Machtverhältnisse

Google ordnet Handy-Welt mit Motorola-Verkauf neu

Elektronik
31.01.2014 09:05
Vor zweieinhalb Jahren hatte Google noch 12,5 Milliarden Dollar für den Handy-Pionier Motorola auf den Tisch gelegt - nun wird die Handysparte für nur noch 2,9 Milliarden Dollar an Lenovo wieder abgestoßen. Auf den ersten Blick sieht dies wie eine Verzweiflungstat aus, um einem schrecklichen Geschäft ein schnelles Ende zu bereiten. Schaut man aber genauer hin, kann man erkennen, dass Google mit diesem Kraftakt die Machtverhältnisse im Smartphone-Markt zum eigenen Vorteil neu geordnet hat.

Mit dem Milliarden-Deal wird der chinesische Konzern Lenovo zur neuen weltweiten Nummer drei von Googles Gnaden. Mit der Marke Motorola können die Chinesen ihre internationale Expansion vorantreiben und zu einem echten Herausforderer von Samsung werden. Den Smartphone-Marktführer Samsung konnte Google gleichzeitig mit einer großen Patent-Partnerschaft enger an sich binden. Zudem verzichten die Südkoreaner laut einem Medienbericht zugunsten von Google-Diensten auf einige Eigenentwicklungen.

Außer Spesen nichts gewesen
Nach dem plötzlichen Verkauf von Motorola an Lenovo muss sich Google-Chef Larry Page mehr denn je fragen lassen, warum der Internetkonzern den schwächelnden Handy-Pionier damals überhaupt gekauft hat. Zwar konnte Google in der Folge rund drei Milliarden Dollar für die Settopbox-Sparte von Motorola kassieren und beim Finanzamt Verluste aus dem laufenden Motorola-Geschäft mit den gigantischen Gewinnen aus der Internetwerbung verrechnen. Aber ein guter Deal sieht auch im Silicon Valley komplett anders aus.

Bei der Ankündigung der Motorola-Übernahme 2011 erklärte Page, es gehe um den Patentschatz des Konzerns, der vor gut 30 Jahren das Mobiltelefon miterfunden hatte. Damals näherte sich der von Apple angestoßene Patentkrieg dem Höhepunkt und die 17.000 Motorola-Patente wirkten auf den ersten Blick wie eine gute Investition. Schließlich hatte Apple-Gründer Steve Jobs mit einem "Atomkrieg" gegen das Smartphone-System Android gedroht, weil er das iPhone dreist von Google kopiert sah.

Patente ohne Schlagkraft
Doch in den Rechtsstreitigkeiten nützten die vielen Motorola-Patente Google wenig. Gerade weil Motorola an den Anfängen der Mobilfunk-Branche stand, gehört ein großer Teil davon zum Grundstock technischer Standards wie GSM oder UMTS. Und damit kann man zwar unter Umständen Patentprozesse gewinnen - aber bei Verkaufsverboten auf ihrer Basis reagierten Wettbewerbshüter in Europa und den USA allergisch und wiesen Google in die Schranken.

Standard-Patente müssen zu fairen Konditionen und ohne Diskriminierung gewährt werden. Das verträgt sich nach Ansicht der Regulierer nicht mit Verkaufsverboten. So wurden die Klagen mit Motorola-Patenten zurückgefahren - und brachten letztlich kaum etwas.

Heikle Gratwandung
Danach sah es so aus, als würde Google mit Motorola eher die Strategie fahren, Software und Geräte aus einer Hand anzubieten. Das ist die Grundlage von Apples Erfolg. Und auch Microsoft schwenkte mit dem Kauf des Nokia-Handygeschäfts auf diesen Kurs ein. Doch Google befindet sich als Hüter des Android-Grals in einer heikleren Position. Der Internetkonzern musste den anderen Anbietern von Android-Geräten wie Samsung und HTC versprechen, dass Motorola nicht bevorzugt wird - und setzte sich damit selbst enge Grenzen.

Zugleich gewann Samsung mit dem Aufstieg zur klaren Nummer eins im Smartphone-Geschäft mit fast einem Drittel Marktanteil ein eigenes Gewicht, dem Google Rechnung tragen musste. Erschwerend für den Internetkonzern kommt hinzu, dass immer mehr Android-Geräte ohne Google-Dienste verkauft werden. "Android gewinnt in China, aber ohne Hilfe von Google und ohne Google-Dienste wie die Download-Plattform Play Store", betont Analyst Ian Fogg von der Marktforschungsfirma IHS. In diesen Fällen verdient Google keinen Cent, sondern muss zusehen, wie andere auf der Android-Plattform ihr eigenes Geschäft aufziehen.

Samsung und Android sollen wieder enger zusammenwachsen
Für die Verbraucher ist die Marke Samsung ohnehin präsenter als Android. Schon Anfang vergangenen Jahres warnte der damalige Android-Chef Andy Rubin die Südkoreaner öffentlich vor einem Alleingang zum Beispiel mit einem eigenen Betriebssystem. Samsung trieb danach unbeirrt den Aufbau eigener Dienste zum Beispiel für Videos oder die Übertragung von Dateien voran, die mit Google-Angeboten konkurrierten.

Nun sollen diese Solo-Projekte aber drastisch zurückgefahren werden, berichtete das Technologie-Blog "Recode" wenige Stunden vor Bekanntgabe des Motorola-Deals. Neue Geräte von Samsung sollen verstärkt auf Google-Dienste für Filme, Musik und andere Inhalte zugreifen und auch die eigene Benutzeroberfläche werde zum Teil wieder aufgegeben. "Die beiden Dinge müssen miteinander verbunden sein", witterte Gartner-Analystin Carolina Milanesi sofort einen Zusammenhang zum Motorola-Verkauf. Und Lenovo bekomme nun lauter Mitarbeiter, die Googles Android-Vision verinnerlicht hätten.

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spiele