krone.at-Test

Lenovo Yoga 11: Feine Hardware, schwache Software

Elektronik
06.01.2013 10:00
Mit dem Yoga 11 bietet Lenovo ein Windows-Gerät an, dessen Bildschirm sich um 360 Grad drehen lässt, wodurch aus dem Laptop binnen kürzester Zeit ein Tablet wird. Auf dem Gerät läuft Windows RT, der ARM-Ableger von Windows 8, auf dem nur Programme aus dem Microsoft-Store ausgeführt werden können. Normale Windows-Software funktioniert nicht. Ob das kleine und leichte Hybrid-Gerät trotz dieses Handicaps hält, was es verspricht, musste es im krone.at-Testlabor unter Beweis stellen.

Schon beim Blick auf die Hardware-Spezifikationen wird klar, dass es sich bei Lenovos Yoga 11 nicht um einen klassischen PC handelt. Statt eines Intel- oder AMD-Prozessors kommt in dem rund 1,2 Kilo leichten Gerät ein ARM-Prozessor aus dem Hause Nvidia zum Einsatz. Der verbaute Tegra 3 taktet mit 1,2 Gigahertz, hat für diese Geräteklasse dank der integrierten Geforce ULP vergleichsweise viel Grafikpower und verfügt über vier Rechenkerne. Er hat Zugriff auf zwei Gigabyte DDR3-Speicher.

Spiegelndes Display - draußen nur bedingt nutzbar
Über Funk kommuniziert das Yoga 11 entweder mittels schnellem N-WLAN oder per Bluetooth 4.0. Statt einer herkömmlichen Festplatte verfügt das Gerät über 64 Gigabyte Flash-Speicher. Der Bildschirm hat eine Diagonale von 11,6 Zoll und löst mit 1.366 mal 768 Pixeln auf. Das Multi-Touch-Display interpretiert mit bis zu fünf Fingern getätigte Eingaben und erwies sich im Test als angenehm hell und scharf.

Ein kleiner Wermutstropfen, der allerdings alle derzeit erhältlichen Tablets und Hybrid-Geräte angeht: Da sich das Display hinter einer robusten Glasplatte verbirgt, spiegelt es bei direktem Sonnenlicht stark, wodurch sich das Yoga 11 nur bedingt dazu eignet, an heißen Sommertagen im heimischen Garten im Web zu surfen.

Konnektivität: Alles da, was man braucht
Das Yoga 11 kommt mit zwei USB 2.0-Ports, einer 3,5mm-Kombibuchse, an der sich sowohl externe Lautsprecher als auch Mikrofone anstecken lassen, und einem HDMI-Anschluss, über den sich externe Monitore, Beamer oder Fernseher ansteuern lassen. Ein Kartenleser, der den Umgang mit SD- und MMC-Karten beherrscht, komplettiert die Anschlussmöglichkeiten.

Im Inneren des in dezentem Orange gehaltenen Testgeräts verbergen sich noch Lage- und Beschleunigungssensor, Annäherungs- und Umgebungslichtsensor sowie ein digitaler Kompass. Über dem Display sitzt eine Webcam, die Videos in 720p-Auflösung aufnehmen kann. Das Yoga ist nur rund 16 Millimeter dick und vollständig passiv gekühlt, es erfreut also durch Lautlosigkeit.

Als Akkulaufzeit gibt Lenovo stattliche 13 Stunden an, allerdings dürfte diese Laufzeit nur unter Idealbedingungen zu erreichen sein - sie konnte im krone.at-Test nicht bestätigt werden. Tatsächlich hängt die Laufzeit stark vom Verwendungszweck des Geräts ab, bei durchschnittlicher Nutzung (Surfen, YouTube, Musikstreaming) mit aktiviertem WLAN und hoher Bildschirmhelligkeit bewegte sie sich im Test im Bereich zwischen sechs und acht Stunden.

