Nach NSA-Skandal

Deutschland startet Cyberdialog mit den USA

Web
26.06.2014 09:27
Über Monate schallten aus dem Berliner Regierungsviertel Rufe nach einem No-Spy-Abkommen mit den USA, um der Schnüffelei des Geheimdienstes NSA in Deutschland ein Ende zu setzen. Doch Washington stellte sich taub, am Ende musste sich die Bundesregierung mit einem Cyberdialog zufrieden geben. Am Freitag kommt die transatlantische Gesprächsrunde zum ersten Mal in Berlin zusammen.

Es dürfte der Auftakt zu einem mühsamen Prozess werden, bei dem ungewiss ist, ob beide Seiten ihre Meinungsverschiedenheiten über das richtige Maß bei Sicherheit und Datenschutz beilegen können. In Deutschland haben die Veröffentlichungen der Dokumente des früheren US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden für große Empörung gesorgt. Die vertraulichen Unterlagen zeigen, wie die NSA auf der Suche nach Terrorverdächtigen systematisch die Kommunikationsdaten von unbescholtenen Bürgern in aller Welt abfischt. Außerdem hörte der Geheimdienst eine Reihe von befreundeten Staats- und Regierungschefs ab, darunter die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Merkel rügte Obama telefonisch
Die Kanzlerin beschwerte sich im Herbst telefonisch bei US-Präsident Barack Obama. Der gelobte Besserung, erklärte Merkels Handy für tabu und versprach eine Geheimdienstreform. Die Spähprogramme der NSA sollen nun eingeschränkt werden, die massive Überwachung des Internets wird aber Realität bleiben. Die US-Regierung hat den deutschen Verantwortlichen in vertraulichen Gesprächen zu verstehen gegeben, dass ein Verzicht auf gegenseitiges Ausspähen nicht in Frage komme. Bekäme Deutschland eine Sonderbehandlung, würde dies schließlich auch bei anderen verbündeten Staaten Begehrlichkeiten wecken.

Schon als der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier Ende Februar seinen Antrittsbesuch in Washington absolvierte, hatte die deutsche Bundesregierung die Hoffnung auf eine Anti-Spionage-Vereinbarung offenkundig schon aufgegeben. Bei der Pressekonferenz mit dem US-Chefdiplomaten John Kerry erklärte Steinmeier, er sei nicht mit der Erwartung angereist, dass sein Kollege ihm "ein unterzeichnetes No-Spy-Abkommen in die Tasche steckt und sagt: 'Gut, dass wir darüber gesprochen haben'". Eine Übereinstimmung mit den USA zu "100 Prozent" werde vermutlich nicht möglich sein, räumte er ein.

Spionage, aber auch Google und Facebook als Themen
Um sich zumindest anzunähern, lancierten Steinmeier und Kerry den Cyberdialog. Die Grenzen der staatlichen Überwachung im Netz sind nur ein Aspekt, daneben geht es um den Umgang von Unternehmen wie Google und Facebook mit Nutzerdaten, aber auch um wirtschaftliche Chancen durch das Internet. Spätestens seit Merkel und Obama beim Besuch der Kanzlerin in Washington Anfang Mai das Wort Cyberdialog in den Mund nahmen, scheint klar, dass die Gesprächsreihe eine Art Abklingbecken für die Spähaffäre werden soll.

"Die Idee ist, den Blick auf die Problematik zu weiten und nicht nur über die NSA zu reden, sondern die größeren Fragen des Internets anzugehen", sagt Deutschlandkenner Jack Janes vom American Institute for Contemporary German Studies in Washington. "Es wird schwierig sein, eine gemeinsame Grundlage zu finden." Das Treffen in Berlin werde lediglich "der Beginn einer längeren Unterhaltung" sein, glaubt Janes.

US-Regierung schickt Big-Data-Experten nach Berlin
Unter dem englischen Titel "Ensuring Security and Freedom" ("Sicherheit und Freiheit gewährleisten") setzen sich am Freitag im deutschen Auswärtigen Amt rund einhundert Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zusammen. Steinmeier will eine Rede halten, die US-Regierung schickt John Podesta. Der ranghohe Obama-Berater kümmert sich im Weißen Haus um "Big Data" - hinter diesem Schlagwort verbirgt sich die Frage nach der Analyse der im Digitalzeitalter anfallenden Datenmassen.

"Die Tatsache, dass Podesta kommt, zeigt, dass der US-Regierung die Veranstaltung wichtig ist", sagte Janes. Aus US-Regierungskreisen hieß es, Washington erhoffe sich einen Schub für die "bilaterale Kooperation bei Cyberfragen". Dazu gehöre "die Freiheit im Internet", aber auch der gemeinsame Kampf gegen Cyberkriminalität und der Schutz "kritischer Infrastruktur" wie Stromnetzen vor Hackerangriffen.

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