Gewagter Auftritt

US-VW-Chef Horn stellt sich der Masse – und dann …

Motor
21.11.2015 13:38
Der erste große öffentliche Auftritt von Volkswagen in den USA wurde mit Spannung erwartet. Am Vortag der Los Angeles Motor Show wagte sich US-Chef Michael Horn vor die Kameras und Mikrophone. Er konnte keine Autopremieren präsentieren und auch vom Abgasskandal nichts wirklich Neues berichten. Trotzdem wurde es am Schluss für den Spitzenmanager richtig gefährlich.
(Bild: kmm)

Eine Szene wie bei einer Premiere eines neuen Bond-Filmes. Nach dem Schlussakkord stürmen Dutzende von Fotografen, Kameraleuten und Reportern mit gezückten Schreibblocks auf den Hauptdarsteller zu, drängen ihn immer weiter zurück. Der Kampf ums beste Bild mit High-Tech-Kameras als Rammbock. Doch Michael Horn ist kein Filmstar, er ist Automanager, der Chef von Volkswagen in den USA. Ihn haben seine Wolfsburger Kollegen auf die Bühne der Los Angeles Autoshow geschickt, der ersten großen amerikanischen Automesse seit der Aufdeckung des Abgasskandals vor genau zwei Monaten. Nach bangen Minuten kommen endlich Sicherheitskräfte dem an die Fahrertür des neuen Beetle Dune gedrückten, schon um Luft ringenden VW-Chef zur Hilfe. Horn wird hinter der Bühne in Sicherheit gebracht.

Natürlich wollen alle den neusten Stand der Dieselaffäre aus erster Hand erfahren. Gerade in der größten Stadt Kaliforniens. Hier wurde der Betrug aufdeckt, hier herrschen die strengsten Abgasregeln weltweit. Die Wolfsburger Führungsriege zog es vor, im sicheren Europa zu verweilen. Ein Grund dafür wurde nicht genannt. US-Kenner vermuten aber, die Furcht vor der US-Justiz eine Rolle spielte. Die amerikanische Justiz sei bekannt für unvermutet schnelles Zugreifen und hätte den Spitzenmanagern als Beschuldigte einer Straftat den Pass entziehen können. Die Rückreise nach Deutschland wäre dann nicht mehr möglich gewesen.

Also musste Michael Horn nach vorn, um die für alle Hersteller übliche Pressekonferenz am Vortag der Messeeröffnung zu bestreiten. Zu keiner dieser Pflichtveranstaltungen im Halbstunden-Takt kamen so viele Besucher wie zu Volkswagen. Viele trugen Ausweise von Toyota oder Ford, von Mercedes oder auch Hyundai. Getrieben von Neugier, wie sich die deutschen Rivalen aus der Affäre ziehen oder auch klammheimlicher Schadenfreude? Auf jeden Fall aber die Erleichterung, nicht selbst dort im Rampenlicht stehen zu müssen. Denn wirklich Neues hatten die gebeutelten Kollegen von VW nicht zu bieten. Den schon bekannten US-Passat, eine Spaßversion des ebenfalls vertrauten VW Beetle mit Namen Dune und eine in Europa schon gezeigte Sportwagen-Studie auf Golf-Basis mit Plug-In-Hybrid. Im Gegensatz zu den Vorjahren drehte sich kein Diesel als "Verbrauchswunder" im Scheinwerferlicht des diesmal eher bescheidenen VW-Standes.

Michael Horn nahm sich deshalb auch viel Zeit für das Thema Nr. 1. "Wir verstehen den Frust und die Verärgerung vieler Kunden. Wir können uns dafür immer wieder nur entschuldigen", sagte er durchaus glaubhaft. Er fügte schnell hinzu, dass solche "Entschuldigungen natürlich nicht ausreichen". Alle im Konzern würden rund um die Uhr an der Aufklärung des Skandals und der Suche nach schneller Abhilfe arbeiten. "120.000 amerikanische Kunden haben sich schon bei uns gemeldet", berichtete er. "Das sind aber nur 25 Prozent der Betroffenen". Man versuche gerade die Adressen der übrigen zu ermitteln. Dabei werde ebenso wie bei anderen offenen Fragen eng mit dem Behörden zusammengearbeitet. VW bietet seinen Kunden derzeit Einkaufs- und Reparaturgutscheine in Höhe von 1000 Dollar sowie eine 24-Stunden-Mobilitätsgarantie für drei Jahre an. Doch auch Horn weiß, dass man sich Vertrauen nicht zurückkaufen kann. "Wir müssen unsere Kunden auch ehrlich um Geduld bitten, bis alle Probleme beseitigt sind". Das könne bis zu zwei Jahre dauern.

Dann verkündet er Erstaunliches und für amerikanische Ohren Erbauliches: Zum einen zogen die Verkäufe des Golf, vor allem des GTI, in den USA im Oktober um 20 Prozent an. Zum anderen wird Volkswagen seine noch junge Fabrik in Chattanooga (Tennessee) für gut 700 Millionen Euro erweitern und 2.000 neue Jobs schaffen. Dort wird neben dem Passat das langersehnte neue SUV mit drei Sitzreihen gebaut. Kurz bevor der bedrohliche Ansturm der Hundertschaft von Fotografen auf den US-Chef begann, sprach Michael Horn noch eine Einladung an die Messebesucher aus. Unten vor der Halle könne man sich für eine kostenlose Probefahrt auf den Straßen von Los Angeles anmelden. Im rein elektrischen E-Golf, einem der VW-Modelle, dessen Abgaswerte zu 100 Prozent stimmen. Schließlich emittiert er keine.

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(Bild: kmm)



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