Haptik: Hochwertig, glücklicherweise nicht glänzend
Beim Anfassen des Geräts bestätigt sich der Ersteindruck, dass es sich um ein Lenovo-typisch hochwertig verarbeitetes Gadget handelt. Das Gehäuse ist zwar aus Plastik, fühlt sich aber dennoch nicht billig an. Selbst, wenn das Gerät nur an einer einzelnen Ecke gehalten wird, knackt und knarzt nichts. Erfreulich: Die Lenovo-Designer haben beim Yoga 11 auf die bei vielen anderen Herstellern beliebte Hochglanzoptik verzichtet, was dem Gerät nicht schadet und vor allem deshalb angenehm ist, weil nicht jede Berührung am Gehäuse lästige Fingerabdrücke hinterlässt. Die Tastatur ist mit weichem, rutschfestem Material umrandet, was sich beim Tippen angenehm anfühlt und bei der Verwendung als Tablet für guten Halt an der Unterseite sorgt.

Die Besonderheit bei Lenovos Yoga ist das spezielle Display-Scharnier, das es erlaubt, den Bildschirm um 360 Grad nach hinten zu klappen. Dadurch verwandelt sich das Notebook zu einem Tablet, an dessen Rückseite sich eine Tastatur befindet. Möglich sind auch alle möglichen anderen Öffnungswinkel: Die Tastatur kann dabei als Ständer dienen, das Tablet lässt sich aber auch ähnlich einem Zelt aufstellen. Der Anwender hat also die Qual der Wahl und kann das Gerät optimal auf die gerade vorherrschenden Bedürfnisse anpassen. Vor sich stehend, am Schoß liegend oder hochkant auf dem Unterarm – der Verwandlungskünstler macht alles mit.

Tastatur auf der Rückseite ist gewöhnungsbedürftig
Einziges Manko beim Klappmechanismus: Die auf der Tablet-Unterseite liegende Tastatur. Die wird zwar deaktiviert, sobald ein bestimmter Öffnungswinkel überschritten wird, und ist deshalb vor Fehleingaben gefeit, das heißt aber nicht, dass die rückseitige Tastatur den Benutzer nicht stört. Im Praxistest war sie zwar kein No-Go, es ist aber schlicht ungewohnt, wenn man ein Tablet in Händen hält, dabei aber auf der Rückseite ständig irgendwelche Tasten drückt.

Wer mit dem Gedanken spielt, sich ein Yoga anzuschaffen, sollte das Gerät unbedingt vor dem Kauf in die Hand nehmen und es probeweise halten, um nicht im Nachhinein von der Haptik enttäuscht zu werden. Vermutlich gewöhnt man sich mit der Zeit aber an die Tastatur auf der Rückseite.

Tablet mit nur einer Hand halten auf Dauer anstrengend
An der Bedienung selbst gibt es nichts zu meckern. Die Tastatur hat einen angenehmen Druckpunkt und ist groß genug, um auch tatsächlich ernsthaft darauf zu tippen. Die Maustasten des Touchpads sind in das Touchpad eingelassen und auf den ersten Blick nicht zu sehen, lassen sich aber trotzdem ohne größere Probleme bedienen. Der Bildschirm reagiert prompt auf Fingereingaben, bedarf nach längerer Verwendung als Tablet jedoch Pflege. Fingerabdrücke haften daran nämlich recht schnell, das ist aber kein Unikum des Yoga 11 und tritt auch bei anderen Touch-Geräten auf.

Dass das Gerät mit rund 1,2 Kilo vergleichsweise leicht ist, fällt im Tablet-Betrieb positiv auf. Das Yoga 11 liegt gut in der Hand oder – in der Praxis angenehmer – auf dem Schoß. Um es mit einer Hand zu halten, ist es aber trotz allem zu schwer. Wer es tatsächlich beim Gehen benutzen will, legt es im Hochformat auf den Unterarm, hält es mit der Hand des Armes, auf dem es liegt, fest und bedient es mit der freien Hand. Aber auch diese Herangehensweise ist langfristig wenig komfortabel. Am besten ist, das Gerät auf den Schoß oder – dank Tastatur-Standfuß kein Problem – vor sich aufgestellt zu platzieren.

