischen Polizisten, Militärs und Geheimdienste systematisch vorgehen. Neben Dissidenten der Armee seien es vor allem politische Aktivisten und Demonstranten, die verschwänden, auch um das persönliche Umfeld der Häftlinge im Ungewissen zu lassen und die Angehörigen abzuschrecken.

Ein großes Problem bei der Haft unter Ausschluss der Öffentlichkeit sei, dass die Gefangenen häufig gefoltert würden, heißt es in dem Bericht weiter. Zudem gebe es eine große Gefahr, dass es zu außergerichtlichen Verurteilungen und Exekutionen komme.

"Prozess" ohne Anhörung und Verteidigung
Auch Bassel Khartabil wurde nach Angaben seiner Frau, einer Anwältin für Menschenrechte, ohne Anhörung und Verteidigung vor einem Militärgericht angeklagt. Weil er eine "Gefahr für die staatliche Sicherheit" darstelle, heißt es auf der Internetseite "Free Bassel".

Der Netzaktivist half bei der Entwicklung von Open-Source-Projekten wie dem Internetbrowser Firefox oder Wikipedia. Und er schaffte in Damaskus einen Raum für junge Programmierer - je nach dem, wen man fragt, eine Mischung aus Kulturzentrum und Hacker-Treffpunkt.

Seit 50 Tagen Funkstille
Seit rund 50 Tagen hat seine Frau nichts mehr von Bassel Khartabil gehört. Dabei habe er immer den friedlichen Protest betont, sagt seine Freundin Dana Trometer. Bis kurz vor seiner Festnahme arbeitete Khartabil sogar noch mit dem syrischen Tourismusministerium zusammen: Er machte 3D-Fotos der Wüstenstadt Palmyra und sollte ein virtuelles Modell der Weltkulturerbestätte erstellen.

Palmyra wurde mittlerweile von der Terrormiliz Islamischer Staat eingenommen, zahlreiche historische Stätten wurden zerstört. Die UNESCO habe vor Kurzem wegen der Daten angefragt und sei sehr interessiert, sagt Trometer. Daher seien Teile des Projekts im Netz öffentlich gemacht worden: damit die Erinnerungen nicht in Vergessenheit geraten.

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