Hinterteilweise chic!

Renault Laguna Coupé GT im Test

Motor
23.02.2009 10:30
Der Renault Laguna Coupè hat etwas mit einer Frau gemeinsam. Was? Okay: Worauf schauen Männer bei einer Frau zuerst? Ja, von vorne auf die Augen, aber von hinten? Auf den Po natürlich, und das ist auch beim Renault Laguna Coupè so. Dieser Hintern ist einfach der Hammer, den hätte den Franzosen keiner zugetraut. Und so gelungen ist das meiste an diesem Auto.
(Bild: kmm)

Es ist keine dieser Fahrzeughinteransichten, die jedem auf Anhieb gefallen. Auf dem Heck sitzt ein dicker Hügel, in den die Heckscheibe hineingleitet. Das erinnert an eine fürchterliche Design-Entgleisung beim Sechser-BMW, von der ich mich nicht erst einmal abwenden musste. Doch hier wirkt die Haube stimmig, meine Assoziation ist nicht Augenschmerzen, sondern Aston oder Maserati. Sie macht den Renault unverwechselbar.

Wenn die Franzosen doch nur ähnlich viel Kreativität bei der Front gezeigt hätten! Sie entspricht im Wesentlichen den bürgerlichen Lagunas, nur das Maul ist größer und erinnert frappierend an einen Peugeot. Die Vorderansicht ist zwar nicht gänzlich misslungen, kann aber mit der stilvollen Heckpartie und der Karosserielinie generell nicht mithalten. Bei Renault scheint man auch nicht gerade stolz auf die Coupé-Schnauze zu sein, im Prospekt findet sich kein einziges Foto von vorne!

Rundgang beendet, Zeit einzusteigen!
Ohne aufzusperren öffnen wir die Türen, der Testwagen hat ein schlüsselloses Zutrittssystem, das tadellos funktioniert. Es versperrt die Türen sogar automatisch, wenn man zwei Meter vom Auto weggeht.

Der Innenraum ist zwar im Prinzip auch wie in der Limousine, passt aber sehr gut zum Coupé. Man sieht, dass die Designer schon den einen oder anderen BMW von innen gesehen haben, allerdings wirkt es hier eleganter als in den bayerischen Autos. Insbesondere das Navi-Display ist besser integriert. Man sitzt bequem, hat vorne gut Platz und freut sich am erstklassigen Soundsystem, das wirklich für einen Ohrenschmaus sorgt. Nicht ganz ins Bild passt der altbacken wirkende Wählhebel der Sechs-Stufen-Automatik, die in den Versionen mit V6-Motor obligatorisch ist. Hier wünsche ich mir ein knackiges Handschaltgetriebe oder ein sportliches Doppelkupplungsgetriebe. Und eine Hebeloptik à la Benz oder BMW.

Per Knopfdruck werfe ich die Maschine an. Der neu entwickelte 3-Liter-V6-Diesel des Testwagens mit 235 PS (der V6-Benziner stammt aus dem Nissan 350Z) passt ideal zum Renault-Coupé. Er zieht bullig an, 450 Nm sind praktisch aus dem Nichts vorhanden, und er klingt dabei auch noch angenehm und leise (nur im Stand grüßt der Diesel vorsichtig). Wenn losgelassen, erklimmt das 1,6-Tonnen-Coupé den Zwischengipfel bei 100 km/h in 7,3 Sekunden und stürmt weiter bis 218 km/h. Gelassenheit ist dabei ständige Beifahrerin, der Charakter dieses Coupés ist die schnelle Reise.

Lenken an allen Ecken
Die darf und muss natürlich auch abseits der Autobahnen durch enges Winkelwerk führen, denn hier spielt das Coupé seinen ganz großen Trumpf aus: die Allradlenkung! Die Hinterräder lenken unterhalb von 60 km/h maximal 3 Grad gegengleich zu den Vorderrädern, darüber in die gleiche Richtung. So carvt sich der flinke Franzose richtiggehend in die Kurven. Wenn es ganz eng wird (etwa im Parkhaus) erleben sogar etwaige Mitfahrer ihren Aha-Effekt: Der Wendekreis ist mit 10,6 Metern (10,1 m zwischen Gehsteigen) wirklich extrem klein, sogar mehr als einen Meter geringer als der eines Fiat 500!

Zur Tankstelle muss man dank 7,3 Litern Normverbrauch ausreichend - wenn auch nicht übermäßig – selten, das Tanken wird einem dann auch recht komfortabel erleichtert: Es gibt keinen Tankdeckel zum Aufschrauben, sondern nur die Klappe. Bravo! Fast möchte ich noch mehr aufs Gas steigen, damit ich öfter keinen Deckel aufschrauben muss!

Der Kofferraum fasst 423 Liter, die durch eine relativ kleine Luke einfüllt werden (etwas hinderlich ist der Lautsprecher, der hereinragt). Das reicht für die Reise zu zweit, zu mehreren wird man eine Fahrt eher nicht antreten, denn die Rückbank ist nicht ernsthaft zum Passagiertransport geeignet. Dank umklappbarer Rücklehnen aber als Kofferraumerweiterung.

Ohne Meckern geht’s nicht
Es wäre ein rundum herrliches Coupé, wenn man im Detail nicht so viele Augen zudrücken müsste. So ist die Scheibenwischwaschlösung nicht gelungen: unterdimensioniertes Spritzerl und sichbehindernde Wisch-Geometrie. Und warum gibt es keinen Tippkontakt für den Wischer?

Harmlos, aber nervtötend (wenn auch offenbar in französischen Autos üblich) ist der Ping-Pong-Sound des Blinkers. Mesdames et Messieurs, das hier ist kein Spielzeug, sondern ein ernst zu nehmendes Coupé! Der Tempomatschalter sitzt zwischen den Sitzen, die Tempomat-Bedienknöpfe im Lenkrad sind nicht beleuchtet. Der Aufbau des Bordcomputers ist wie im Dacia Logan. Das lässt zwar Dacia-Fahrer Höhenluft schnuppern, Coupé-Fahrern sollte man den Blick aber eher nach oben als nach unten richten (nicht falsch verstehen: Ich schätze den Dacia Logan sehr, auch als Statement!). Die Bedienung der Lenkstockhebel wirkt etwas billig, die Radiobedienung, die man seit Jahrzehnten von Renault kennt, ist echt in die Jahre gekommen und sollte ins Lenkrad integriert werden. Und der Schalter für die Sitzheizung gehört einfach nicht unter den Sitz, wo man ihn nicht sieht!

Das ist Meckern auf hohem Niveau. Unterm Strich bleibt ein wunderschönes, solide verarbeitetes Coupé mit einer einzigartigen Allradlenkung, einem starken Motor – und einem ziemlich erwachsenen Preis: Der Testwagen kommt auf rund 50.000 Euro. Ziemlich ambitioniert, da bewegt man sich schon beinahe im Audi-A5-Revier. Den gibt’s zwar mit Allradantrieb – aber nicht mit Allradlenkung!

Stephan Schätzl

Warum?

  • Dieser Hintern!
  • Tolle Allradlenkung.

Warum nicht?

  • Der Blinker raubt den letzten Nerv.

Oder vielleicht …

  • … ein Peugeot-Coupé?
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(Bild: kmm)



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