Windows RT: Auf den ersten Blick wie Windows 8
Einen eher negativen Eindruck hinterlässt das auf dem Gerät installierte Windows RT. Auf den ersten Blick unterscheidet es sich nicht von Windows 8, wie es auch auf x86-Geräten zum Einsatz kommt. Kachel-Startmenü, Desktop, Explorer – alles ist da, wo man es erwartet. Office Home & Student 2013 ist in der RT-Testvariante bereits vorinstalliert und ermöglichte im Praxistest ganz normales Arbeiten, wie man es auch von vollwertigen Desktops und Notebooks gewöhnt ist.

Problematisch wird es allerdings, sobald man den Versuch unternimmt, normale Windows-Software zu installieren. Wer statt des vorinstallierten Internet Explorer einen anderen Browser verwenden möchte, wird enttäuscht: Bislang gibt es weder Googles Chrome noch Mozillas Firefox in einer Windows-RT-Version. Auch die meisten anderen Programme, die man üblicherweise auf ein frisch gekauftes Gerät installieren möchte, haben noch keine Windows-RT-Ableger.

Windows RT mangels Software nur eingeschränkt nutzbar
Das kann sich künftig freilich alles ändern, im Moment ist der Funktionsumfang von Windows-RT-Geräten dadurch aber erheblich eingeschränkt. Vor allem stehen dem User keine Alternativen zu den mitgelieferten Bordmitteln zur Verfügung. Wer sonst den VLC-Mediaplayer statt des Windows-Pendants nutzt oder seine Fotos lieber mit Picasa verwaltet, statt Microsofts Foto-App zu nutzen, schaut fürs Erste in die Röhre.

Natürlich kann man auf dem Yoga 11 dank des auf ARM-Architektur optimierten Office-Pakets von Microsoft auch arbeiten. Man scheitert aber mangels Verfügbarkeit von Drittherstelleranwendungen auf Windows RT derzeit selbst an den einfachsten Aufgaben, welche die Möglichkeiten von Word, Excel und Co. übersteigen. Viele Flash-Websites verweigern im Internet Explorer für Windows RT ihren Dienst, alternative Browser, E-Mail-Clients, Video- und Musikplayer oder sonstige Tools lassen sich nicht nutzen, sofern es nicht eine auf Windows RT optimierte Va handelt es sich um eine Momentaufnahme. Künftig wird sicherlich noch mehr Software für Windows RT erscheinen.

Echtes Arbeiten nur mit Office-Suite möglich
Wer auf seinem Tablet auch arbeiten will, für den ist das Lenovo Yoga 11 zwar ein Schritt in die richtige Richtung, mehr aber auch nicht. Es ist zwar ein besseres Arbeitsgerät als ein iPad, gleichzeitig aber auch ein schlechteres als günstige 400-Euro-Netbooks. Es ist dabei hauptsächlich der Funktionsumfang von Windows RT, der die Suppe versalzt.

Diese Nachteile schmerzen umso mehr, wenn man den Preis betrachtet: Rund 800 Euro will Lenovo für das Windows-RT-Hybridgerät haben. Dafür bekommt man auch ein gleich großes, dafür etwas schwereres Lenovo-Netbook mit AMD-Prozessor, auf dem normale Windows-Software läuft, kann es mit einer SSD aufrüsten, noch ein Nexus-7-Android-Tablet dazu kaufen – und spart immer noch über 50 Euro gegenüber dem Yoga 11. Zugegeben, in dieser Kombination ist noch kein Betriebssystem integriert, doch der Vergleich macht deutlich, wie es um das Preis-Leistungs-Verhältnis des Windows-RT-Geräts steht.

Fazit: Zu diesem Preis ist das Lenovo Yoga 11 ein hochwertiges und solides Stück Hardware, dem man bei einem bedeutend niedrigeren Preis womöglich auch die Schwächen der darauf laufenden Software verzeihen würde. Nicht aber um 800 Euro – für diese Summe bekommt man ein vollwertiges Notebook und ein zusätzliches Tablet und muss bei keinem der beiden Geräte große Kompromisse eingehen. Wer unbedingt ein All-in-One-Gerät sein Eigen nennen möchte, für den ist möglicherweise auch der große Bruder des Yoga 11, das Yoga 13, interessant. Das kommt mit Windows 8, vollwertigem Intel-Prozessor und 13 Zoll Diagonale, ist allerdings erst ab rund 1.300 Euro zu haben.

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